Beim Autofahren kann die genaue Einschätzung der Bremskraft Schaden abwenden. Im neuen Stück des A.Tonal.Theaters, "Brems:::Kraft" werden die physikalischen und physiologischen Phänomene hingegen auf zwischenmenschliche, emotionale und gesellschaftliche Prozesse heruntergebrochen.
Dafür hat Regisseur Jörg Fürst im Saal der Alten Feuerwache seinen bewährten Ensemblemix, aus Bürgern unterschiedlichsten Alters, professionellen Performern und Musikern (Max Wehner an der Posaune und Peter Eishold am Schlagzeug) zusammengestellt. Insgesamt 13 Personen, alle in Weiß, mit Reifenspuren auf der Kleidung tummeln sich auf der Bühne. Gemeinsam gilt es, im therapeutisch anmutenden Spiel zu ergründen, was den Einzelnen ausbremst und wie es gelingen kann, solche Bremsklötze aus dem Weg zu räumen.
Auch der zaudernde Dänenprinz Hamlet findet Einzug in das Stück
Wie schon bei "Subcutis", dem ersten Stück der auf mehrere Jahre angelegten Projektreihe, schöpft der Abend seine Kraft aus der dualen Dynamik aus autobiografischen Geschichten und dem kollektiven Zusammenspiel der Gruppe. Leuchtende Schemel, zu einer pyramidenförmigen Wand aufgebaut, sind die ebenso originellen wie variablen Bühnenelemente. Mal dienen sie in der Gänze als Projektionsfläche für meditative Videoprojektionen (Video: Susann Martin), mal kommen sie, einzeln auf der Bühne verteilt, wie Leitleuchten oder rote Warnsignale daher.
Ambivalent wie die Bühnenelemente erweisen sich auch die ganz persönlichen Geschichten, die von Teilen des Ensembles vorgetragen werden. Da wird die Sehnsucht nach Entschleunigung im Alltag geäußert. Einfach mal auf die Bremse treten, bevor man aus der Kurve getragen wird. Eine andere Geschichte erzählt hingegen davon, dass der eigene, viel zu hoch geschraubte Anspruch dazu führt, dass man letztendlich gar nicht tätig wird. Auch eine berühmte Figur aus dem Theater, der zaudernde Dänenprinz Hamlet, findet Einzug in das Stück.
Die Geschichte des aus Syrien stammenden Schauspielers Mohammad Saado Kharouf ist die eindringlichste Schilderung des Abends. Als 16-Jähriger im Bürgerkriegsgebiet in Damaskus, ging es für ihn an einem Militärkontrollpunkt wortwörtlich um "Sein oder Nichtsein". Regisseur Jörg Fürst sorgt im Laufe der Performance für ständige Positions- und Perspektivwechsel. Die von der Livemusik getragenen Chorgesänge und das elegant choreografierte Spiel der Performer lassen keine Langeweile aufkommen und verschmelzen die einzelnen Redebeiträge zu einem kraftvollen Ganzen.
Nächste Termine: 1. – 3. Februar, 20 Uhr, 4. Februar, 18 Uhr, Alte Feuerwache © Kölner Stadt-Anzeiger
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