Bürgermeister gibt auf: Bürgermeister Patrick Koch tritt nicht wieder an. Ein politisches Tauziehen mit sieben Fraktionen und finanzielle Debakel prägen seine Amtszeit.

Mehr News aus Hessen finden Sie hier

Mit seiner Ankündigung, nicht mehr für eine dritte Amtszeit kandidieren zu wollen, hat Pfungstadts Bürgermeister Patrick Koch (SPD) für eine Überraschung gesorgt. "Nein, frustriert bin ich nicht, höchstens enttäuscht", sagt der 48 Jahre alte Patrick Koch im Gespräch mit der F.A.Z. zu den Gründen für seinen Rückzug. Zu schaffen macht ihm vor allem die Situation im Stadtparlament, in dem sieben Fraktionen mit ständig wechselnden Mehrheiten entscheiden. In den vergangenen Monaten wandten sich die Stadtverordneten dabei meist gegen den Bürgermeister und seine Vorstellungen. Immer wieder müsse er zudem gegen Beschlüsse Widerspruch einlegen, weil sie rechtlich mangelhaft seien, kritisiert er.

Der Bürgermeister arbeite gegen das Parlament, meinen dagegen die Fraktionen, darunter auch Teile seiner eigenen Partei. Sie kritisieren eine gewisse Sturheit und einen Hang zur Selbstdarstellung an Koch. Seine Ankündigung, nicht mehr zu kandidieren, stieß bei den Fraktionen deshalb überwiegend auf Zustimmung. Koch ebne damit den Weg für einen politischen Neuanfang. Die Grünen fordern vor dem Hintergrund des finanziellen Debakels nach dem Hessentag sogar den sofortigen Rücktritt des Bürgermeisters, dessen Amtszeit noch gut ein Jahr dauert. Mehrere Fraktionen haben zudem angekündigt, Kandidaten für die Bürgermeisterwahl im September 2025 aufstellen zu wollen.

Koch sieht eigene Fehler ein

Koch spricht unterdessen von "Besserwissern in einzelnen Fraktionen", die seine Arbeit torpedierten, und einem teilweise respektlosen Umgang im Parlament. "Als Demokrat respektiere ich natürlich die Parlamentsbeschlüsse, auch wenn ich sie für falsch halte", hebt der Bürgermeister hervor, der vor seiner Zeit im Rathaus eine Legislaturperiode im Hessischen Landtag saß und davor Kriminalbeamter beim Polizeipräsidium Südhessen war.

Koch gibt im Gespräch aber auch Fehler zu. Dass er sich vehement für den Erhalt der Pfungstädter Brauerei am derzeitigen Standort eingesetzt habe, während die Parlamentsmehrheit auf dem Areal ein Baugebiet befürwortet und eine von Koch vorgeschlagene Bürgerbefragung abgelehnt habe, sieht er im Nachhinein als Fehler. Auch zum Hallenbad sind sich Bürgermeister und Parlamentsmehrheit bis heute nicht einig. Koch warnt wegen der Haushaltslage vor dem geplanten Großprojekt. Er wollte ein kleines Bad für Vereine und Schulen. Die Parlamentsmehrheit denkt jedoch größer und will unter anderem eine Sauna angliedern. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf mehr als 45 Millionen Euro. "Ich sehe nicht, wie so etwas derzeit zu bezahlen wäre", gibt Koch zu bedenken, der die jährlichen Folgekosten auf mindestens 1,5 Millionen Euro taxiert.

Den Hessentag sieht Koch im Rückblick kritisch. Nach heutigem Stand würde er dem Parlament nicht mehr empfehlen, sich für die Veranstaltung zu bewerben. Zu unkalkulierbar seien die Risiken. Das Land gebe Richtlinien vor, die Kommunen müssten zahlen und trügen das Risiko. Zwar hat der damalige Staatskanzleichef Axel Wintermeyer (CDU) Koch die Übernahme eines Teils des Defizits von mehr als zehn Millionen zugesagt. Aus Wiesbaden liege aber bis heute keine Entscheidung vor, ob und wie viel Geld in die Stadtkasse fließen könnte.

Stark gestiegene Personalkosten

Für das Bürgermeisteramt zu kandidieren sei damals eine richtige Entscheidung gewesen, sagt Koch rückblickend. Denn er habe auch viel bewegt und die Stadt vorangebracht. Als Beispiel nennt er die Verbesserung der Infrastruktur. Die Westumgehung, die Pfungstadt vom Durchgangsverkehr entlaste, sei in Rekordzeit gebaut worden. Die Stadtentwicklungsgesellschaft arbeite bis heute hervorragend. Koch hat sich zur Erinnerung eine Positivliste angelegt, die mehr als 100 kleinere Positionen wie die Auszeichnung als Fairtrade-Town oder als Klimakommune ausweist.

Er fordert, eine Stadt ganzheitlich zu denken und sich nicht an Details festzubeißen, wie das in Pfungstadt der Fall sei. "Hier geht es oft zwei Schritte vor und drei zurück." Koch will in seiner Amtszeit noch einen Doppelhaushalt für 2025 und 2026 vorlegen und hofft, dass der aktuelle Haushalt für dieses Jahr im Oktober endlich beschlossen wird. Von 2027 an werde es mit Blick auf die Einnahmen spannend, sagt Koch voraus. Die Kosten für Kreis- und Schulumlage hätten sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt und würden weiter steigen, ebenso die Personalkosten. Die Einnahmen seien hingegen deutlich schwächer gestiegen.

Koch wünscht seinem Nachfolger eine verlässliche Mehrheit im Stadtparlament und verbindet dies mit Kritik an der Direktwahl der Bürgermeister. Oft würden unabhängige Kandidaten gewählt, die dann keine Mehrheit in den Parlamenten hätten, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Das führe zu Stillstand. Früher seien die Bürgermeister vom Parlament gewählt worden und hätten dafür schon eine Mehrheit benötigt, die sie dann auch über ihre Amtszeit getragen habe, so Koch.

Interessieren Sie die Artikel der F.A.Z.?
Uneingeschränkter Zugriff auf diesen und alle weiteren zahlungspflichtigen F+ Inhalte auf FAZ.NET. Jetzt Abo abschließen.

Wie es für ihn 2026 beruflich weitergeht, weiß Koch noch nicht. "Ich bleibe ein politischer Mensch", sagt er. Ein Hauptamt in der Politik strebe er nach den Erfahrungen der vergangenen zwölf Jahre aber nicht mehr an.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.