Kein sanfter, samtener Vorhang wie sonst, sondern ein schwerer, stählerner Vorhang am Anfang spiegelt die Stimmung der rauen Werftlandschaft wider: Die Bühne im Forum ist am Donnerstagabend zur Arbeiterstadt Wallsend upon Tyne, einer Stadt im Nordosten Englands, geworden.
Diese Region war in den Achtzigerjahren stark von der Werftindustrie und dem Schiffbau geprägt. Hier spielt das einzige Musical, das
Sting Musical in Leverkusen: Von Verlust und Widerstand
Juliane Wulfgramm, die Dramaturgin der Produktion, beschreibt es so: "Mit ,The Last Ship' hat Sting sich einen Herzenswunsch erfüllt, denn er erzählt darin Teile seiner Lebensgeschichte." Es sei ein persönliches Segelsetzen zur eigenen Herkunft. In der Werftindustrie seiner Geburtsstadt wollte der spätere Weltstar nie arbeiten – das war von Anfang an klar. Die Werftindustrie ist im Niedergang begriffen, die Menschen kämpfen nicht nur gegen Arbeitslosigkeit, sondern auch gegen den Verlust ihrer Arbeiteridentität.
"Die Werft steht kurz vor der Schließung, und das letzte Schiff soll nicht vollendet, sondern ausgeschlachtet werden", fasst es Wulfgram zusammen. Doch die Arbeiter, angeführt vom Gewerkschaftsführer Billy Thompson (Sebastian Haake) und dem kranken Vorarbeiter Jackie White (Wolfram Boelzle) widersetzen sich dieser Entscheidung. Mit seiner Frau Peggy (Raphaela Crossey) mobilisieren sie die Gemeinschaft, um das letzte Schiff zu vollenden. Das Gefühl von Widerstand und der Kampf um die eigene Würde wird in den Englischen Liedern spürbar, während die Texte auch in der deutschen Übersetzung viel Seefahrtpoetik bringen.
Die Kulisse im Forum ist meisterhaft gestaltet – mit Beton und massiven Stahlstrukturen wird eine LED-Wand an der Bühnenstirn gerahmt, was der Szenerie eine raue Haptik gibt.
Forum Leverkusen zeigt Musical-Highlight
Doch "The Last Ship" ist mehr als nur die Geschichte einer Werft und ihrer Arbeiter. Die zweite große Erzählung dreht sich um Gideon Fletcher – jung gespielt von Paul Mannebach und alt von Marcel Hoffmann – der nach Jahren zurückkehrt und auf eine vergangene Liebe trifft: Nämlich Meg Dawson (jung: Lena Fuhrmann und alt: Monika Maria Staszak). Und überraschend trifft er auch auf seine Tochter Ellen (Esther Hilsemer), die das Stück als Erzählerin rahmt. "Die persönlichen Geschichten sind zentral. Es ist ein Stück über den Verlust von Heimat und Zukunft und das Ringen mit den eigenen Erinnerungen", sagt Dramaturgin Wulfgramm.
Zwei Dutzend Musical-Darstellende erwecken "The Last Ship" in Leverkusen zum Leben
Es ist schließlich der Moment des letzten Schiffs, der das Stück zu einem spektakulären Höhepunkt führt. In einer grandiosen Szene singt das Ensemble eines der Leitmotive: "When the Last Ship Sails" und überträgt die kollektive Hoffnung und den Widerstand der Arbeiter auf die Bühne. In diesem Moment wird klar: Die Geschichte des letzten Schiffes ist nicht nur die eines Abschieds, sondern auch eine Feier des Widerstands und der Gemeinschaft.
Am Ende wird das Schiff vollendet, doch das Schicksal der Werftarbeiter und ihrer Familien bleibt ungewiss. Die unsichere Zukunft der Familie Fletcher und das Ende der Werftproduktion sind Teil eines offenen, bittersüßen Abschlusses. Wie Wulfgramm sagt: "The Last Ship ist kein Disney-Musical – es gibt keinen Glitzer und keinen Feenstaub. Es ist ein tiefgründiges Werk, das auch Stings Album ,The Soul Cages' aufgreift." Und genau das ist es, was das Musical des Theaters Koblenz so stark macht. Es ist nicht nur eine musikalische Darbietung, sondern ein sozialer Kommentar, der über das Schicksal der Arbeitenden hinausreicht. © Kölner Stadt-Anzeiger
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