Wiebadener Stadtentwicklung: Für die Umgestaltung der Schwalbacher Straße will Wiesbaden den Ausbau des Fernwärmenetzes nutzen.

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Für den einen ist sie Ausdruck einer autogerechten Stadt, für den anderen das Menetekel einer fehlgeleiteten Stadtentwicklung: Die sechs- bis achtspurige Schwalbacher Straße trennt das dicht bevölkerte Westend von der Wiesbadener Innenstadt. An der ungewöhnlich breiten Straße scheiden sich regelmäßig die Geister. In der Stadtpolitik überwiegt allerdings die Überzeugung, dass es an der Zeit ist, die Trennungswirkung dieses Asphaltbandes zu brechen und die "Stadtautobahn" in einen Boulevard mit hoher Lebensqualität umzugestalten.

Das ist eine städtebauliche Herausforderung, weil die Straße eine bedeutende Funktion im Verkehrsnetz der Stadt übernimmt und sie den über die Platter Straße aus dem Taunus anrollenden Verkehr aufnimmt und innerstädtisch verteilt. Zudem erschließt sie mehrere Parkhäuser mit mehr als 2500 Stellplätzen. Fast 40.000 Fahrzeuge werden auf der Schwalbacher Straße an Werktagen gezählt, was einer enormen Verkehrsbelastung gleichkommt.

Die Umgestaltung der Straße und die Ausstattung mit mehr und besseren Radwegen, mit Busspuren, breiteren Bürgersteigen und einem zusätzlichen Fußgängerüberweg in Höhe der Mauritiusstraße, gilt als dringlich. Das geht allerdings nicht ohne eine Verringerung der Fahrspuren für den Autoverkehr, weshalb die Art der Umgestaltung auch einige Kritik auf sich zieht.

Geld sparen durch koordinierten Aus- und Umbau

Seit 2020 haben die städtischen Gremien dazu schon verschiedene Beschlüsse gefasst, ohne dass sich Entscheidendes geändert hat. Doch mit der Wärmewende und dem forcierten Ausbau der Fernwärme in der Innenstadt rückt das Projekt in vermeintlich greifbare Nähe: Der Ausbau der Fernwärmeversorgung "bietet die einmalige Chance, den Straßenquerschnitt umzugestalten und entsprechende Synergien zu nutzen", heißt es in der Vorlage der Verwaltung. Bis Ende 2026 will Eswe Versorgung in der Schwalbacher Straße neue Fernwärmeleitungen verlegen – und daher drängt für begleitende Bauprojekte die Zeit. Ein koordinierter Aus- und Umbau könnte viel Geld sparen. Denn sollte Eswe Versorgung neue Leitungen verlegen und danach den alten Zustand der Straße wiederherstellen, würde eine Neugestaltung im Sinne einer attraktiveren Innenstadt schon aus Kostengründen in weite Ferne rücken. Das will die Stadt tunlichst vermeiden und stattdessen Synergien heben.

Der Aufwand ist dennoch hoch, weil sich das Tiefbauamt, das Stadtplanungsamt und das Grünflächenamt eng abstimmen müssen. Weil es dafür an Personal fehlt, soll spätestens zum Jahresbeginn 2026 eine Stelle für die Bauleitung im Tiefbauamt besetzt werden.

Für die Umgestaltung zu einem Boulevard mit breiten Gehwegen und schattenspendendem Bäumen gibt es schon Visualisierungen, die Sitzbänke, Restaurantterrassen, Abstellplätze für Fahrräder und E-Scooter sowie Spielmöglichkeiten für Kinder zeigen. Das allerdings unter Vorbehalt, denn die genaue Flächenaufteilung und Flächengestaltung soll im fortlaufenden Planungsprozess erst präzisiert und unter Einbeziehung der beiden Ortsbeiräte Westend und Mitte finalisiert werden.

Verwaltung sieht "einmalige Chance"

Die Auswirkungen auf den Verkehr werden durch die Wegnahme von Fahrspuren beträchtlich sein. Allerdings wird nach Ansicht der Verwaltung durch die Fernwärmebaustellen von Eswe Versorgung der Verkehr ohnehin stark beeinträchtigt werden. Ziel der städtischen Verkehrsplanung unter Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) ist es, vor allem den Durchgangsverkehr "von innen nach außen" zu verlagern, also möglichst auf den zweiten Ring. Zur Verkehrsentlastung der Schwalbacher Straße soll auch die digitale Verkehrssteuerung beitragen. Autofahrer mit Ziel Innenstadt sollen ins jeweils nächstgelegene Parkhaus gelotst werden.

Die Ergebnisse einer in Auftrag gegebenen Verkehrsuntersuchung werden allerdings erst für das Frühjahr 2025 erwartet. Spätestens dann dürfte auch die politische Auseinandersetzung um das Projekt noch einmal an Fahrt gewinnen. Aus Sicht der Verwaltung besteht jedenfalls die "einmalige Chance, die begonnene Stadtreparatur nach dem Abriss der Hochbrücke 2001 abzuschließen". Diese Hochbrücke war in den Siebzigerjahren errichtet worden.

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Schon damals galt die Schwalbacher Straße als Schlüsselelement für die Entwicklung angrenzender Stadtteile. Weil die Straße im Fördergebiet des Programms "Lebendige Zentren" liegt, kann Wiesbaden auf Millionenzuschüsse hoffen, wenn sie das Projekt jetzt angeht. Für das Jahr 2025 braucht das Verkehrsdezernat rund 1,5 Millionen Euro, um das Vorhaben zu finanzieren, und für das Folgejahr weitere 2,8 Millionen Euro. Zuvor muss allerdings der Haushalt beschlossen werden.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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