Ausschlafen an Karneval? Das gibt es bei Edith Papke nicht. Um etwa zwei Uhr in der Nacht steht sie am 11.11.
auf, um halb vier geht es los Richtung Heumarkt. Zusammen mit ihren Töchtern und Enkelinnen wartet die 85-Jährige hier jedes Jahr schon im Dunklen, sie will schließlich in der ersten Reihe stehen, wenn um 11.11 Uhr das Konfetti fliegt. Oma Edith – so wird sie auf dem Heumarkt auch gerne genannt – ist quasi das Gesicht der traditionellen Sessionseröffnung in der Altstadt. Wer sich Pressefotos der vergangenen Jahre anguckt, egal in welcher Zeitung, der wird sicher über ein Bild der breit grinsenden Edith Papke stolpern. Meist bewaffnet mit Seifenblasen-Pistole und einer Menge Konfetti.
In der ersten Reihe kennt man sich inzwischen auch gut, da kommt etwa die Gruppe aus Krefeld, aus dem Ruhrpott oder der Eifel. Wie ein Familientreffen sei das. Ausgelassen und mit strahlenden Augen tanzt und singt die Kölnerin dann im Kreise dieser Familie vor der Bühne. "Und wenn die dann nach Hause wollen, sag’ ich: Warum wollt ihr denn nach Hause, wir bleiben noch hier", erzählt Papke lachend. Bis 17 oder 18 Uhr wird gefeiert, so viel ist klar.
"Ich war schon immer bekloppt", sagt Papke beim Gespräch in ihrer Wohnung in Lindweiler mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger", auf Kölsch natürlich, immer wieder und lacht dabei ausgelassen. "Solange meine Beine mich noch tragen und das Oberstübchen in Ordnung ist, gehe ich noch hin."
Die Karten für die Veranstaltung der Willi-Ostermann-Gesellschaft auf dem Heumarkt hat die Familie schon am 12.11. vergangenen Jahres direkt bestellt. "Wir leben das", sagt Claudia Hoffmann, die 59-Jährige ist eine der Töchter von Edith Papke. Enkelin Laura Hoffmann (32) fügt hinzu: "Mir wurde schon im August Druck gemacht, dass ich die Karten ausdrucken muss."
Zehn Kilo Konfetti für die Session
Alles ist vorbereitet: Die rot-weißen Kostüme hängen fertig im Kleiderschrank, die Tickets liegen bereit. Nur der Zehn-Kilo-Sack mit Konfetti muss noch auf kleine Tüten umgefüllt werden. "Dann sieht meine Küche aus, als hätte ich schon Karneval. Ist aber egal, ich mache das gerne", sagt Papke.
Karneval war schon immer ein Teil ihres Lebens. 1939 geboren sah das Fest für sie damals jedoch ganz anders aus als heute. "Es war trotzdem schön", sagt Papke. Ihre Mutter hätte immer dafür gesorgt, dass sie und ihre Geschwister verkleidet waren – "und wenn es aus ahle Lappe war, die sie mit der Hand zusammengenäht hat." Dann ging es zum Zoch nach Longerich, für einen Groschen gab es damals in den Geschäften zehn kleine Kamelle, erinnert sich Papke. Zur Sitzung ging es dann zu dem Kunstfaserwerk Glanzstoff-Courtaulds, wo heute die "Kantine" ist. "Da musstest du ne Klütte (Anm. d. Red.: Brikett) mitbringen, sonst kommst du nicht rein, das war die Eintrittskarte. Es war ja kalt." Als Kind habe es dann für sie Brause mit Wasser gegeben.
So wie ihre Mutter sie damals in den Karneval gebracht hat, so hat auch Papke ihre eigenen Kinder nie zuhause gelassen: "Ob die wollten oder nicht, die wurden eingepackt, Kostüm an und los geht’s." Ihre Kinder haben die Tradition wiederum an ihre eigenen Kinder weitergegeben. Laura Hoffmann erinnert sich, wie sie damals am Rosenmontag im Bollerwagen geschlafen hat, wenn sie nach vier Tagen Programm zu müde war. Falls sie einmal Kinder haben sollte, will sie auch ihnen auf jeden Fall das Brauchtum näherbringen. Ohne geht es in dieser Familie einfach nicht. "Während der Pandemie saßen wir hier im Kostüm, haben gefrühstückt und Rotz und Wasser geheult. Weil das für uns ganz unvorstellbar war, nicht draußen Karneval zu feiern", sagt die 32-Jährige.
Karneval – der findet für diese jecke Familie hauptsächlich auf der Straße statt. "Sitzungen sind nicht unser Ding. Schickimicki ist nichts für uns, mir sin Kölsche", sagt Edith Papke. Auch die Mitgliedschaft in einer Karnevalsgesellschaft sei nicht das Richtige gewesen. Stattdessen geht es am 11.11. immer in die Altstadt, Claudia Hoffmann erinnert sich noch daran, wie man damals um den Ostermann-Brunnen im Kreis stand und einfach gemeinsam sang und schunkelte. Da gab es keine Bühnen oder Absperrgitter. "Früher war alles ein bisschen lockerer."
Auch an Altweiber, wo die Familie – natürlich in der ersten Reihe – bei den Altstädtern auf dem Alter Markt feiern. Am Karnevalsfreitag geht es ruhiger zu, damit Samstag dann in der Lachenden Kölnarena gefeiert werden kann, schon in der Sporthalle waren Edith Papke und ihre Familie immer dabei. Sonntagsfrüh geht es dann nach Longerich zum Zoch, den Rosenmontagszug guckt die Familie stets an der Burgmauer.
Nach Karneval geht dann das große Waschen los. "Und das Konfetti findest du das ganze Jahr über in irgendeiner Ecke", sagt Claudia Hoffmann. Ihre Tochter ergänzt: "Mir ist dieses Jahr im Urlaub welches aus dem Portemonnaie gefallen. Das Konfetti hat es also sogar bis nach Kreta geschafft." Edith Papke zuckt mit der Schulter und lächelt. "Dann weißt du, dass du jeck bist." © Kölner Stadt-Anzeiger
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