Im Bensberger Jugendschöffengericht spricht der groß gewachsene Angeklagte mit stockender Stimme darüber, was ihn hierhin gebracht hat.

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Hierhin: Wenn einer mit 58 vors Jugendgericht muss, geht es nicht um geklaute Mofas, sondern um Vergehen und Verbrechen an Kindern und Jugendlichen.

Rainer S. (Namen geändert) hat gestanden, sich zwischen April 2017 und Februar 2022 an kleinen Mädchen vergangen zu haben. An zwei Freundinnen seiner eigenen Tochter Claudia, die um die zehn Jahre alt waren und bei Claudia und ihrem Papa übernachten durften – erst in Troisdorf, später in Rösrath.

Der "nette Nachbar" entpuppt sich als Sexualtäter

Besonders perfide, das wird ihm Schöffenrichter Ertan Güven ins Urteil schreiben: Er hat sich an den Kindern vergangenen, während sie schliefen. Die Mädchen hatten keine Chance zu sagen, dass sie es nicht wollten, das Befummeln, die Fotos, die Videos. Vier Vorfälle hat die Staatsanwaltschaft angeklagt.

Mit dem Geständnis erspart Rainer S. den Mädchen einen Zeugenauftritt vor Gericht und dem Gericht die Sichtung des Materials, zu dem außerdem mehrere hundert kinder- und jugendpornografische Fotos und Videos gehören. Der Essener Jurist Nikolai Odebralski, spezialisiert auf die Verteidigung Beschuldigter in Sexualstrafverfahren, bittet um ein Rechtsgespräch, das fast eine Viertelstunde dauert. Im Saal warten unterdessen außer dem Angeklagten zwei Frauen: Die Mutter von einem der Opfer und die jetzige Lebensgefährtin des geschiedenen Mannes.

Schmerzensgeld für die Opfer

Thema des Rechtsgesprächs dürfte die Frage gewesen sein, ob der Angeklagte, der mittlerweile auf die linke Rheinseite verzogen ist, eine Strafe unterhalb der Schallgrenze für eine Bewährungsstrafe erwarten kann – und die liegt bekanntlich bei zwei Jahren. "Wir sind zu keiner Verständigung gekommen", teilt Richter Ertan Güven anschließend kurz mit.

Dann berichtet Rainer S. über sein Leben: dass er zusammen mit seiner Frau ein florierendes Unternehmen gehabt habe. Mit dem Scheitern der Ehe sei er in die Insolvenz gerutscht. Er habe, sagt er mit brüchiger Stimme, zeitweise sogar Flaschen gesammelt.

Der sexuelle Missbrauch war wohl nicht Folge Ihrer Insolvenz, sondern Ihrer sexuellen Neigung.

Die Staatsanwältin zum Angeklagten

In seinem Internet-Portal habe er Erwachsenen-Pornos gefunden, bis ihn ein Chat-Partner gefragt habe, ob er nicht auch eine Tochter habe. So sei das ins Rollen gekommen. "Ich kann nur sagen, dass es mir leid tut." Seine Tochter habe sich von ihm abgewendet und sei in Therapie, er selbst auch und führe heute ein "ganz normales Sexleben" mit seiner Partnerin.

Bis zu vier Jahre Haft kann das Schöffengericht verhängen. Die Staatsanwältin fordert am Ende zwei Jahre und neun Monate. "Der sexuelle Missbrauch war wohl nicht Folge Ihrer Insolvenz, sondern Ihrer sexuellen Neigung", sagt sie in Richtung des Angeklagten. Bei ihm hatte das ein bisschen nach Ursache und Wirkung geklungen. Nebenklagevertreter Alexander Cormann verweist auf die Folgen für die Opfer und ihre Familien.

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Dagegen fordert Verteidiger Odebralski eine Chance. Rainer S. habe sich beruflich gefangen, verdiene heute wieder 3000 bis 4500 Euro netto und sei in Therapie: "Das kann er nicht, wenn er in Ossendorf sitzt." Es sei niemandem damit gedient, ihn jetzt einzusperren. Nach 45 Minuten das Urteil: Haft wie von der Anklägerin beantragt, zudem 8000 Euro Schmerzensgeld plus Zinsen für die beiden Opfer. Rainer S. habe Vertrauen missbraucht und "sehr kleine Wesen" zu Opfern gemacht.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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