Vor 100 Jahren, am 16. November 1924, stand die Ziegelei Zeche Plato in hellen Flammen. Die Feuerwehr wurde um 10 Uhr alarmiert.

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Der Brand war so heftig, dass die Wehr aus Bonn Unterstützung leisten musste. Das Wasser reichte nicht, Schläuche wurden zu einem mehrere Hundert Meter weit entfernten Weiher gelegt. Vier Stunden dauerten die Löscharbeiten, dann waren die Flammen besiegt. Nach 14 Uhr zog die Bonner Unterstützung ab. Die Brandwache wurde von der Niederpleiser Feuerwehr übernommen.

So ist es im Siegburger Kreisblatt vom 18. November 1924 nachzulesen, das im Archiv der Stadt Sankt Augustin verwahrt wird. "Der Brand war so gravierend, dass das Werk danach umfassend wieder aufgebaut werden musste", berichtet Stadtarchivar Michael Korn über das Unglück in der Firma, die heute als Pleistalwerk in Sankt Augustin bekannt ist.

Das Pleistalwerk wurde nach dem Brand wieder aufgebaut, braune Ziegel am Gebäude zeigen dies heute

Ein Ringofen war seinerzeit in Brand geraten. In ihm wurden die Ziegel durch Hitze gehärtet. Teile des Fabrikgebäudes bestanden aus Holz, die Flammen fanden reichlich Nahrung. Mehr ist über den schweren Brand in den Archiven nicht zu finden.

Heinrich Geerling, der Sohn des letzten Geschäftsführers des Pleistalwerks, Gerhard Geerling, steht an einer Mauer aus Fassaden-Klinker, das sind Ziegel aus hochgebranntem Ton. Sie hat noch immer auf dem Gelände ihren Platz, wo einst das Pleistalwerk produzierte, ursprünglich als Zeche Plato bekannt. Die Initialen der Firma "PW" sind noch auf der Mauer zu lesen.

"Sie diente als Musterwand, um die frühen Produkte von gesinterten Ziegeln der Firma zu präsentieren. Hochwertige Steinzeugrohre für die Kanalisation kamen erst später dazu, nachdem man festgestellt hatte, dass man das auch produzieren kann", erklärt Geerling. "Nach dem schweren Brand vor hundert Jahren ging die Zeche Plato allerdings erst einmal in die Insolvenz."

Am 1. August 1926 erwarb der aus Horrem bei Köln stammende Baufachmann Heinrich Startz mit seiner Ehefrau Magdalena die Anlage und benannte das Unternehmen in "Pleistalwerk Heinrich Startz KG" um. Aus den baulichen Resten des Ringofens sowie der Erdgeschoss-Südfassade baute der Unternehmer nach eigenem Entwurf ein neues zweigeschossiges Ofenhaus. Die zwei darüber liegenden Stockwerke wurden mit der Abwärme der darunter liegenden Öfen als Trockenräume für die Rohrrohlinge genutzt. Das war wichtig. Feuchtigkeit im Material führte beim Brennen zu Brüchen im Produkt, es musste aussortiert werden.

Produktion der Pleistalwerke in Sankt Augustin wurde von den neuen Eigentümern komplett umgestellt

Mit dem Eigentumswechsel wurde die Produktion komplett umgestellt und das Hauptgebäude zum Teil auf der Grundlage der gelben Mauern im Erdgeschoss und dem unbeschädigten Kamin wieder aufgebaut. Heute ist dieser Teil komplett verfallen. Braune Ziegel im oberen Teil des maroden Gebäudes erinnern jedoch noch immer an das Unglück und den folgenden Umbau.

1964 erfolgte eine große Umstellung in der Produktion. Die Feuerung mit Kohle wurde auf Schweröl umgestellt. In der großen Ölkrise 1973 verteuerte sich das Öl schlagartig so sehr, dass nur noch der in der Steinzeugfabrikation zwischenzeitlich gängige Tunnelofen wirtschaftlich arbeiten konnte. In ihm kann der Trocknungs-, Brenn- und Abkühlungsvorgang in einem durchgängigen Tunnel abgewickelt werden.

Tonrohre aus Sankt Augustin wurden in der Kanalisation zur Entsorgung von Abwässern nicht mehr gebraucht

Doch die Zeit der Tonrohre näherte sich dem Ende. Ganz entscheidend für die damaligen Überlegungen war zudem der Siegeszug des orangefarbenen oder grünen, aus Polyvinylchlorid (Hart-PVC) bestehenden Kanalgrundrohrs, kurz KG-Rohr genannt. Dies ist eine Rohrart, die hauptsächlich für die Abwasserentsorgung im Erdreich von einem Gebäude bis zur öffentlichen Kanalisation verwendet wird, genau dem Hauptverwendungsgebiet der Kanalisationsrohre, die auf dem Pleistalwerk produziert wurden, so die Chronik der Firma.

Am 30. März 1971 endete die Produktion und damit die Geschichte des Pleistalwerks als Steinzeugfabrik. Teile des Fabrikgebäudes wurden als Maschinenbaubetrieb genutzt. Die Firma Bellinghausen und Ringen produzierte dort bis in die 1990er Jahre Automationsmaschinen für die Kunststoff- und Autoindustrie.

Löcher von Granatsplittern in den Klinkern der Villa in Sankt Augustin erinnern an den Zweiten Weltkrieg

Das gesamte Fabrikgelände samt der alten Villa wurde schließlich 1991 von der Familie Geerling verkauft. Heinrich Geerling konnte im Jahr 2005 die ehemalige Fabrikantenvilla in einer Zwangsversteigerung zurückerwerben und kümmert sich heute noch um sie, die so wieder in den Besitz der Familie gekommen ist. Das Haus hat viel erlebt. Löcher in den Klinkern an der Außenfassade der Villa erinnern daran, wie gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Granatsplitter das Gebäude und den Dachstuhl beschädigten. Es wurde von Geerling zum Mietshaus umgebaut.

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Alle Gebäude des Pleistalwerkes bis auf die sanierte Villa verfallen langsam. Noch immer ist nicht klar, wie das Gelände weiter genutzt wird. Der gemeinnützige Förderverein "Umweltbildungszentrum Pleistalwerk" wurde 2012 von Umweltfreunden gegründet. Er möchte auf dem Gelände, das zum Naturpark Siebengebirge gehört, ein Zentrum für Bildung für nachhaltige Entwicklung und ein Portal in dem Naturpark errichten. Dafür eignen sich die Liegenschaften des ehemaligen Pleistalwerkes gemäß Stadtentwicklungs-, Kreisentwicklungs- und Naturparkplan sehr gut und könnten im Sinne der historischen Bedeutung teilweise saniert werden. Allerdings ist das Projekt noch in der Planungsphase.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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