Für Deljin Motevassel wird es der dritte 11.11. in ihrem kleinen Kiosk an der Marzellenstraße, in Sichtweite zum Kölner Dom.
Nach den Erfahrungen der beiden vergangenen Jahre schaut sie dem Tag mit gemischten Gefühlen entgegen. "An Karneval ist das hier alles immer ein bisschen außer Kontrolle", sagt Motevassel. Vor allem, wenn größere Gruppen ihren Laden stürmten. In dem ganzen Gewimmel noch darauf zu achten, wer minderjährig ist und wem sie infolgedessen kein Bier oder keinen Schnaps verkaufen darf, das könne mitunter anstrengend werden, sagt sie.
Und dennoch führt kein Weg daran vorbei, will Motevassel keinen Ärger mit dem Ordnungsamt bekommen. Es drohen Geldbußen von 500 Euro pro Verkauf und im schlimmsten Fall die Schließung des Kiosks. Am Dienstag haben Einsatzkräfte von Ordnungsamt und Polizei Einzelhändler in der Innenstadt vorsorglich darauf hingewiesen, dass sie in den kommenden Tagen und besonders am 11.11. die Einhaltung des Jugendschutzes verstärkt kontrollieren werden. Auch Deljin Motevassel statten sie einen Besuch ab und drückten ihr einen Infozettel mit den gesetzlichen Bestimmungen in die Hand.
"Gilt das nur am 11.11.?" will ein anderer Kioskbetreiber um die Ecke mit ernster Miene von den Ermittlern wissen. Großes Gelächter im Raum. Es bleibt ein bisschen unklar, ob der Mann die Frage tatsächlich ernst meint.
In diesem Jahr haben sich Polizei und Stadt Köln zum Sessionsauftakt vor allem den Jugendschutz auf die Fahne geschrieben, er ist wesentlicher Bestandteil des gemeinsamen Einsatzkonzeptes. "Wir nehmen das Thema in den Fokus", sagt Stadtdirektorin Andrea Blome. Bilder sturzbetrunkener Jugendlicher wie in den Vorjahren soll es diesmal möglichst nicht geben – oder wenigstens: seltener. Polizei-Einsatzleiter Frank Wißbaum findet deutliche Worte: "Wir wollen weg vom Ballermann-Image hin zu einem geordneteren Karneval."
Köln: Junge Testkäufer stellen Einzelhändler auf die Probe
Weil vor allem an den Karnevalshotspots in der Stadt immer wieder Einzelhändler auffallen, die Bier und Schnaps an Minderjährige verkaufen, hat sich die Stadt diesmal etwas Besonderes einfallen lassen: Jugendliche Testkäuferinnen und -käufer sollen die Verkäufer in den nächsten Tagen und vor allem am 11.11. auf die Probe stellen. Das ist nicht nur in Köln ein Novum. "So etwas gibt es meines Wissens in keiner anderen Stadt", sagt Malik Dine von der Gewerbeabteilung des Ordnungsamtes dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Bei den Testkäufern handelt es sich um Jugendliche, die ihre Ausbildung in der Kölner Stadtverwaltung absolvieren. Sie haben sich freiwillig dafür gemeldet, und ihre Eltern seien einverstanden, berichtet Dine. Für ihn ist diese Methode "die einzig effektive", um die schwarzen Schafe unter den Einzelhändlern zu überführen.
11.11. in Köln: Minderjährige, die verbotenen Alkohol dabei haben, sollen gezielt angesprochen werden
Unauffällig begleitet werden die Azubis bei ihren Testkäufen von erwachsenen Kollegen, die bei einem späteren Bußgeldverfahren dann auch als Zeugen auftreten. Damit müssen die jungen Testkäufer nicht befürchten, dass ihre Namen in den Verfahrensakten auftauchen.
Mehr als 300 städtische Einsatzkräfte, dazu 14 Streetworker, weitere 50 pädagogische Fachkräfte sowie rund 1400 Polizistinnen und Polizisten wollen am 11.11. Minderjährige, die verbotenen Alkohol dabei haben, gezielt ansprechen und zu einer von zwei Sammelstellen begleiten. Dort würden sie mit Wasser und Snacks versorgt, berichtet Robert Voigtsberger, der Kölner Beigeordnete für Bildung, Jugend und Sport.
Damit aber gar nicht erst Missverständnisse aufkommen, präzisiert eine Stadtsprecherin: Es handele sich nicht etwa um ein kostenloses Betreuungsangebot des Jugendamtes. Vielmehr riefen die Einsatzkräfte an den Sammelstellen die Eltern an, mit dem Ziel, dass die ihre Kinder umgehend abholen.
Polizeipräsident Johannes Hermanns appelliert an Eltern
Und nicht zu vergessen: Der 11.11. sei in diesem Jahr ein normaler Montag, betont Dezernent Voigstberger. Man werde die Schulpflicht "konsequent durchsetzen". Schülerinnen und Schüler, die sich am Vormittag in der Stadt aufhalten, obwohl sie im Unterricht sitzen müssten, würden ebenfalls gezielt von Einsatzkräften angesprochen und die Schule informiert. Diese seien angewiesen worden, eine Betreuung bis mittags sicherzustellen und nicht etwa einen beweglichen Feiertag auf den 11.11. zu legen.
Polizeipräsident Johannes Hermanns appelliert an alle Eltern, auf ihre Kinder zu achten und mit ihnen über das Thema zu sprechen, damit diese am 11.11. "kein böses Erwachen auf einer Liege" erlebten. Die Stadt ruft zudem alle Einzelhändler dazu auf, auch den Verkauf von Lachgas einzustellen, um die Gesundheit der Jugendlichen nicht zu gefährden – auch wenn die Abgabe grundsätzlich legal sei.
Kioskbetreiberin Deljin Motevassel beteuert, sie schaue immer genau hin, an wen sie Bier oder harte Alkoholika verkaufe. Jedenfalls versuche sie es. Manchmal, zum Beispiel wenn in einer Gruppe Ältere dabei seien, die bezahlten, sei das aber schwierig. "Was soll man da machen?" Viele würden auch anfangen zu diskutieren. "Lassen Sie sich im Zweifel immer den Ausweis zeigen", empfiehlt ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes. "Oder rufen Sie uns oder die Polizei. Wir klären das." © Kölner Stadt-Anzeiger
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