Muhammet Bulat hat eine Angst, die für Selbstständige das Aus bedeuten könnte. Der 30-Jährige wird nervös, wenn er vor Menschen sprechen muss.

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Dann schwitzt er nicht nur ein bisschen oder zittert leicht, nein, seine Sprechangst ist so schlimm, dass er verschreibungspflichtige Tabletten nimmt, wenn ein wichtiger Auftritt ansteht. So wie im Februar. Da war der junge Kölner im Fernsehen in der Gründersendung "Die Höhle der Löwen" zu Gast – und wollte Investoren für sein Start-up "Bulgurcups" gewinnen. Am Montagabend wurde die Sendung ausgestrahlt.

Bulat hatte schon 20.000 Euro ausgegeben – ohne Erfolg

Es war der Moment, in dem sich Bulat nicht nur seiner größten Angst stellen musste – bis dato hatte er Pitchpräsentationen vermieden oder Freunde vorgeschickt –, sondern die Investoren sollten auch über seine Zukunft entscheiden. Rund 20.000 Euro hatte der Kölner bis dato schon verbrannt, mühsam zusammengeklaubt von Familie, Freunden und aus Nebenjobs. Er hatte eine Produktionshalle in Frechen gemietet, Maschinen aus China bestellt und einen Businessplan aufgestellt.

Doch mit Corona kam fast das Ende. "Ich hatte mein Geld ausgegeben, doch die Maschinen steckten irgendwo im Seecontainer", sagt Bulat. "Ich hatte kein Produkt, Messen und Gründer-Pitches durften nicht stattfinden." Die Coronahilfen brachten ihn über die Zeit, aber er musste dringend Geld verdienen, denn allein die Miete der Produktionshalle kostete laut Bulat 1200 Euro pro Monat.

Energiekrise zog ihm erneut den Stecker

Sobald die Maschinen ankamen, legte der Kölner los. Er nahm Bulgur, ein Getreideprodukt, das aus Weizenkörnern besteht und etwa in der Türkei sehr beliebt ist, und formte es zu tiefgekühlten Bällchen. Bei einem Gründerwettbewerb gewann er eine Listung bei Globus. Und dann kamen Ukrainekrieg und Energiekrise – die Menschen kauften aufgrund hoher Stromkosten weniger Tiefkühlprodukte. Und Bulats Bulgurbällchen hatten noch einen weiteren Nachteil: Sie mussten frittiert werden, doch Öl war Mangelware. "Als Globus anrief und mir sagte, dass sie mein Produkt leider aus dem Sortiment nehmen müssen, ist meine Welt zusammengebrochen", sagt der Gründer.

Bulat ist in Köln-Porz geboren und aufgewachsen, seine Eltern stammen aus der Türkei. Schon als Kind fiel auf: Mit dem jungen Muhammet stimmte etwas nicht, er konnte sich nicht konzentrieren, vergaß immer wieder seine Hausaufgaben. Die Diagnose ADHS war schnell gestellt, doch auch als Erwachsener fing Bulat viel an – und brach immer wieder ab. Die Absage von Globus war also nicht nur ein geschäftlicher Tiefschlag, sondern auch ein persönlicher.

Er wagte noch einen letzten Versuch und präsentierte sich und seinen Bulgur auf einem Handelsforum. Diesmal allerdings keine Tiefkühlbällchen, sondern Instant-Becher, die man mit Wasser aufgießt, kurz quellen lässt und eine fertige Mahlzeit hat. Das Interesse am Produkt war groß: Es folgten eine Einladung auf die Kölner Leitmesse Anuga und schließlich der Auftritt in der "Höhle der Löwen".

"Seit zehn Jahren schaue ich mir die Sendung an. Ich erkannte bei den Gründern viele meiner Eigenschaften wieder", sagt Bulat. "Da habe ich mir gesagt: Muhammet, das machst du. Du schaffst das."

Zwei Löwen ziehen zurück

Als Bulat schließlich vor den Investoren stand, die Fernsehkameras auf ihn gerichtet waren und sein Favorit – Handelsprofi Ralf Dümmel – einfach den Raum verließ, stiegen ihm die Tränen in die Augen. Zwei weitere Juroren machten erst ein Angebot, zogen es dann aber zurück. "Ich war kurz vorm Zusammenbruch", sagt Bulat. Dann kam Investor Dümmel auf ihn zu, nahm ihn in den Arm und bot ihm einen Deal an. "Ich wusste gar nicht, was er mir angeboten hat, ich habe einfach ja gesagt."

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Am Ende standen 25 Prozent der Unternehmensanteile für 80.000 Euro zu Buche. Im April haben sich Dümmel und Bulat erstmals getroffen und einen Plan ausgearbeitet. Die Produktion in Frechen hat der Kölner inzwischen an ein anderes Start-up verkauft - für die Pläne, die er und sein Löwe geschmiedet haben, war die Halle schlicht zu klein. Muhammet Bulats Geschichte geht also weiter.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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