Erst knapp vier Wochen hatte sich ein junger Asylbewerber aus Algerien in Deutschland aufgehalten, als er mehrere Straftaten beging, die ihn jetzt ins Gefängnis bringen können.
Eine Jugendschutzkammer des Bonner Landgerichts hat den 22-Jährigen unter anderem wegen schweren räuberischen Diebstahls an zwei Kindern zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt.
Der Sohn eines Fischers war 2023 mit einem Schiff nach Spanien gekommen, von dort über den Landweg nach Frankreich und dann mit dem Zug am 12. September 2024 in die Bundesrepublik gelangt. Bei der Grenzkontrolle erzählte er laut Gericht, er sei nicht aus politischen Gründen eingereist, sondern weil er hier Arbeit finden wolle. Zwei Wochen später fiel er das erste Mal polizeilich auf, als er in einer Kölner Unterkunft eine Schlägerei anzettelte und deswegen nach Schleiden verlegt wurde.
Ein Zeuge griff ein, als der junge Mann von Weilerswist nach Euskirchen fuhr
Am 9. Oktober vergangenen Jahres, dem Tattag, saß er gegen 16.20 Uhr in der Regionalbahn von Weilerswist nach Euskirchen in einer Viererbank, neben ihm ein zehnjähriger Junge, der auf einem Billighandy (Wert: 80 Euro) Musik hörte. Der Algerier nahm es ihm weg. Als ein Zeuge ihn aufforderte, dem Kind das Gerät zurückzugeben, trat der Dieb nach ihm. Diesen Moment nutzte der Junge, um mit seinem Eigentum das Weite zu suchen. Der Täter verschwand auf der Zugtoilette, bevor er im Bahnhof Großbüllesheim aus der Bahn sprang.
Dort hielt sich gerade eine 14-Jährige auf, die ein Smartphone im Wert von 800 Euro in der Hand hielt. Der Angeklagte, so die Ermittlungen der Kammer, ging zu ihr, um das Handy zu rauben, riss ihr so heftig an den blonden Haaren, dass sie ein ganzes Büschel verlor. Das Mädchen stürzte durch den Angriff zu Boden und verletzte sich dabei an der Hüfte. Er nahm das Handy und floh, verfolgt von zwei Zeugen, einer davon der Mann, der dem Zehnjährigen im Zugabteil geholfen hatte.
Während sie dem Dieb nachjagten, riefen sie die Polizei, die um 16.29 Uhr die Meldung entgegennahm. Der Angeklagte sprang auf der Flucht ins Gleisbett, klaubte Schottersteine zusammen und schleuderte drei bis vier in Richtung der Verfolger, verfehlte sie jedoch. Als sie ihn schließlich in die Enge getrieben hatten, hob er die Hände, als ob er sich ergeben wolle, und reichte dem Mädchen das Smartphone zurück. Die 14-Jährige fotografierte ihn sofort, daraufhin flüchtete er erneut, wieder verfolgt von den beiden Zeugen, die er erneut mit Steinen bewarf.
"Es war reiner Zufall, dass niemand getroffen wurde", sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Schmitz-Justen. Inzwischen waren zwei Polizeibeamte am Tatort eingetroffen, einer mit Diensthund. Es gelang ihnen, den Mann zu fesseln, dabei wehrte er sich heftig mit Kopfstößen und Fußtritten, bespuckte und beleidigte sie. Auch im Streifenwagen auf dem Weg zur Wache randalierte er.
Das Gericht bewertete die Tat im Zug als Diebstahl, die Attacke auf dem Bahnsteig als schweren räuberischen Diebstahl, für den das Gesetz eine Mindeststrafe von fünf Jahren vorsieht, falls kein minderschwerer Fall vorliegt. Das verneinten die Richter. Für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte erhielt der 22-Jährige vier Monate, so dass sich eine Gesamtstrafe von fünf Jahren und vier Monaten Haft ergab. Er war in Handschellen von fünf Justizwachtmeistern in den Saal geführt worden; die Fesseln wurden ihm nicht abgenommen. Grund für die Sicherheitsvorkehrungen: Er hatte am Vortag in der JVA Siegburg eine Küche zerlegt.
Schmitz-Justen sagte am Ende der Urteilsbegründung: "Sie sind einer von denen, die man so schnell wie möglich ins Flugzeug setzen sollte." Er bezog sich dabei auf Nebenklagevertreterin Harriet Krüger, die in ihrem Plädoyer die Ausweisung des Algeriers gefordert hatte. Das dürfte aber zunächst daran scheitern, dass er keine gültigen Papiere besitzt, weil er sie vernichtet hat. Kurz vor Sitzungsschluss beauftragte der Angeklagte seinen Verteidiger Albert Stumm, in Revision zu gehen. Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig. © Kölner Stadt-Anzeiger
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