Fish auf Abschiedstour: Es ist seine letzte Tournee: Fish, einst mit der Band Marillion Neo-Prog-Ikone, dann allein unterwegs, spielt in der bis auf die letzte Ecke gefüllten Batschkapp in Frankfurt.
Was hat Derek William Dick nicht alles investiert in den ersten Konzertminuten in Frankfurt: das alte Rossini-Intro ("La gazza ladra") aus Marillion-Zeiten laufen lassen, zwei seiner bekanntesten Solohits ("Vigil" und "Credo") gespielt, seiner Mutter mit Hilfe des Publikums ein Geburtstagsständchen gebracht. Und dann: Technikpause. 40 Minuten Zeit zum Biertrinken, Plauschen, Handychecken.
Irgendwann wird es lang. Fish, wie sich der schottische Hüne als Bühnenfigur seit jeher nennt, gibt Zwischenstände. Endlich kehrt die sechsköpfige Band zurück. "Slainte Mhath", der majestätische Opener früherer Tourneen seiner 1988 zerbrochenen Band, soll als frühe Zugabe die Batschkapp versöhnen, die bis in die letzte Ecke gefüllt ist. "Ein extra Song, weil ihr so geduldig wart", sagt Fish, der in zwei seiner drei Ehen gut Deutsch gelernt hat.
Ein bisschen muss die Band den Rest des Konzerts gegen die unerwünschte Pause ankämpfen. Aber die alte Formel des Sängers – komplizierte Songs zum Mitsingen – geht immer wieder auf, ob es Solonummern wie "Shadowplace", "Weltschmerz" oder der Liebessong "Cliché" (leider für die falsche Frau) sind. Das Publikum ist textsicher, zeitweise ähnelt die Stimmung der in einer Fankurve. Marillion, das waren in den Achtzigerjahren verkopfte, an Genesis und Yes geschulte Neoprog-Miniopern. Sie waren die Meister des effektiven Finales von Songs. Die Antioberflächlichkeitshymne "Fugazi", die Wutrede gegen Antisemitismus "White Russian" oder "Incommunicado", das Kurzdrama eines gefallenen Stars, wurden aus tausenden Kehlen im Wembley-Stadion gegrölt. Sie fehlen an diesem Abend.
Der 66 Jahre alte Sänger hat sich für seine letzte Tournee Songs ausgewählt, auf die er Lust hatte. Von Marillion ist es "Incubus", achtminütiges Monument seiner frühen Karriere. Der Zugabenblock besteht aus "Kayleigh", "Lavender" und "Heart of Lothian", der ewigen Hit-Trias ihres erfolgreichsten Albums "Misplaced Childhood". Auf einmal fühlt sich der Saal an, als wäre es 1985.
Die Stimme ist geschunden, alle alten Gassenhauer singt Fish anderthalb Oktaven tiefer. "Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen einem Schreiber, der singen kann, und einem Sänger, der schreiben kann", ruft er seinem zunehmend dankbaren Publikum zu. Nun komme hinzu, dass er sich im Tourbus im Spiegel anschaue und merke, dass er keine 23 mehr, sondern 66 sei. All die Jahre habe ihm das Publikum als Therapeut beigestanden. Dafür bedankt er sich ausdrücklich.
Als er sich von seiner bis heute aktiven Band trennte, nahm Fish die Mitsing-Hymnen mit, kreierte als Solokünstler neue und ließ die vertrackten Instrumentalpassagen bei den Kollegen zurück. Die Synthese der Jahre 1982 bis 1988 haben seitdem beide nicht mehr erreicht. Aber für einen Abend, der weit mehr als Nostalgie bereithält, reicht es allemal. Zum Abschied sagt er "Goodbye". Im Wortsinn: Lebt wohl! © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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