"Turnvater Jahn war Vorvorgestern, heute ist Tiktok der heilige Gral", sagt Marco Milek und lacht. Er betreibt das Fitnesstudio Lifetime in Wipperfürth, seit mehr als 30 Jahren kennt der Ü-60-Jährige alle Trends.

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"Heute glauben gerade junge Leute alles, was gepostet wird, da muss man manchmal korrigieren." Denn manch ein Superbody, der in den Sozialen Medien posiert, wäre im wirklichen Leben von echten Menschen auch mit hartem Training kaum erreichbar.

Der allgegenwärtige Vergleich in den Sozialen Medien motiviert zum Jahresanfang wieder viele Leute, den eigenen Körper zu formen und Muskeln aufzubauen. War das früher Männersache, so beobachtet Milek heute vermehrt Frauen beim Freihanteltraining, beim Kreuzheben und beim Hantel-Aerobic. "Sie trainieren oft härter als die Männer."

Maxim Wenner, Geschäftsführer von Everybodies Fitness Club in Waldbröl, bestätigt das: "50 Prozent unserer Mitglieder sind weiblich, vielen geht es um Muskelaufbau. Wir haben hier starke und fitte Mädels." Die Homepage des Studios verheißt: "Get your boy burning." Auf besonders Ambitionierte wartet eine "Intensivstation".

Junge und alte Waldbröler trainieren zusammen

Fitness-Kurse, die in den 2000er Jahren in Mode waren, seien heute weniger gefragt, beobachtet man in Waldbröl auch in anderen Studios. Auf dem Land müsse man allerdings ein breites Spektrum anbieten und alle Altersgruppen ansprechen, meint Milek. In Wipperfürth wollen die Ältesten mit über 80 und die Jüngsten – mit Einverständnis der Eltern – schon mit 14 Jahren ins Schwitzen kommen.

Konnten sich früher die Fitnessstudios vor allem im Januar nach kalorienreichen Weihnachtstagen über regen Zulauf von Abspeckwilligen freuen, so spiele das heute eine geringere Rolle, meint Wenner. "Klar, einige Frauen schließen jetzt Verträge und trainieren, um im Sommer gut auszusehen und starten mit guten Vorsätzen ins neue Jahr." Aber sie bleiben auch dabei. "Wir haben nur wenige Karteileichen." Das junge Publikum des Waldbröler Studios mit einem Durchschnittsalter von 26 Jahren bleibe das ganze Jahr über bei der Stange.

Oberwiehler Studio ist auch ein sozialer Treffpunkt

Thorsten Maier ist seit 2006 Geschäftsführer des Sportparks am See in Oberwiehl und hat nach eigenem Bekunden "alle Krisen mitgemacht". Nach Corona habe es einen richtigen Sog gegeben, wieder ins Studio zu gehen, erzählt er. Auch viele von denen, die sich in der Pandemie eigene Geräte im Keller aufgestellt hätten, wollten jetzt wieder "unter Leute gehen, den Sport als Event genießen". Rentnerinnen und Rentner träfen sich regelmäßig zwischen Kaffee-Flatrate und Kraft-Training. "Für sie ist es ein Treffpunkt, ein familiäres Miteinander."

Eine, die zwei bis drei Mal in der Woche ihre Muskeln stählt, ist Isolde Bauer. Und das bereits seit 26 Jahren. Nach einem Oberschenkelhalsbruch kam sie so schnell wieder auf die Beine, erzählt die 86-Jährige. "Wäre ich nicht so fit gewesen, hätte es viel länger gedauert." Das habe auch der Arzt bestätigt.

Denen, die am Vormittag in Wiehl auf dem Laufband joggen und auf der Beinpresse ins Schwitzen kommen, geht es vor allem um die Gesundheit, nicht nur beim Reha-Sport, den es auf Rezept gibt. Den Rücken stärken, die Beweglichkeit erhalten, den Kreislauf in Schwung bringen. Damit sollte man nicht erst im Seniorenalter beginnen, rät der Waldbröler Trainer Maxim Wenner: "Die jungen Leute tun was für die Lebensqualität im Alter. Es ist ein Unterschied, ob ich zehn Jahre früher oder später im Rollstuhl lande."

Der 20-jährige Sebastian Fliegner macht Kraft-Training, weil er wegen einer Sportverletzung nicht mehr Fußballspielen darf und trotzdem fit bleiben möchte. Trainer Thorsten Maier hält das für klug: "Trainieren muss jeder selbst. Die Superpille gibt es nicht!"

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Lieber flexibel

Früher saßen viele Studiokunden in der Abo-Falle und ärgerten sich im August, wenn sie lieber ins Freibad gehen als Hanteln stemmen wollte, über ihren ungenutzten Jahresvertrag. In der Coronazeit, als die Leute nicht trainieren durften, was das besonders ärgerlich, weil der regelmäßige Besuch im Studio mit durchschnittlich rund 40 bis 50 Euro im Abo kein billiger Spaß ist. Heute bieten darum fast alle Sportstudios flexible Verträge an, die zum Teil auch monatlich kündbar sind. Diese Flex- und Kurzzeittarife sind allerdings meist deutlich teurer. Und wo es günstiger geht, kommen oft versteckte Kosten wie eine Servicegebühr oder eine Energiepauschale hinzu.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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