Die Schaufenster der Metzgerei Müller in Wiehl sind tapeziert mit Urkunden und Auszeichnungen: Gold für den besten Schinkenspeck, die beste Blutwurst, die beste Honigleberwurst, den besten Wacholderschinken. Doch hier werden keine Pfefferbeißer mehr über die Theke gereicht, einsam hält draußen ein abgeschmückter Weihnachtsbaum die Stellung.

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Metzgerei Müller schließt Wiehler Filiale, bleibt aber in Bielstein

Seit Ende Oktober ist die Filiale am Weiherplatz geschlossen. "Da war bei den Kundinnen und Kunden schon eine Menge Wehmut zu spüren, als sie davon erfuhren", berichtet Bernie Müller.

Sie und ihr Mann Herbert haben beschlossen, sich auf das Hauptgeschäft in Bielstein zu konzentrieren. Hier gibt es jetzt Fleisch und Wurst von Montag bis Freitag von 7 bis 18.30 Uhr und samstags bis Mittag. Täglich wird ein Mittagstisch angeboten, das Catering wird ausgebaut.

In Engelskirchen wird aus der Metzgerei Kleinjung ein Cateringbetrieb

Der Entschluss, am Weiherplatz aufzugeben, ist den Müllers nicht leicht gefallen. "Wir haben die Entscheidung lange vor uns hergeschoben, haben versucht, an einigen Nachmittagen das Geschäft in Bielstein, an anderen die Filiale in Wiehl zu öffnen. Aber da wusste nachher keiner mehr Bescheid und die Kunden waren zur falschen Zeit am falschen Ort", erklärt Bernie Müller.

Am Zuspruch der Kundschaft hat es jedenfalls nicht gemangelt. "Der Grund ist einzig und allein der Fachkräftemangel", sagt Müller. Zwei Mitarbeitende seien im Rentenalter, ein weiterer langzeitkrank, "und die vorhandenen Kräfte, darunter auch welche, die wir selbst ausgebildet haben, wollen wir nicht verschleißen. Da muss auch mal Urlaub möglich sein."

Längst setzen sie auf Quereinsteiger und Wiedereinsteigerinnen nach der Erziehungspause, auch mit flexiblen Arbeitszeiten. "Wir sind froh über jede Arbeitsstunde." Auch anderswo in Oberberg verschwinden traditionsreiche Metzgereien.

In Ründeroth hat die Metzgerei Claudius zum Jahresende komplett zugemacht. In Engelskirchen-Wallefeld wird Holger Kleinjung der nächste sein. "Fachkräftemangel ist für mich das Unwort des Jahres", sagt Kleinjung.

Arbeitstage mit mehr als zwölf Stunden

Auch für den vielfach ausgezeichneten Metzger, der den Familienbetrieb in vierter Generation führt, ist dies der Grund, zum 30. April den Verkauf von Fleisch und Wurst einzustellen. Vier Jahre vor dem 100-jährigen Jubiläum. "Ich habe alles versucht, in allen Portalen und auf Ausbildungsmessen. Auch einen Nachfolger zu finden ist praktisch unmöglich", berichtet der 59-Jährige.

Er lobt seine Mitarbeitenden, die den Betrieb in den vergangenen Jahren gestemmt haben. "Doch wenn bei der dünnen Personaldecke mal einer krank wird, ist Feierabend." Noch sei er gesund, das wolle er auch bleiben und nicht länger als zwölf Stunden jeden Tag im Geschäft stehen.

Mehr Kunden und vegetarische Angebote

Daher werde er sich in Zukunft zusammen mit seiner Frau aufs Catering konzentrieren, kündigt Kleinjung an. "Das lässt sich besser steuern." Nein, an mangelnder Kundschaft liege es auf gar keinen Fall, versichern Kleinjung wie Müller. "Vor 20 Jahren", sagt Bernie Müller, "hatten wir befürchtet, die Kundschaft würde allmählich aussterben. Das Gegenteil ist der Fall!

Die Leute nehmen weite Wege auf sich, einer kommt sogar jede Woche aus Porz." Müller weiß: "Die Kunden, auch die jungen, legen großen Wert auf Regionalität." Qualität liegt im Trend: Holger Kleinjung setzt auf Bergisch pur, er schlachtet selbst und ist stolz auf seine Spezialitäten.

"Für mich ist es der schönste Beruf der Welt, ich würde es jederzeit wieder machen", versichert er . "Wer bereit ist zu arbeiten, hat ein gutes Leben, und für den hat das Handwerk wirklich goldenen Boden", sagt er und bedauert, dass seine beiden Töchter andere berufliche Pläne haben. "Wollte eine von ihnen den Betrieb übernehmen, würde ich mich zerreißen und noch bis 80 arbeiten."

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Nachfolge in vielen Betrieben ein Problem

Bernie Müller ist 61 Jahre alt, ihr Mann Herbert 66, die Nachfolge sei noch offen, sagt sie. An den Ruhestand mag sie allerdings noch nicht denken. "Es macht im Moment sehr viel Spaß, das Geschäft in Bielstein entwickelt sich gut, wir sind mit Leib und Seele bei der Sache."  © Kölner Stadt-Anzeiger

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