Körpersprache verrät einiges. Keines Blickes würdigten Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian (CDU) und ihr Allgemeiner Vertreter Kurt Reidenbach am Dienstagabend im Haupt- und Finanzausschuss den SPD-Stadtverordneten Thilo Waasem, als dieser Sabine Rößler, Amtsleiterin Zentrale Dienste und damit Personalchefin, und Sachgebietsleiterin Birgit Olzem mit Fragen zum Personalbericht löcherte.
Der war auf Antrag der Genossen gefertigt worden. Vielmehr hatte man das Gefühl: Es brodelte in der Verwaltungsspitze. Grund dafür ist eine harsche Kritik Waasems am Führungsstil der Bürgermeisterin, die er in einem Video geäußert hatte – und die er während der Sitzung verstärkte.
Thilo Waasem verstärkt Vorwürfe und kritisiert Personalbericht
Der Personalbericht ging dem Stadtverordneten nicht weit genug, was an den zahlreichen Fragen zu erkennen war, die er Rößler und Olzem stellte. "Ich halte ihn für problematisch", erklärte er am Mittwoch auf Anfrage dieser Zeitung. Ihm fehlten nicht nur die Transparenz, mit welchen Daten die Fluktuationsrate in der Verwaltung errechnet wurde, sondern vor allen Dingen Aufstellungen nach Verwaltungsbereichen, egal, ob nach Amt oder nach Produkt, wie es auch im Stellenplan der Fall sei.
Am Personalbericht lasse sich nicht erkennen, wo genau es in der Verwaltung Probleme gebe. Es sei auch nicht sauber, Einstellungen und Ausscheiden von Personal einfach nur gegenüberzustellen. "Eine neu eingestellte Schulsekretärin, die mit Sicherheit eine tolle Arbeit macht, ersetzt niemanden, der im Einwohnermeldeamt gegangen ist." Beides werde aber im Bereich Allgemeine Verwaltung als Zu- und Abgang aufgeführt. Ein Datenschutzargument, das die Verwaltung als Begründung anführte, ließ er nicht gelten. "Bei 199 Köpfen ist das nicht personalisierbar. Und man könnte das auch nichtöffentlich behandeln."
Ich habe nicht den Eindruck, dass es ein Bewusstsein für die Dimension dieses Problems gibt.
Aber die Fragen waren nur das Vorgeplänkel. Er habe mit einer zweistelligen Anzahl von Beschäftigten gesprochen, sagte Waasem – und zitierte dann das, was ihm mitgeteilt worden sei, mit der Ergänzung: "Ich habe mir das nicht ausgedacht." Die ihm gegenüber geäußerten Vorwürfe seien gewaltig: von einem toxischen Klima im Rathaus, das zu psychischen Belastungen führe, sei die Rede gewesen; von erratischer Entscheidungsfindung, so wie es die Bürgermeisterin haben wolle; von sehr verletzendem Umgang inklusive Bloßstellungen durch die Bürgermeisterin, die auch Informationen für Ratsdrucksachen filtere oder bewusst weglasse; von einer Personalpolitik und Personalführung, die Grund sei für viele Abgänge.
Wie ihm mitgeteilt worden sei, würden derzeitige Mitarbeiter potenziellen Neuzugängen abraten, in der Stadtverwaltung anzufangen. Als Politiker müsse er diese Probleme adressieren, das habe nichts mit einer Parteifarbe zu tun. "Ich habe nicht den Eindruck, dass es ein Bewusstsein für die Dimension dieses Problems gibt", sagte Waasem: "Ich will, dass es in der Stadt läuft."
Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian will Aufarbeitung
Den Vorwurf, Ratsdrucksachen zu beschönigen, stritt die Bürgermeisterin ab. "Das kann ich nicht nachvollziehen." Einige der geäußerten Vorwürfe könne sie aber zum Teil nachvollziehen. Die Verantwortung für die Teams hätten die jeweiligen Amtsleitungen, mit denen sie sich bespreche. Gewünscht hätte sie sich, dass Waasem die Vorwürfe unter vier Augen angesprochen hätte.
Viele Behauptungen seien unkonkret, in einigen gehe es nicht um sie. Jetzt stünden sie im Raum, das sei nicht von Vorteil. Preiser-Marian selbst wird ihren Stuhl im Rathaus in wenigen Monaten räumen, da sie für das Landratsamt kandidiert. "Das Problem hat sich für diese Menschen ja bald gelöst", sagte sie in Richtung derjenigen, die Waasem ihre Probleme geschildert hätten.
Das Problem hat sich für diese Menschen ja bald gelöst.
Die Personalsituation im Rathaus halte sie nicht für außergewöhnlich. Auch die Kreisverwaltung habe offene Stellen. Angesichts des Fachkräftemangels sei das ein Zeichen der Zeit. "Die Verwaltung musste in den letzten vier Jahren viel stemmen und hatte zehn Jahre Haushaltssicherungskonzept hinter sich", so Preiser-Marian. Sie habe das Gefühl gehabt, dass Stadtrat, Verwaltung und Mitarbeitenden alles gut mitgetragen hätten.
Einen Tag nach der Sitzung fand sie immer noch, dass einige Sachen "so nicht in die Runde" gehörten, wie sie dieser Redaktion sagte. Sie werde nun noch einmal Rücksprache mit den Amtsleitern halten, wo es Unzufriedenheit in der Verwaltung gebe. Und sie wolle das Thema mit der Politik aufarbeiten.
Für CDU sind Äußerungen Wahlkampf, für Thomas Bell nicht
Den Antrag zu stellen, sei legitim, sagte CDU-Fraktionschef Martin Mehrens: "Dass man die Antwort nicht abwartet und voll in den Wahlkampfmodus geht, nicht." Mit seinen Äußerungen habe Waasem der Verwaltung, die sich auch fast vier Jahre nach der Flut immer noch im "Kampfmodus" befinde, einen Bärendienst erwiesen. "Es ist beschämend, dass er nichts anderes zu tun hat, als draufzukloppen."
Legitim, nahm Thomas Bell (parteilos) die Wortwahl von Mehrens auf, sei es auch, Fragen zu stellen und auf gewisse Punkte hinzuweisen. "Wenn man mitbekommt, wo Wechsel in der Verwaltung stattfinden, stellen sich Fragen", sagte er. Es sei eine Kritik an "Frau Häuptling", also an der derzeitigen Bürgermeisterin, die kurz nach dem von Waasem veröffentlichten Video ihre Kandidatur für ein anderes Amt bekanntgegeben habe, nicht "am Rest des Stammes".
Falsche Behauptungen sollte man aber nicht aufstellen. Es gibt genug Faktenverweigerer in der Welt. Von der Kinderstube her ist das nicht Ordnung.
Dass man die Diskussion zunächst im kleinen Kreis und hinter verschlossenen Türen hätte äußern sollen, etwa während der Klausurtagung zur Haushaltsberatung, fand Andreas Bühl (UWV). "Aber da war die Person, die den Antrag gestellt hat, nicht anwesend." Auch die Art und Weise, wie das Thema in die Öffentlichkeit gebracht worden sei, ohne Kenntnis anderer Ratsmitglieder, missfiel ihm.
Dr. Kerstin Oerter (Grüne) sprach die schwierigen Bedingungen der vergangenen Jahre mit Corona und Flut an. Gleichwohl habe sie immer das Gefühl gehabt, dass die Verwaltung Personalbedarf im Rat stets kundgetan habe. "Wenn es in der Verwaltung Unstimmigkeiten gibt, kann man nur an den Personalrat verweisen", so Oerter.

Ludger Müller (CDU) gab zu, dass er den Eindruck gehabt habe, dass es mehr Ab- als Zugänge gab. "Falsche Behauptungen sollte man aber nicht aufstellen. Es gibt genug Faktenverweigerer in der Welt. Von der Kinderstube her ist das nicht Ordnung", kritisierte er Waasem. Dass sich die Verwaltungsstruktur in den vergangenen 10 bis 15 Jahren verändert habe, dafür machte er auch das haushalterische Handeln des früheren Kämmerers Hans Orth verantwortlich. "Das hat einige Opfer hinterlassen." Man müsse die grundsätzliche Struktur der Verwaltung angehen, damit sie für die 200 Beschäftigten und 18.000 Bürger funktioniere. © Kölner Stadt-Anzeiger