Die rund 700 Schülerinnen und Schüler sowie junge Erwachsenen applaudierten, als Caro Bollig aus Erftstadt ihnen am Dienstag (17.
Dezember) im Medio in Bergheim ihre jüngste Tochter Catrin vorstellte. Ihr sei es sehr wichtig, dass die jungen Leute sehen, dass es Catrin gibt und sie ihnen keine "wilde Geschichte" erzählt habe.
Caro Bollig war an diesem Vormittag die letzte von vier Rednern, die im Rahmen des Projekts "Crash Kurs NRW" vor die jungen Leute trat. Offen sprach die Mutter von zwei Töchtern über den Unfall ihrer Ältesten und über die Folgen, die bis heute das Familienleben prägen.
Angehörige wie Caro Bollig berichten ihre ganz persönliche Geschichte
"‚Crash Kurs NRW‘ trifft mitten ins Herz", warnte Polizeihauptkommissarin Nadine Krick. Im Crash Kurs sprechen Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr darüber, was sie erleben, wenn sie an eine Unfallstelle kommen, an der ein sehr schwerer Unfall passiert ist. Etwa, weil junge Fahrer die Folgen von Alkohol, Drogen und erhöhter Geschwindigkeit im Straßenverkehr einfach falsch eingeschätzt haben.
Notfallseelsorger schildern ihre Erfahrungen, wenn sie oft zusammen mit der Polizei die traurige Nachricht an die Familie übermitteln müssen. Und Angehörige wie Caro Bollig berichten ihre ganz persönliche Geschichte – vom Unfall und der Zeit danach. Crash Kurs ist das Verkehrsunfall-Präventionsprogramm der Polizei in NRW. Ausrichter ist die jeweilige Polizei vor Ort.
Zusammen mit Nadine Krick und dem Team des Kommissariats Verkehrsunfallprävention und Opferschutz des Rhein-Erft-Kreises hatte Polizeihauptkommissar Hans-Dieter Ehlert die Veranstaltung vorbereitet. Gäste waren neben Caro Bollig und ihre jüngeren Tochter Catrin der Polizeioberkommissar Jan Schröder, Rettungsassistent Markus Wolf und Notfallseelsorger Gregor Hergarten. Gekommen waren Gesamtschüler aus Elsdorf und Bergheim, Azubis von RWE und Schüler des Berufskollegs Kerpen-Horrem.
Und sie alle waren betroffen, als Caro Bollig von dem schweren Unfall und dem langen Bangen um das Leben ihrer Tochter berichtete. Damals war Catrin 16 Jahre alt. Ihre ältere Schwester (18) hatte gerade den Führerschein gemacht. Wahrscheinlich war sie an diesem Abend zu schnell gefahren. Möglicherweise hat sie dann auch noch kurz auf ihr Handy geguckt, als ein Tier über die Fahrbahn lief. Beim Versuch, dem Tier auszuweichen, geriet ihr Wagen außer Kontrolle und krachte schließlich so heftig gegen einen Baum, dass dabei der Motorblock aus dem Fahrzeug gerissen wurde.
Schwer verletzt wurde auch ihre ältere Tochter. Die seelischen Verletzungen seien jedoch noch viel schlimmer – bis heute sei sie in psychologischer Behandlung. Catrin hingegen erlitt ein Schädelhirntrauma. Zwölfmal musste sie am Kopf operiert werden, ein Jahr und sieben Monate habe sie im Wachkoma gelegen. "Der Weg zurück ins Leben hat unheimlich lange gedauert", erklärte sie.
"Catrin wird nie alleine leben und nie den Führerschein machen können", berichtete Bollig. Sie sei zu hundert Prozent schwerbehindert. Zwar könne sie alles, was vor dem Unfall geschah, abrufen. Doch durch den Unfall habe ihr Kurzzeitgedächtnis Schaden genommen: "Sie vergisst sehr schnell alles, was passiert ist, wieder." Auch körperlich sei ihre Tochter eingeschränkt.
Erschütternd waren aber auch die Schilderungen des Polizeibeamten Jan Schröder, der von einem Unfall berichtete, bei dem ein 21-Jähriger in Erftstadt viel zu schnell gefahren war und dann die Kontrolle über seinen Kleinwagen verlor hatte und schwer verunglückt war. Seine Beifahrerin habe es mit schweren Verletzungen alleine aus dem Fahrzeugwrack geschafft, ein weiterer Beifahrer blieb sogar körperlich unverletzt. Der 21-Jährige musste reanimiert werden, verstarb jedoch auf dem Weg ins Krankenhaus.
"Ich möchte nicht zu euren Eltern fahren müssen, um ihnen zu sagen, dass ihr tot seid", sprach dann Notfallseelsorger Gregor Hergarten die Jugendlichen an und berichtete von einem 17-Jährigen, der in den Wagen des Lebensgefährten seiner Mutter gestiegen und ohne Führerschein losgefahren war und dabei so heftig gegen einen Baum geriet, dass er sofort tot war.
"Diese Veranstaltung macht was mit den jungen Leuten", weiß Moghan Sultanie. Als Lehrerin im Adolf-Kolping-Berufskolleg begleitete sie schon einige Male Schüler zum Crash Kurs. "Die Schüler sind danach oft sehr nachdenklich", sagte sie. Im Crash Kurs hätten sie erfahren, was sie zuvor gar nicht bedacht hatten: dass sich an einem ganz normalen Tag innerhalb von Sekunden das ganze Leben ändern kann. "Das rüttelt wach", resümierte sie. © Kölner Stadt-Anzeiger
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