Wer samstags in Euskirchen einkaufen geht, ist ihnen mit größter Wahrscheinlichkeit schon mal begegnet.
Denn die "Omas gegen Rechts" bauen regelmäßig ihren Infostand in der Innenstadt auf – mal auf dem Klosterplatz, mal auf dem Platz vor Galeria Kaufhof. Dort verteilen sie Faltblätter und sprechen gern mit Passantinnen und Passanten über ihr Anliegen. Kurz vor zwölf nehmen sie ihre Schilder und stellen sich in einer Reihe auf. "Es ist kurz vor zwölf", kann man dann lesen. Und: "AfD-Verbot jetzt."
Annette Weiser und Angelika Steinschulte sind zwei der engagierten Frauen, die notfalls auch mit kalten Füßen für die Demokratie einstehen. Die zwar keine Diskussion scheuen, aber auch wissen, dass sie nicht jede oder jeden mit Argumenten überzeugen können, seien sie auch noch so gut. Auch der Euskirchener AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen schaue immer mal vorbei und suche das Gespräch.
"Omas gegen Rechts" müssen keine Enkelkinder haben
Die Resonanz am Infostand sei ein bisschen wetterabhängig, erzählt Annette Weiser. Wenn es kalt, nass oder stürmisch sei, hasteten die Menschen vorbei. An den besseren Tagen blieben einige stehen, guckten, fragten, nähmen den "Demokratieflyer" mit. Den beziehen die Euskirchener "Omas gegen Rechts" wie weiteres Informationsmaterial von bundesweit agierenden Verein.
Aktiv geworden sind die energischen Großmütter – die übrigens keine Enkelkinder haben müssen – in der Corona-Zeit. Da stand ein Trüppchen jeden Montagabend auf dem Alten Markt, um mit einer Mahnwache Haltung zu zeigen gegen die Montagsspaziergänge der Querdenker und Corona-Leugner.
Jede Woche werden neue Gruppen gegründet
Weiser war damals noch nicht dabei. Für sie war die große Demonstration ausschlaggebend, bei der im Januar 2023 auch in Euskirchen mehr als 2000 Menschen ein Zeichen für die Demokratie gesetzt haben. Damals hatte das Onlinemagazin Correctiv über ein Treffen Rechtsextremer berichtet, auf dem Strategien zur "Remigration" entwickelt worden seien.
Mittlerweile hat das Wort, das damals den Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte, Eingang in den Sprachgebrauch von AfD-Politikern gefunden. Gleichzeitig hat aber auch die Bewegung "Omas gegen Rechts" Fahrt aufgenommen, drei neue Gruppen würden wöchentlich gegründet, berichtet Angelika Steinschulte. Auch in Bad Münstereifel, Rheinbach, Brühl und Hürth gebe es jetzt welche.
In Euskirchen seien es etwa zehn Aktive, die in wechselnder Besetzung am Infostand ständen, dazu komme ein größerer Kreis an Unterstützerinnen. Und Unterstützern, denn auch Opas sind willkommen. Für sie gibt es mittlerweile auch eigene Anstecker: "Opas gegen Rechts". Die Gruppe habe eine große Bandbreite, auch was das Alter und die Motivation angehe. Denn, so Steinschulte: "Demokratie hängt von jedem ab."
Man müsse sie stärken und schützen, bekräftigt Annette Weiser. Das Grundgesetz sei zwar ein Geschenk für Deutschland, aber: "Für das Grundgesetz muss man arbeiten wie für eine gute Beziehung." 2020 hat der Zentralrat der Juden in Deutschland den "Omas gegen Rechts" der Paul-Spiegel-Preis verliehen, im vergangenen Jahr erhielten sie den Aachener Friedenspreis.
"Wir bekommen viel Applaus, ich warte darauf, dass wir auch viel Unterstützung bekommen", sagt Angelika Steinschulte. Die können sie gerade jetzt gut brauchen. Denn am Samstag, 8. Februar, findet ein bundesweiter Aktionstag statt, an dem sich auch die Euskirchener "Omas gegen Rechts" beteiligen. Es soll beispielsweise ein Spiel geben, bei dem man – ähnlich dem Entenangeln auf der Kirmes – Worte wie Solidarität oder Menschenrechte angelt.
Beim Marsch durch die Stadt, der um 12.30 Uhr vor Galeria Kaufhof startet, werden Papierherzen verteilt, getreu dem Motto "Herz statt Hetze". Eine Trommelgruppe wird dabei sein, die Teilnehmerinnen werden das Lied "Omas leisten Widerstand" anstimmen. Angelika Steinschulte und Annette Weiser versprechen: "Die Omas werden laut." omasgegenrechtseuskirchen@web.de
Die Idee kommt aus Österreich
Am 27. Januar 2018 haben sich die "Omas gegen Rechts" als zivilgesellschaftliche, parteiunabhängige Initiative gegründet. Vorbild waren die österreichischen "Omas gegen Rechts". Gut ein Jahr später entstand der gleichnamige Verein. Die örtlichen Organisationen bleiben aber wie die Euskirchener "Omas gegen Rechts" lose Gruppen ohne Vereinsstruktur. Mittlerweile habe die bundesweite Facebook-Gruppe der "Omas gegen Rechts" mehr als 4500 Mitglieder, heißt es auf der Homepage des Vereins. Die Gesamtzahl wird dort auf mehr als 30.000 geschätzt.
Die "Omas gegen Rechts" stehen nach eigener Aussage für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für die Vielfalt der Kulturen, für Toleranz und respektvolles Miteinander und einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Umwelt. Sie widersetzen sich rechtspopulistischen und rechtsextremen Strömungen, der Ausgrenzung von Menschen mit Migrationshintergrund, Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Verschwörungstheorien, Stigmatisierung, Hass, Hetze und Gewalt und Anti-Feminismus. © Kölner Stadt-Anzeiger
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