Buchmesse Frankfurt: Architekt Stefano Boeri hat für klare Linien gesorgt, es gibt Buchgeschichte zu entdecken und Spielereien: der Pavillon des Ehrengastes Italien auf der Buchmesse Frankfurt.

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Es gibt sogar Seitengassen. Und mit etwas gutem Willen und Phantasie sehen die Querverstrebungen oben so aus wie die Wäscheleinen, die hier und da, immer seltener allerdings, zwischen italienischen Hauswänden hin und her gezogen werden, um Bettwäsche zu trocknen.

Architekt Stefano Boeri hat im Ehrengast-Pavillon der Frankfurter Buchmesse eine Indoor-Piazza geschaffen, eingefasst von strahlend weißen Säulen, eckigen, runden, kannelierten, gedrehten, mit Kapitellen aller Art – eine Art Baustilkunde des klassischen Italiens. Der Pavillon, der bei manchem Gastland schon wie ein krudes Sammelsurium oder eine überladene Handwerker-Leistungsschau ausgesehen hat, versunken in der Kakophonie von Videos, Spielen und Maschinen, er ist ausgesprochen aufgeräumt und macht, neben der Piazza selbst, Wunderkammern auf für die Kultur Italiens.

Das sorgt für angenehme Konzentration, auch wenn manches "Studiolo" sehr vage bleibt, etwa eine Präsentation von Machiavellis Nachruhm auf Spielkarten und Briefmarken. Und die Rückseite der Stirnwand mit Schwarz-Weiß-Fotos großer italienischer Autoren des 20. Jahrhunderts ein etwas undankbarer Ort ist, um an Pirandello, Morante und Eco zu erinnern.

Erfindung des individuellen Lesens

Um zwei Stufen erhöht umlaufen die Säulenreihen ein wohlproportioniertes Rechteck in Erdfarben, über dem ein Meer von LED-Lichtlein einen Sternhimmel vorgaukelt. Einen reichlich düsteren: Man kann nur hoffen, dass die Musiker, die dort am Flügel die Diskurse und Lesungen unterbrechen sollen, etwas mehr Licht abbekommen.

Womöglich aber ist das Lichtdesign so schummerig ausgefallen, um die aus goldenen Steinchen zusammengesetzte Skulptur in der Mitte der Piazza umso mehr leuchten zu lassen: "Il guanto", der "Handschuh" von Alessandro Mendini, stehe für die "Offenheit" Italiens, erläuterte Boeri anlässlich eines ersten Rundgangs. Wieso genau, lässt sich nicht recht erklären, wohl aber leuchtet das Hohelied der italienischen Piazza ein, das Boeri singt. Belegt von bewegten Bildern, die er an die Stirnwand seiner Piazza projizieren lässt: ein paar dokumentarische Szenen, ansonsten Filmklassiker, in denen Marcello Mastroianni oder Dirk Bogarde über die Piazza Navona und den Markusplatz gehen.

Es gibt eine Art künstliches Gärtlein, in dem die traditionelle Geschenk-Ausstellung der Buchmesse für den Gast untergebracht worden ist: "Books on Italy" versammelt nicht nur 600 internationale Ausgaben italienischer Buchtitel, sondern auch einige der größten Werke der italienischen Literatur und Philosophie: Manzonis "I promessi sposi", Galileo Galileis Dialog, die "Canti" von Giacomo Leopardi in der Erstausgabe von 1831. Und: Dantes "Terze rime", die "Commedia", 1502 von Aldo Manuzio erstmals kursiv gesetzt, was, weil der Ehrengast konsequent zweisprachig auf das Englische setzt, in "italics" steht – italienischer Schrift.

Ein herausragendes Kabinett feiert die Erfindung des individuellen Lesens durch den venezianischen Buchdrucker Aldo Manuzio um 1500, der als Erster Bücher mit Titeln, Seitenzahlen, Index und in einem Format druckte, das es allen möglich machte, Lektüre in die Hand und mit sich mitzunehmen. Ein Sprung hin zur Moderne, den das Kabinett mit einer spielerischen Zeitreise durch Venedig weiterführt.

Nicht das einzige Geschenk für Fans der italienischen Kultur: Grafik von Piranesi und eine hinreißende Fotoserie von Luigi Spina, der das pandemiebedingt leere Pompeji mit einer Hasselblad H6D 100 C in schönstes Licht gerückt hat, umgeben mit Fresken aus dem "Haus des tragischen Dichters" von Pompeji und Tischbeins Aquarell von Goethe in der neapolitanischen Campagna aus dem San-Martino-Museum in Neapel, mit zwei gut gelungenen Füßen im Gegensatz zum Tischbein-Gemälde im Städel, Fundstücke aus Pompeji.

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Für Caffè auf der Piazza ist gesorgt, unter den imposanten Maschinen, die der Ehrengast nach Frankfurt mitgebracht hat, ist die Kaffeemaschine sicher die größte. Gleich daneben werden in 3D Werbegeschenke aus Kunststoff ausgedruckt. Fast so, als müsse Italien unbedingt auch noch ein bisschen Zukunft in seinen Ehrengast-Pavillon holen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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