Alle elf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben unterschrieben. Und der Inhalt ihres Schreibens an Landrat Markus Ramers (SPD) ist deutlich: "Im Sinne einer auch vom Kreis Euskirchen ausgerufenen ,solidarischen kommunalen Familie' und um der gesetzlich vorgeschriebenen Subsidiarität der Kreisumlage gerecht zu werden, fordern wir Sie auf, gemeinsam mit den Kommunen den Weg der Haushaltssicherung zu gehen, um noch erhebliche Einsparungen bei den Kreisumlagen zu erzielen." Für so etwas wurde der Begriff Brandbrief erfunden.
Der Schock saß tief, als Ramers im November mitteilte, dass die elf Kommunen insgesamt 31,3 Millionen Euro im Vergleich zu 2024 mehr zahlen müssen – und der Ärger scheint seitdem kaum abgeklungen. "Eine solch deutliche Erhöhung hat es bisher noch nicht gegeben", schreiben die Chefinnen und Chefs in den Rathäusern.
Städte und Gemeinden im Kreis Euskirchen müssen Steuern anheben
Zwar habe die mittelfristige Finanzplanung eine Erhöhung erwarten lassen, heißt es in ihrer Stellungnahme, allerdings nicht eine solch drastische Erhöhung, die eine massive Belastung für die kommunalen Haushalte darstelle und deren finanzielle Stabilität gefährde.
Die Not ist groß. Muss der Kreis den finanziell ziemlich klammen Kommunen wirklich so tief in die Tasche greifen? Klar ist aber auch: Die Kreisumlage ist kein Selbstzweck. Es geht um Geld, das die Kreisverwaltung benötigt, um Aufgaben eben für alle elf Kommunen und deren Bürger zu erfüllen, weil sie aus einer Hand effektiver zu leisten sind, als wenn jeder für sich selbst handeln würde.
Doch einige Kommunen haben angesichts des rasanten Anstiegs der Umlage bereits angekündigt, dass sie letztlich die Grundsteuern für Immobilien, was auch die Mieter trifft, und für das Gewerbe erhöhen – die einen früher, die anderen später, die einen weniger heftig, die anderen sehr heftig.
Ihren Appell für mehr Solidarität mit den Städten und Gemeinden verbinden die Bürgermeister mit eindringlichen Forderungen.
Landrat Markus Ramers bringt am Mittwoch Haushaltsentwurf ein
Genauere Planung: Die Bürgermeister rechnen in ihrem Schreiben vor: Für 2022 hatte der Kreis 56 Millionen Euro für Sach- und Dienstleistungen eingeplant – 13,5 Millionen oder 24,2 Prozent mehr als am Ende tatsächlich ausgegeben wurden. 2021 seien es 11,8 Millionen (20,5 Prozent) und 2021 knapp 9,1 (18,93 Prozent) gewesen – Geld, das die klammen Kommunen unterjährig sicher gut hätten gebrauchen können.
Ramers wollte sich am Freitag noch nicht politisch zu dem Schreiben der Bürgermeister äußern, das möchte er erst am kommenden Mittwoch bei der offiziellen Einbringung des Haushaltsentwurfs tun. Doch Kreiskämmerer Ingo Hessenius bezog aus fachlicher Sicht Stellung: Das alles sei differenziert zu betrachten. So sei ein großer Teil der genannten Ausgaben für Sach- und Dienstleistungen nicht umlagewirksam.
"Das waren zudem die Jahre von Corona und Flut", geht Hessenius auf die Beispiele der Bürgermeister ein. Vieles, das geplant war, fand dann doch nicht statt. Wenn aber beispielsweise weniger Autos angemeldet würden, spare der Kreis in der Tat bei den Sach- und Dienstleistungsausgaben, nehme aber auch weniger Gebühren ein.
Prestigeprojekt "Masterplan Radverkehr" wird hinterfragt
Förderprogramme: "Wenn man sich die finanzielle Situation der kreisangehörigen Kommunen ansieht", schreiben die Bürgermeister, "dann muss seitens des Kreises auch ein bereits gesetzter Standard überprüft werden, da er nicht mehr finanzierbar ist."
So habe der Kreistag einen Masterplan Radverkehr beschlossen: sehr wünschenswert, aber mit 130 Millionen Euro Kosten auch sehr teuer. Gerne werde dann auf die 80-prozentige Förderung hingewiesen, aber die laufenden Kosten würden nun mal nicht bezuschusst. Die trügen am Ende die Städte und Gemeinden über die Kreisumlage, heißt es aus den Rathäusern. "Diese tiefgreifende Belastung ist kritisch zu hinterfragen und zurückzuführen, wie auch die Städte und Gemeinden dies bei ihren Mobilitätskonzepten tun müssen."
"Globaler Minderaufwand": Wie bereits angedeutet, wird oft am Ende weniger ausgegeben als zuvor geplant – aus finanzieller Sicht ist das besser als umgekehrt. "Erfreulicherweise ist dies auch bei den Kreishaushalten regelmäßig der Fall", schreiben die Bürgermeister. Allerdings führe das auch zu einer höheren Kreisumlage.
Bürgermeister appellieren an die Solidarität des Kreises
Auch wenn die Kommunen von den Überschüssen in den Folgejahren profitierten, fehlten ihnen die liquiden Mittel in dem jeweiligen Haushaltsjahr. Das führe dazu, dass sie zinsträchtige Kassenkredite – vergleichbar mit dem Dispo im Privatbereich – aufnehmen müssten. Daher habe die Landesregierung es mit dem "Globalen Minderaufwand" ermöglicht, die geplanten ordentlichen Ausgaben pauschal um zwei Prozent zu kürzen.
Wohlgesonnene halten das für tolle Idee, um die Kreisumlage zu mindern und die Kommunen zu entlasten. Kritiker sehen darin eher einen Trick der Landesregierung, um sich vor der direkten Unterstützung der Städte und Gemeinden zu drücken.
Wie dem auch sei, die Bürgermeister schreiben den Kreistagsmitgliedern für die kommenden Haushaltsberatungen quasi in Großbuchstaben ins Aufgabenheft, sich damit intensiv zu beschäftigen. Dafür rechnen sie ihnen das für den Haushalt 2025 vor: Bei 529 Millionen Euro Ausgaben würde der zweiprozentige "Globale Minderaufwand" von 10,6 Millionen Euro zur spürbaren Verminderung der Kreisumlagebelastung bei den kreisangehörigen Städten und Gemeinden führen.
Sparen wie die Kommunen – das fordern Bürgermeister vom Kreistag
Die wären liquider und sparten auch noch Zinsen für Kredite, die sie erst gar nicht aufnehmen müssten. "Mit Blick auf die durchgängig defizitären Haushalte in den Städten und Gemeinden im Kreis Euskirchen fordern wir Sie dringend auf, von den Möglichkeiten des globalen Minderaufwands zugunsten Ihrer kreisangehörigen Kommunen Gebrauch zu machen", so die Bürgermeister.
Und weiter: "Es ist nicht weiter hinnehmbar, dass Sie von dem probaten Mittel des globalen Minderaufwands keinen Gebrauch machen, wenn hierdurch in den Haushalten der kommunalen Familien Millionensummen eingespart werden könnten."
Personalkosten: Von 2014 bis 2024 sei das Personal des Kreises von 619 auf 932 Stellen und somit um rund die Hälfte gestiegen, stellen die Verwaltungschefs fest. Sofern die Kosten für neue Stellen nicht vollständig von Dritten, etwa Land oder Bund, übernommen würden, fordern sie, deren generelle Notwendigkeit unter Berücksichtigung der desolaten Finanzlage der Kommunen kritisch zu betrachten.
Auch Projekte, die in Zeiten boomender Wirtschaft und sprudelnder Steuerquellen begannen, müssten angesichts der veränderten finanziellen Lage einer neuen Betrachtung unterzogen werden.
Haushaltssicherungskonzept: Wenn Kommunen in die finanzielle Schieflage geraten, müssen sie sich einem Haushaltssicherungskonzept (HSK) unterziehen. Das heißt: Sparen mit dem Ziel, zu einem festgelegten Zeitraum finanziell wieder Boden unter den Füßen zu haben.
Genau das wünschen sich die Bürgermeister auch vom Kreis: Umfassende Aufgabenkritik (was ist freiwillig und was nicht), vollständige und konkrete Konsolidierungsmaßnahmen und die Erreichung eines Haushaltsausgleichs im gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum – und ohne drastische Erhöhung der Kreisumlagen. © Kölner Stadt-Anzeiger
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