Erste Regierungserklärung: Der hessische Justizminister Heinz macht erste Erfolge in Hessen und auf der nationalen Bühne geltend. Was er erreichen kann, hängt auch von der neuen Mehrheit im Bundestag ab.
Die Opposition im Hessischen Landtag hält die von Justizminister Christian Heinz (CDU) angekündigten 100 zusätzlichen Stellen für die Staatsanwaltschaft nicht für ausreichend. Das sei zwar zunächst einmal eine gute Idee, meinte Tarek Al-Wazir, der rechtspolitische Sprecher der Grünen, am Montag im Plenum. Denn gegen Ende des vergangenen Jahres hätten bei den Staatsanwaltschaften 108.000 unerledigte Verfahren auf Halde gelegen.
Irritiert zeigte sich Al-Wazir aber über Heinz’ Erklärung, dass 50 von den 100 Stellen nicht neu geschaffen würden, sondern aus anderen Bereichen der Justiz abgezogen würden. "Es kann nicht richtig sein, Löcher zu stopfen, indem man andere Löcher an anderen Stellen wieder aufreißt", meinte der Abgeordnete.
Der rechtspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Patrick Schenk, nannte die zusätzlichen Stellen einen Tropfen auf den heißen Stein. Um die Situation in der alltäglichen Praxis tatsächlich signifikant zu verbessern, seien zusätzlich mindestens 200 Richter und 100 Staatsanwälte erforderlich.
"Das ist nicht akzeptabel"
Selbst wenn sich die angekündigten zusätzlichen Stellen zeitnah besetzen ließen, könne man damit gerade einmal die Zahl offener Verfahren konstant halten, aber keine Reduzierung bewirken, so Schenk. In dieselbe Kerbe schlug für die FDP-Fraktion die Abgeordnete Marion Schardt-Sauer. Bei den Staatsanwaltschaften fehlten 374 Stellen. Die Zahl der offenen Verfahren sei dort von 2020 bis 2023 um rund 50 Prozent gestiegen. Heute liege sie bei etwa 107.000 offenen Verfahren.
Weil die Prozesse nicht rechtzeitig anfingen, komme es immer wieder zu Haftentlassungen. So seien im laufenden Jahr schon neun Personen wegen überlanger Verfahrensdauern aus der Untersuchungshaft entlassen worden, berichtete Schardt-Sauer. "Das ist nicht akzeptabel. Der Rechtsstaat kapituliert vor der Überlastung."
Heinz hatte in seiner ersten Regierungserklärung seit seiner Amtsübernahme zu Beginn des Jahres neben der Ankündigung der neuen Stellen eine Reihe von Themen aufgelistet, die er auf die nationale Agenda gesetzt habe. Er sei stolz darauf, dass die hessische Initiative zur Speicherung von IP-Adressen im Bundesrat eine parteiübergreifende Mehrheit bekommen habe, sagte der Achtundvierzigjährige.
Die Gegner dieses Vorschlags setzten darauf, dass befreundete Staaten die nötigen Informationen zulieferten. Das sei unehrlich. Deutschland müsse selbst über die nötigen Instrumente verfügen können, um Kinderschänder effektiv und erfolgreich verfolgen zu können. Der Bund sei bislang untätig gewesen. "Es scheint sich aber in der Frage etwas zu bewegen."
"Abwarten kostet Menschenleben"
Von der künftigen Bundesregierung erhofft sich Heinz auch Unterstützung bei der ebenfalls von Hessen beantragten Einführung der elektronischen Fußfessel nach spanischem Vorbild. Es bietet potentiellen Opfern die Möglichkeit, sich mit einem eigenen Gerät warnen zu lassen, wenn der Gewalttäter sich nähert.
Das Modell mit der sogenannten Zwei-Komponenten-Technik könne Leben retten, so Heinz. In Spanien seien Femizide seit seiner Einführung um ein Viertel zurückgegangen. Und keine Frau, die sich an dem Modell beteiligt habe, sei noch Opfer eines Tötungsdelikts geworden.
Auch diese hessische Initiative bekomme über Parteigrenzen hinweg Zuspruch, so der Justizminister. Nötig sei eine rasche Änderung im Gewaltschutzgesetz. "Abwarten kostet Menschenleben, so einfach ist das", sagte Heinz. Bis der Bundesgesetzgeber handele, werde in Hessen getan, was möglich sei.
Gerade schaffe man die spanische Zwei-Komponenten-Technik an, um sie in Hessen in den jetzt schon rechtlich möglichen Fällen einzusetzen. Wenn das Gewaltschutzgesetz im Bund endlich geändert sei, könne man die Anwendung in der Praxis deutlich ausweiten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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