Steht Ende Oktober tatsächlich der letzte Akt in einem seit rund 15 Jahren laufenden Planungsprozess an?

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Es wäre wohl allen Beteiligten zu wünschen, allen voran Hubert Verbeek, der in der Urft in Gemünd ein Wasserkraftwerk errichten will. Elf von zwölf Streitpunkten mit dem Kreis Euskirchen als Genehmigungsbehörde konnten zwischenzeitlich ausgeräumt werden. Über den letzten Punkt wird nun das Verwaltungsgericht Aachen am 30. Oktober entscheiden.

Bei einer Mountainbike-Tour durch die Eifel war Verbeek, der bereits ein Kraftwerk an der unteren Rur betreibt, der Standort an der Urft in Gemünd seinerzeit aufgefallen. 2009 begann der Elektro-Ingenieur mit den Planungen, parallel erwarb er die Wehranlage und die für die Anlage notwendigen Flächen. Zweimal wurde das Vorhaben im Schleidener Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt.

Kreis Euskirchen erteilt die Genehmigung – mit zwölf Auflagen

Gut zehn Jahre später hatte Verbeek endlich alle Genehmigungen zusammen. 2021 sollten eine Detailplanung für das seinerzeit auf rund 600.000 Euro bezifferte Projekt erstellt und die Aufträge vergeben werden. Ein Jahr später sollte mit dem Bau des Wasserkraftwerks, das jährlich etwa 450.000 Kilowattstunden erzeugen und damit rund 150 Vier-Personen-Haushalte mit Strom versorgen kann, begonnen werden. Zusätzlich könne die Anlage den Wasserstand der Urft bei Hochwasser senken.

Aber es kam anders: Zwar erteilte der Kreis "in dem Verfahren zur Wasserkraftanlage ,Schoellerwehr' in Gemünd" Ende Juli 2020 eine wasserrechtliche Bewilligung für die Entnahme von Wasser aus der Urft zum Antrieb einer Wasserkraftanlage zur Stromerzeugung. Allerdings gab es nach Angaben des Investors zwölf Auflagen.

Gegen den Bescheid hatten nach Auskunft von Sven Gnädig von der Pressestelle des Kreises sowohl der Landesfischereiverband Westfalen Lippe als auch Verbeek geklagt, der mit mehreren Nebenbestimmungen der Bewilligung nicht einverstanden war. Wie der Kreis Euskirchen auf Anfrage weiter mitteilt, wurde die Klage des Fischereiverbands nach einer ersten mündlichen Verhandlung im Mai 2022 vom Verwaltungsgericht Aachen abgewiesen.

Wegen der Äschenlarve: Anlage soll zwei Monate abgeschaltet werden

Aufgrund der Klage von Verbeek sei die Bewilligung im Nachgang abgeändert und so einige klagegegenständliche Aspekte ausgeräumt worden, schreibt Gnädig. In einem Punkt habe der Investor die Klage aber aufrechterhalten. Zu dem Thema seien nach der mündlichen Verhandlung durch das Gericht weitere fachtechnische Stellungnahmen angefordert worden. Die nächste mündliche Verhandlung sei nun für den 30. Oktober angesetzt.

"Jetzt geht es noch um die Äschenlarve. Um die zu schützen, soll das Kraftwerk im ausgehenden Frühjahr jedes Jahr für zwei Monate abgeschaltet werden", berichtet der Investor. Er kenne keine andere Anlage, der man so eine Auflage gemacht habe. Deshalb sei er auch optimistisch, dass das Gericht in seinem Sinne entscheiden werde.

Endlose Verfahren, die viel Zeit und Geld kosten

"Wer in Deutschland ein Projekt realisieren will, muss nicht nur endlose Genehmigungsverfahren durchlaufen, sondern hinterher auch noch viel Geld für Klagen und Gutachter ausgeben", sieht der Investor Fehler im System. Das mache solche Verfahren teuer und ziehe sie immer weiter in die Länge. Er wolle ja schließlich nicht ständig prozessieren, sondern sauberen Strom erzeugen.

Verbeek kritisiert auch Unterschiede in den Genehmigungsverfahren: "Wenn man sich bei der Planung von Windkraftanlagen an die Vorgaben hält, hat man Anspruch auf eine Genehmigung. Im Wasserrecht gab es dagegen das sogenannte pflichtgemäße Ermessen." Erst im vergangenen Jahr sei eine neue Regelung verabschiedet worden, nach der eine Genehmigung im absoluten Regelfall erteilt werden und eine Ablehnung ausführlich begründet werden müsse.

Genaue Kosten für Anlage in Gemünd müssen noch ermittelt werden

Sollte Ende Oktober ein Schlussstrich unter das Verfahren gezogen werden und Verbeek mit dem Projekt beginnen können, müsste zuerst eine Ausführungsplanung erstellt werden. Danach müssten die Ausschreibungen vorbereitet werden. Erst dann wird sich zeigen, was die Anlage genau kosten wird. "Die 600.000 Euro dürften angesichts der gestiegenen Baukosten nicht mehr reichen. Mein Wunsch ist, dass wir im nächsten Jahr mit dem Bau beginnen können", so der Investor.

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Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings befürwortet das Projekt: "Wir haben uns von Anfang an für die Anlage ausgesprochen." Es gebe nicht viele Standorte im Stadtgebiet, an denen ein solches Kraftwerk sinnvoll sei. Zu der langen Verfahrensdauer meinte Pfennings: "In einigen Bereichen sind wir überreguliert." Da müsse man froh sein, dass es Menschen gebe, die sich trotzdem nicht entmutigen ließen.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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