AWO-Skandal in Frankfurt: Vor mehr als fünf Jahren kamen die Ermittlungen zur AWO-Affäre ins Rollen, in die auch der damalige Oberbürgermeister Frankfurts verstrickt war.

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Sie beschäftigt bis heute die Frankfurter Gerichte. Mehrere Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.

Überhöhte Gehälter, Luxus-Dienstwagen und Scheinanstellungen: Mehr als fünf Jahre ist es nun her, dass der Skandal bei der Frankfurter Arbeiterwohlfahrt (AWO) aufflog. Für viele Mitarbeiter in Führungspositionen hatte die Affäre weitreichende Konsequenzen. Vieles von dem, was von März 2019 an ans Licht kam, beschäftigte auch die Frankfurter Gerichte. Betrug, Untreue, Korruption und mehr wurden über die Jahre verhandelt. Und bis der Skandal vollständig juristisch aufgearbeitet ist, könnte es noch dauern.

Am Frankfurter Landgericht wird die Affäre rund um den Frankfurter Wohlfahrtsverband am Freitag abermals Thema einer Verhandlung. In einem Zivilprozess fordert die Stadt Frankfurt 2,6 Millionen Euro von der AWO. Nach Ansicht der Stadt sollen die Personalkosten für zwei von der AWO betriebenen Flüchtlingsheime, die die Stadt von 2016 bis 2018 an den Kreisverband gezahlt hatte, zu hoch abgerechnet worden seien. Wann ein Urteil verkündet wird, ist noch nicht abzusehen.

Doch auch die strafrechtliche Aufarbeitung des Streits um die Flüchtlingsunterkünfte wird das Landgericht vermutlich im nächsten Jahr weiter beschäftigen: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat Anklage gegen den Ex-Geschäftsführer der Frankfurter AWO Jürgen Richter, seine Ehefrau und frühere Geschäftsführerin Hannelore Richter sowie Panagiotis Triantafillidis, ehemaliger AWO-Vorstand, und die ehemalige Leiterin der Buchhaltung wegen Betruges zulasten der Stadt Frankfurt erhoben.

Neugefasste Anklage liegt seit einem Jahr beim Landgericht

Unklar ist aber noch, ob es überhaupt zu einem Prozess kommen wird. Bereits im August 2022 hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, doch das Landgericht forderte die Staatsanwälte etwa ein halbes Jahr später zu Nachermittlungen auf. Ein Hinweis darauf, dass eine Strafbarkeit in diesem Falle – unabhängig von einer zivilgerichtlichen Bewertung – nicht ganz einfach ist. Seit etwa einem Jahr liegt die neugefasste Anklage nun wieder beim Landgericht. Eine Entscheidung der Kammer darüber, ob eine Hauptverhandlung eröffnet wird, liegt noch nicht vor. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch relativ hoch, wie man aus Justizkreisen hört.

Man könne davon ausgehen, dass das Gericht keine Nachermittlungen angefordert hätte, wenn es keine Anhaltspunkte für eine Strafbarkeit gäbe. Sollte es dazu kommen, wäre mit Eröffnung der Hauptverhandlung in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres zu rechnen. Daneben stehen nach Angaben eines Gerichtssprechers noch zwei weitere Verfahren aus: Zum einen steht ein Berufungsverfahren gegen Klaus Roth, ehemaliger Kita-Abteilungsleiter bei der AWO Frankfurt und Geschäftsführer des Tochterunternehmens AWO-Protect, aus.

Er soll zusätzlich zu seinem Hauptjob zwei Minijobs gehabt haben, die zwischen 2016 und 2019 mit insgesamt rund 20.000 Euro vergütet worden seien. Das Amtsgericht verurteilte ihn wegen Beihilfe zu Untreue zu 180 Tagessätzen á 35 Euro. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung am Landgericht.

Feldmann im Fokus

Gegen Roth läuft allerdings auch noch ein weiteres Verfahren im Zusammenhang mit dem Sicherheitsunternehmen AWO-Protect. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm sowie einer Mitarbeiterin aus der Buchhaltung Untreue vor. Das Gericht prüft derzeit, ob die Anklage zugelassen wird.

Bereits drei Strafverfahren wurden am Frankfurter Landgericht bisher im Zusammenhang mit dem AWO-Skandal abgeschlossen. Die größte Aufmerksamkeit hatte der Prozess gegen den ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann erhalten. Ende Dezember 2022 wurde Feldmann wegen Vorteilsannahme im Amt in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 175 Euro verurteilt.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Feldmanns spätere – und inzwischen von ihm geschiedene – Frau Zübeyde Feldmann 2014 eine Stelle als Leiterin einer deutsch-türkischen Kita der Arbeiterwohlfahrt bekam, weil sich die damalige Verantwortliche des Verbands damit das Wohlwollen des Oberbürgermeisters sichern wollte. Zübeyde Feldmann wurde ebenfalls in diesem Zusammenhang rechtskräftig verurteilt, für ihren Schein-Minijob als Betreuerin beim Förderverein des Pflegezentrums Robert-Krekel-Haus der AWO Wiesbaden.

Fünfstellige Bezahlung ohne Arbeitsleistung

Dem Urteil des Frankfurter Amtsgerichts zufolge hatte sie 13.500 Euro zwischen November 2014 und April 2017 verdient, ohne Arbeitsleistung zu erbringen. Sie selbst hatte sich in dem Prozess nicht zu den Vorwürfen geäußert. Ihre Verteidiger argumentierten aber, in der Beweisaufnahme habe nicht festgestellt werden können, dass ihre Mandantin den Vertrag mit der Intention unterschrieben habe, keine Arbeitsleistung zu erbringen.

Damals sei sie 28 Jahre alt und Studentin gewesen und habe sich Chancen von der Arbeit für die AWO erhofft. Deshalb habe sie die verschiedenen Verträge, die sie mit dem Wohlfahrtsverband hatte, nicht infrage gestellt. Die Strafrichterin am Amtsgericht sah das anders und verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 30 Euro.

Der Fall Feldmann wird auch in einem weiteren großen Verfahren am Landgericht voraussichtlich noch einmal eine Rolle spielen, denn gegen das Ehepaar Jürgen und Hannelore Richter wird in dieser Sache wegen Vorteilsgewährung ermittelt. Daneben ist auch der Vorwurf der Untreue Gegenstand der Ermittlungen.

Auch eine weitere Person in Peter Feldmanns Umfeld wurde im Zuge der Aufarbeitung des AWO-Skandals verurteilt: Der ehemalige Hauptamtsleiter Tarkan Akman ist wegen Vorteilsannahme vom Amtsgericht verurteilt worden. Der Strafbefehl über 80 Tagessätze zu je 70 Euro wurde im Januar dieses Jahres rechtskräftig.

Schadensersatz in Höhe von 460.000 Euro

Akman hatte mehrfach Kontakt zur Arbeiterwohlfahrt aufgenommen, um seiner Schwester einen Job zu verschaffen. Im Gegenzug versprach er laut den Feststellungen, die Interessen der AWO bei der Amtsausübung wohlwollend zu berücksichtigen. Seine Schwester wurde wegen Beihilfe zur Vorteilsannahme zu 60 Tagessätzen á 60 Euro verurteilt.

Rund zehn Verfahren im Zusammenhang mit dem AWO-Skandal haben die Richter in den Zivilkammern am Landgericht Frankfurt in den vergangenen Jahren beschäftigt, wie eine Gerichtssprecherin auf Anfrage mitteilte. Viele von ihnen seien bereits abgeschlossen. Es sei beispielsweise um Rückzahlungen wegen Schein-Minijobs und überteuerten Dienstwagen gegangen.

Neben dem Prozess um die Flüchtlingsunterkünfte wird am Landgericht derzeit ein weiteres Zivilverfahren verhandelt: In diesem geht es um ein Darlehen des AWO-Kreisverbandes Frankfurt an das Tochterunternehmen AWO-Protect über mehrere hundert Tausend Euro.

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Die Kläger behaupten: Ende 2018 wäre das Sicherheitsunternehmen insolvenzreif gewesen, mit diesem Wissen soll die ehemalige Spitze des Kreisverbands trotzdem weiterhin Zahlungen geleistet haben. Beklagte sind Jürgen Richter, Panagiotis Triantafillidis und vier weitere. Die Kläger fordern dafür einen Schadensersatz in Höhe von 460.000 Euro. Dieser Prozess geht am 28. November weiter, ob auch ein Urteil verkündet wird, ist derzeit noch unklar.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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