Fast genau ein Jahr ist es her, da hatte Anna Plitzko über eine Crowdfunding-Plattform das Geld für ihr Buch zusammen.
Pünktlich zum Ende der Kampagne war ihr Spendenziel von 21.112 Euro erreicht und der Druck von "Firlefanz am Regenbogen" gesichert. Die heute 40-Jährige konnte ihr Projekt umsetzen: Geschichten über Sternenkinder positiv und empathisch zu erzählen.
Sternenkinder, das sind Babys, die noch im Mutterleib sterben oder kurz nach der Geburt. Einen schönen neuen Begriff hat Plitzko eingeführt, die Sternenmütter. Nach Erscheinen ihres Erstlingswerks hatte sie viele Gespräche mit Leserinnen und Lesern. Ein Erlebnis ist ihr hängen geblieben. Sie hat eine Frau gefragt: "Wie lange bist Du schon Sternenmutter?" Es wurde still am anderen Ende der Leitung, die Anruferin musste sich erst mal sammeln.
Sternenkinder sind Babys, die noch im Mutterleib sterben oder kurz nach der Geburt
Erst Stunden später meldete sie sich erneut und erklärte, wie viel das in ihr bewegt habe. "Das macht was mit mir", sagt die Autorin. "Es war ein tolles, formendes Jahr. Das Thema hat in meinem Leben vieles in ein neues Licht gerückt." Sie weiß, dass das für die Betroffenen noch viel mehr gilt, deren Alltag durch ein solches Ereignis auf den Kopf gestellt wird.
Ich habe mich beruflich und privat neu sortiert, erklärt Plitzko. Ich habe geschaut wo ich noch nicht klar bin. Viele Gespräche mit anderen haben hier dabei geholfen. Aber nicht jede habe die Möglichkeit auszutauschen, gerade wenn es um ein so schweres Thema wie die Sternenkinder. "Aber es ist so notwendig darüber zu sprechen."
Seit ein paar Tagen ist sie mit einem neuen Format an die Öffentlichkeit gegangen. "Buche Dir ein Gespräch mit mir", wirbt sie auf ihrer Instagram-Seite. Zwei Angebote macht sie. Ein einmaliges Gespräch, um Gedanken zu sortieren und kleine Rituale oder Perspektiven für den Alltag zu entwickeln. Bei ihrer Vier-Wochen-Begleitung bietet Plitzko regelmäßige Gespräche und tägliche Impulse, um Sicherheit und Halt zu geben.
"Gerade Sternemütter sind die ganze Zeit traurig und sie merken gar nicht, dass es kleine Mini-Schritte gegeben hat, die sie weiterbringen." Die Neunkirchen-Seelscheiderin macht klar, dass es nicht um Therapie geht, sie baut keinerlei Druck auf, ist einfach nur da. Bisher hat sie viel Dank von Leserinnen und Lesern eingesammelt, doch jetzt will sie weitergehen, mit Gesprächen von Angesicht zu Angesicht.
Ihre Gespräche sind online konzipiert, Präsenz-Treffen sind aber durchaus möglich. Laut offizieller Statistik, so hat sie herausgefunden, gab es 2022 insgesamt 3247 Sternenkinder in Deutschland. Sie hat aber auch Leserinnen und Leser in Österreich und der Schweiz. Und sie weiß um die Sprachlosigkeit Betroffener genau so wie um die Unsicherheit Nicht-Betroffener.
Außerdem möchte Plitzko in die Buchhandlungen. "Ich denke an Lesungen und Werkstattgespräche." Den Anfang will sie in der Buchhandlung von Pauline Löffelholz in Neunkirchen-Seelscheid machen. "Der Termin steht noch nicht fest, aber ich möchte das im geschützten Rahmen testen." Hier arbeitet sie nämlich, als Springerin zur Weihnachtszeit, bei Krankheit von Kolleginnen oder im Urlaub, gestaltet die Schaufenster.
Ihre festen Schichten, mit denen sie während der Corona-Pandemie begonnen hat, kündigte sie auf. Doch je näher der Abschied kam, um so größer die Trauer um "die schönste Zeit in meinem fest angestellten Berufsleben". Erst vier Tage vor dem geplanten Ende kam die zündende Idee, als Springerin dabei zu bleiben.
Ihre Aufträge als freie Grafik-Designerin sind zurückgegangen, das spürt sie deutlich. "Dadurch habe ich Zeit zum Sortieren bekommen." Mit einer Bekannten aus Österreich arbeitet sie jetzt zusammen mit selbstständigen Unternehmerinnen. Ihre erste Kundin bietet Schriftenworkshops an, Kalligraphie hat Plitzko selbst auch schon ausprobiert. Selbstständig sein und Zeit für ihr Herzensprojekt, die Sternenkinder zu haben, das ist ihr Ziel auch für 2025. © Kölner Stadt-Anzeiger
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