Die Gemeinde Dahlem ist knapp an einem teuren Schildbürgerstreich vorbeigeschrammt: Im Rahmen der Sanierung des Rathauses sollte auch ein behindertengerechter Aufzug in das dreigeschossige Gebäude eingebaut werden.
Doch der hätte nur zwei Etagen erreicht – unglücklicherweise ausgerechnet die Etage nicht, in der schon ein behindertengerechtes WC vorhanden ist. Das hätte die Gemeinde im Obergeschoss neu bauen sollen.
"Das ist für die Planung in einem öffentlichen Gebäude unterhalb der Gürtellinie." Grünen-Ratsherr Ulrich Böttger platzte der Kragen. Denn das, was die Verwaltung da zur Empfehlung für den Gemeinderat im Ausschuss für Planung, Wirtschaftsförderung und Bauwesen vorgelegt hatte, war, um es vorsichtig auszudrücken, eher suboptimal. Nicht nur aus Böttgers Sicht.
Nur das Erdgeschoss ist bislang im Rathaus in Schmidtheim barrierefrei
Was war geschehen? Die Gemeinde Dahlem will 20026/27 ihr im ersten Bauabschnitt aus Mitte der 1960er-Jahre stammendes Rathaus modernisieren. Unter anderem soll die Erreichbarkeit der Verwaltungsebenen barrierefrei möglich sein. Bisher ist für den Zweck nur eine Rampe zum Eingangsbereich im Erdgeschoss auf der Gebäuderückseite vorhanden, und sonst wenig. Wer eingeschränkt mobil ist, müsste, um ins Obergeschoss mit weiteren Verwaltungsbüros und dem Sitzungssaal zu gelangen, das zwar schöne, aber bisher alternativlose Treppenhaus nutzen. Stufenlos erreichbar ist bisher nur das Bürgerbüro im Erdgeschoss.
Ein Lift oder Aufzug fehlt – vor allen Dingen auch ins Kellergeschoss, in dem sich sanitäre Anlagen mit einem behindertengerechten WC befinden. Die Toilettenanlage im Obergeschoss ist nur konventionell ausgestattet. Das Kellergeschoss wird derzeit als Lagerraum und für das Gemeindearchiv genutzt. Es geht also beim barrierefreien Umbau des Rathauses um die Erreichbarkeit von drei Ebenen des am Hang gebauten Gebäudes: Keller-, Erd- und Obergeschoss.
Die hat das Berliner Planungsbüro "Freiheitswerke" bisher wohl übersehen. Im Gutachten, das nach einem Ortstermin in Schmidtheim erstellt wurde, werden lediglich Erd- und Obergeschoss genauer unter die Lupe genommen, das Kellergeschoss aber so gut wie vergessen. Was Folgen hätte: Denn tatsächlich schlagen das Unternehmen und die Verwaltung in der Sitzungsvorlage eine Lösung vor, die einen Aufzug zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss vorsieht. Das Kellergeschoss mit behindertengerechtem WC wird nicht bedient.
Im Obergeschoss wurde für 40.000 Euro ein neues WC geplant
Kostenpunkt des Vorschlags: 40.000 Euro für den Aufzug. 40.000 Euro für Planung und Einbau des Aufzugs neben dem Treppenhaus. Und 40.000 Euro für den Umbau der Toilettenanlage im Obergeschoss. Käme es so weit, müssten mobilitätseingeschränkte Menschen auch weiterhin erst aus dem Rathaus raus, um das Gebäude herum, zum alten und normalerweise verschlossenen Eingang an der Vorderseite, um sich dort von einem Rathausmitarbeitenden die Tür öffnen und den Weg zum WC zeigen zu lassen.
Dass eine solche Planungsvorlage ein vorgezogener Aprilscherz sei, wollte man im Ausschuss nicht glauben, es überwog zunehmende Verwunderung, nicht nur bei Ratsherr Böttger. Der wiederum ebnete den Weg zur Vermeidung einer Peinlichkeit: Man solle schlicht einen Aufzug bestellen, der alle drei Ebenen bedienen kann, dann könne man sich die Kosten für den WC-Umbau im Obergeschoss sparen. Und dieser Aufzug solle natürlich eine handelsübliche Ruf-Taste haben und nicht erst entsperrt werden müssen, wie im Entwurf der Planer offenbar vorgesehen.
Nach kurzer Aussprache war die Kuh vom Eis. Der Ausschuss schlägt dem Gemeinderat die Planung eines Aufzugs vom Keller bis unters Dach des Rathauses vor. Dass beim behindertengerechten WC im Kellergeschoss noch das eine oder andere zu optimieren wäre, fällt da nicht mehr ins Gewicht. Etwa die Absenkung eines Desinfektionsmittelspenders, vielleicht der Einbau eines Wickeltischs – für solche Details hatte das Berliner Planungsbüro offenbar beim Ortstermin die Augen offen. © Kölner Stadt-Anzeiger
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