Wer vor der Domfassade steht, den Kopf in den Nacken legt und am linken Turm nach oben schaut, kann am Übergang vom zweiten Freigeschoss zur Turmspitze in etwa 100 Metern Höhe etliche Ausbesserungen an den Begleittürmchen, den Fialen, entdecken.
Die neuen Spitzen, leicht erkennbar am hellen Farbton des Steins, wurden von der Dombauhütte erst vor Kurzem gesetzt, im Sommer und Herbst 2024. Beteiligt war auch der jüngste Steinmetzgeselle am Dom, Ludger Weichhaus. Diese Fialen, sagt der 23-Jährige, prägen die Turmsilhouette und damit das Bild vom Dom.
Eine der Spitzen war schon vor vielen Jahrzehnten heruntergefallen, zwei weitere waren so stark beschädigt, dass sie abgebaut werden mussten. "Die Reparatur der drei großen Fialen am Nordturm und dann noch weiterer kleinerer Türmchen war eine Herzensangelegenheit des Dombaumeisters", erzählt Weichhaus. An den Ersatzteilen wurde schon in den 1990er Jahren gearbeitet. Seit Jahren warteten sie darauf, an Ort und Stelle gebracht zu werden. Jetzt war es endlich so weit. "Mit den neuen Spitzen wirkt der Dom deutlich kompletter", sagt Weichhaus. Er wirkt ausgesprochen zufrieden.
Auf der Arbeit trägt Weichhaus die klassische Kluft der Steinmetze: weit geschnittene Kordhose mit verschiedenen Taschen fürs Werkzeug, Gürtel mit dem Steinmetz-Zeichen auf der Schnalle und – als Sonderanfertigung – mit der Inschrift "Dombauhütte zu Köln". Dazu eine Weste, ebenfalls aus hellbraunem Kord, mit vier doppelten Knopfreihen. "Normalerweise gehört darunter noch ein weißes Hemd, aber jetzt im Winter ist das ein bisschen frisch." Vorgeschrieben ist das Outfit nicht. "Bei uns am Dom steht es jedem frei, sich so zu kleiden, wie er möchte", sagt Weichhaus. Aber man spürt seinen Stolz auf die altehrwürdige Zunft, in deren Tradition er steht.
Fasziniert vom Dom - wie jeder echte Kölner
**[An seiner Weste hat Weichhaus auch den Sticker des "Zentral-Dombau-Vereins" (ZDV) befestigt. Als Mitglied, sagt er und lacht, "bezahle ich mir selber ein bisschen was von meinem Gehalt". Tatsächlich kommt der ZDV zu 60 Prozent für den Etat der Dombauhütte auf und damit für den Erhalt der Kathedrale. "Wir sagen hier immer: Es gibt zwei Vereine, in denen man als Kölner Mitglied sein muss. Das ist der FC und der ZDV."]**
Vor fünf Jahren hat Weichhaus seine Ausbildung in der Dombauhütte begonnen. Wie jeder echte Kölner sei er fasziniert vom Dom. "Schon als Kind wollte ich immer hoch." In der 9. Klasse erfuhr er von der Möglichkeit eines dreiwöchigen Schülerpraktikums in der Dombauhütte. "Der Ausbilder war zufrieden und hat gesagt, nach dem Abi könne ich mich gern melden." Das war’s für Weichhaus. "Ich war mir sicher: Ich will kein Stubenhocker werden und den ganzen Tag auf dem Hintern sitzen wie in der Schule. Ich will was Handwerkliches machen."
Den Nordturm nennt Weichhaus den Bauhüttenturm – in Anführungszeichen. "Hier kommt ja sonst keiner hin, auch nicht bei Führungen. Das heißt, er ist eigentlich uns Handwerkern vorbehalten. Da können wir uns austoben."
Was für Weichhaus wie für alle seine Kollegen eine Besonderheit des Dombaus ausmacht, ist die Sorgfalt, mit der hier alles gearbeitet ist – "bis ganz oben und bis ins hinterste Eck". Beim Treppensteigen hoch auf den Nordturm zeigt er auf ein kleines Gewölbe im Treppenhaus mit zierlichem Blattwerk. "Wer sieht das – außer uns?"
Manchmal kommt Ludger Weichhaus auch ganz absichtslos hier hoch auf fast 110 Meter. "Mit den Kollegen die Frühstückspause verbringen oder ganz allein dasitzen, die Sonne und den Wind spüren, für mich sein, in die Ferne schauen, vielleicht ein bisschen träumen – das ist einfach nur schön."
Informationen über den "Zentral-Dombau-Verein" und die Mitgliedschaft in der wichtigsten Organisation für die Finanzierung des Dombaus finden Sie hier: www.zdv.de © Kölner Stadt-Anzeiger
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