Frankfurt Marathon: 42,195 Kilometer lang kämpfen sich die Sportler am Sonntag beim Frankfurt Marathon über die Straßen. Eine Stelle ist besonders herausfordernd.

Mehr News aus Hessen finden Sie hier

Hier schlägt er am liebsten zu, der Mann mit dem Hammer. Zwischen Kilometer 30 und 35 raubt er Marathonläufern gerne die Kräfte, haut ihnen den Saft aus den Beinen und den Optimismus aus dem Kopf. Sich dann durchzubeißen, dem Ziel weiter entgegenzustreben, obwohl die Speicher leer sind, wird zu einer riesigen Herausforderung.

Beim Traditionsrennen in Frankfurt, das an diesem Sonntag (ab 10 Uhr) zum 41. Mal Hobby- und Profiläufer von der Messe aus 42,195 Kilometer lang durch die Hochhausschluchten und parallel zum Main nach Schwanheim und zurück in die Festhalle führt, gilt das noch mehr als bei anderen Ausdauerbelastungen. Denn genau in der kritischen Phase biegen die Sportler von der Birmingham- auf die Mainzer Landstraße ab. 4500 schnurgerade Meter haben sie dann vor sich, bevor es an der Kriegkstraße im Gallus nach links zur letzten Runde durch die City geht.

"Man sieht da diese superlange Gerade und kein Ziel", sagt Eintracht-Athletin Katharina Steinruck, die auf der Strecke 2017 deutsche Meisterin wurde. Sie selbst liebe das, kennt ähnliche Passagen von ihren Starts in Sapporo und Osaka. Als Läuferin könne man es dort richtig "rollen" lassen. Wo es keine Kurven und Kanten gebe, müssten sich die Sportler nicht bremsen und könnten gute Zeiten herausholen. Doch das Ganze sei "ein Kopfkampf", sagt Steinruck. "Man muss sich positiv darauf einstellen."

Herausforderung für Sportelite und Hobbyläufer

Dabei helfe der Gedanke, "dass man schon 30 Kilometer hinter sich hat". Und dass es danach ins Finale gehe. Doch selbst Wilson Kipsang ließ sich von der Leere vor seinen Füßen aus dem Tritt bringen. Nachdem der Kenianer 2010 in 2:04:57 Stunden eine neue Streckenbestzeit aufgestellt hatte, wollte er diese ein Jahr später durch einen Weltrekord ersetzen. Sein Tempomacher stieg jedoch auf der Mainzer ungeplant aus, wie sich Renndirektor Jo Schindler erinnert. "Das hat Wilson irritiert." Er verlor zehn Sekunden und schrammte schließlich in 2:03:42 Stunden um vier Sekunden an seinem ambitionierten Vorhaben vorbei.

Die Marke, die Kipsang in Frankfurt setzte, ist bis heute aktuell. Die Masse an Freizeitathleten orientiert sich hingegen am eigenen Leistungsvermögen. Auf der "Mainzer" kommt für jedes Niveau ein weiteres Problem dazu: Der Wind verweht manch angestrebte Zeit.

Früher war das deutlich häufiger der Fall. Da war es auf dem Asphalt, neben dem es teilweise nur wenig oder niedrige Bebauung gibt, noch in die andere Richtung gegangen, also von der Innenstadt nach Höchst. 2000 sei das gedreht worden, sagt Schindler, "weil die Herbstwinde überwiegend von West nach Ost wehen". Seitdem müssen die Läufer mit weniger Widerstand rechnen.

Mettbrötchen und Bier am Straßenrand

"Am besten, man läuft in einer Gruppe", sagt Steinruck. Dann könne man sich in dieser "klein machen und verstecken". Aber nicht immer sei das möglich, "ich musste da auch schon ganz allein rennen", erinnert sich die ehemalige Team-Europameisterin. In Gesellschaft könne man sich gegenseitig motivieren, betont Lauftrainerin Jana Bauer, die wie Steinruck Wiederholungstäterin beim Frankfurt-Marathon ist. "Man kann auflaufen, überholen und vielleicht sogar die anderen mitziehen." Dabei kämen bisweilen kurze Gespräche zustande mit Mitläufern, die man vorher nicht kannte.

Wichtige Unterstützung leisteten die zahlreichen Fans und Musikgruppen, die sich alljährlich auf der Mainzer Landstraße versammeln. Von einer "Cheering Zone" zur anderen könne man sich auf diesem "berühmt-berüchtigten" Pflaster entlanghangeln, die Kinder am Straßenrand abklatschen und so, bei allem berechtigten Respekt vor diesem Abschnitt, viel Spaß haben.

Stephan Schmidt erinnert sich an eine besondere Erfahrung: Vor ein paar Jahren habe mal ein Vater mit seinem Sohn bei Kilometer 34 einen Tapeziertisch komplett mit Mettbrötchen und Bier beladen, an dem sich die Läufer gratis hätten bedienen können. "Aber wer wagt sich da schon heran?", fragt der 36-Jährige, der als Skylinerunner zu den Botschaftern des Marathons zählt.

Interessieren Sie die Artikel der F.A.Z.?
Uneingeschränkter Zugriff auf diesen und alle weiteren zahlungspflichtigen F+ Inhalte auf FAZ.NET. Jetzt Abo abschließen.

In sportlicher Hinsicht sieht er selbst einen Vorteil der Mainzer darin, dass man hier leicht und ohne größere Ablenkung in seinen eigenen Rhythmus finden und ihn kontinuierlich halten kann. "Die Straße ist flach und breit und hat keine Ecken", sagt Schmidt. Sie stelle den direkten Weg zum Ziel dar und man könne auf ihr diesem "entgegenfliegen". Dennoch gelte sie als "Achillesferse", als Stelle, an der der Langstreckler am verletzlichsten ist. Bauer kennt ein einfaches Gegenmittel für die drohende Schwäche: "Beordert eure Familie dahin", sagt sie. "Dann habt ihr etwas, worauf ihr euch freuen könnt."  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.