Das Geschehen vom vergangenen Freitag steckte allen Prozessbeteiligten noch in den Knochen: Ein 23-Jähriger konnte – anders als geplant – nicht von der Haftzelle zur Urteilsverkündung in den Gerichtssaal gebracht werden, sondern musste wegen exorbitant hoher Blutzuckerwerte notfallmäßig in eine Klinik.

Mehr News aus Nordrhein-Westfalen finden Sie hier

Das Urteil im Fall des angeklagten Mordversuchs an seiner 19-jährigen Ex-Freundin wurde daher auf den Montag verschoben. Als der Gefangenentransport sich auch an diesem Morgen um eine Viertelstunde verspätete, war die Befürchtung groß, dass erneut etwas schiefgegangen sein könnte. Aber diesmal, so war später zu erfahren, hatte die Kölner Haftanstalt besser vorgesorgt. Sie hatte dem 23-Jährigen nicht nur seine Medikamente mitgegeben, sondern ließ ihn gleich von der JVA-Ärztin begleiten.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten versuchten Mord vorgeworfen

Das Urteil des Bonner Schwurgerichts fiel für Prozessbeobachter am Ende überraschend aus: Der 23-Jährige wurde nicht wegen versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen und Heimtücke verurteilt, sondern nur wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren Haft.

Als der 23-Jährige am Abend des 9. April 2024 in Bad Münstereifel bei seiner Ex-Freundin geklingelt habe, so der Kammervorsitzende Klaus Reinhoff, habe er den Plan gehabt, sie zu töten. In seinem Kontrollwahn habe er es nicht aushalten können, dass die 19-Jährige sich nach viereinhalbjähriger Beziehung von ihm getrennt hatte.

Der Ex-Freund suchte die 19-Jährige unter einem Vorwand auf

So habe er sie zwei Wochen später unter dem Vorwand, er wolle einen Pullover abholen, aufgesucht. Als sie das Kleidungsstück holen wollte, sei er ihr unbemerkt gefolgt. Er habe sie von hinten angegriffen und bäuchlings auf das Bett geworfen. Dann habe er ihren Kopf nach hinten gezogen und ihr mit einem mitgebrachten Messer einen zwei Zentimeter klaffenden Schnitt am Hals versetzt, ganz nahe an der Halsschlagader.

Die 19-Jährige jedoch wehrte sich vehement. Dabei gelang es ihr laut Anklage, an das Messer zu kommen. Das Messer, so hieß es im Urteil, habe der Angeklagte jedoch nach der Tötungsattacke freiwillig aus der Hand gegeben. Auch habe er die Wohnungstür freigegeben, damit die junge Frau sich zu Nachbarn retten konnte. Das wertete die Bonner Kammer als einen freiwilligen Rücktritt vom Mordversuch.

Sie haben ein gesundes Mädchen krank gemacht.

Klaus Reinhoff, Vorsitzender Richter

Da er die "Notbremse gezogen" habe, sei seine schreckliche Tat nur als gefährliche Körperverletzung zu werten. Später wählte der 23-Jährige den Notruf und gestand einer Polizeibeamtin, er habe "was Schlimmes getan" und es tue ihm alles furchtbar leid.

Seiner großen Jugendliebe, deren "Vertrauen er so missbraucht hat und deren Leben er auslöschen wollte", so der Kammervorsitzende, muss er jetzt 25.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Reinhoff: "Sie haben ein gesundes Mädchen krank gemacht."

Das Gericht setzte den Haftbefehl gegen den Angeklagten außer Vollzug

Seine Diabetes-Erkrankung, an der der junge Mann seit seinem 17. Lebensjahr leidet, spielte beim Schuldspruch keine strafmindernde Rolle: Hierdurch sei er – wie ein Gutachter bestätigte – weder bei der Tat eingeschränkt steuerungsfähig noch schuldunfähig gewesen. Bei der Frage der Haftverschonung spielte die Krankheit dann offenbar aber doch noch eine Rolle. Denn am Ende setzten die Richter den wegen Fluchtgefahr erlassenen Haftbefehl außer Vollzug, so wie es die Verteidigung seit Beginn seiner Inhaftierung gefordert hatte.

Einen derartigen Diabetes könne man nicht in der Haft händeln, hieß es im Antrag der Anwälte Michael Hakner und Ulrike Tasic. Allein in der zehnmonatigen Untersuchungshaft in der JVA Köln sei ihr Mandant 23-mal infolge zu hoher Zuckerwerte kollabiert. Immer wieder sei er von Notärzten in die Klinik begleitet worden.

Vielen Dank für Ihr Interesse
Um Zugang zu allen exklusiven Artikeln des Kölner Stadt-Anzeigers zu erhalten, können Sie hier ein Abo abschließen.

Infolge der Haftverschonung konnte der Angeklagte gleich nach der Urteilsverkündung nach Hause. Eine der vielen Auflagen: Er muss sich wöchentlich bei der Polizei melden und darf sich der 19-Jährigen nicht nähern. "Sonst klicken sofort die Handschellen. Da können Sie sicher sein", warnte Reinhoff am Ende des Prozesses den Verurteilten eindringlich.  © Kölner Stadt-Anzeiger

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.