Nach wie vor sind in zahlreichen der 45 Jagdbezirke in der Gemeinde Blankenheim die Rotwildbestände deutlich zu hoch.
Doch nicht nur dort verursacht das in den Wäldern nachweislich hohe wirtschaftliche Schäden aufgrund von Wildverbiss.
Martin Ritterbach wirkt ein bisschen ratlos. Der Technische Betriebsleiter der Forstverwaltung der Gemeinde Blankenheim ist zuständig für die 20 Eigenjagdbezirke der Gemeinde. Rund 3430 Hektar in 19 verpachteten Bezirken werden bejagt, zudem gibt es einen Pirschbezirk, in dem dies über einen entgeltlichen Jagderlaubnisschein möglich ist. Ritterbach zeigt eine Grafik mit den von der Unteren Jagdbehörde (UJB) festgesetzten Abschusszahlen für das Rotwild innerhalb der Eigenjagdbezirke und der "Strecke", also dem Wild, das die von den Pächtern beauftragten Jäger tatsächlich geschossen haben.
Alleine in der Gemeinde Blankenheim gibt es 45 Jagdbezirke
Die zwei Linien nähern sich auf den ersten Blick seit dem Jagdjahr 2013/14 bis zum Jagdjahr 2024/25 an – ein Jagdjahr dauert vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres. Doch weit darüber liegt eine graue dritte Linie: Die Festsetzung der Abschusszahlen der Jagdbehörde für die gesamte Hegegemeinschaft Blankenheim. Dazu gehören neben der Gemeinde auch 20 gemeinschaftliche oder genossenschaftliche Revierbesitzer und fünf privatrechtliche Eigenjagden: Die der Katholischen Kirchengemeinde Blankenheim, des Vellerhofs, der Eifelwald GmbH und von Privatpersonen aus Lindweiler und Blankenheimerdorf.
Was diese insgesamt 25 Revierbesitzer in den vergangenen Jagdjahren an Rotwild geschossen haben, ist zunächst unklar, denn das wird im Gegensatz zur "Soll"-Linie auf Ritterbachs Grafik nicht angezeigt. Um die Problematik des zu hohen Wildbestands schon auf dem Gemeindegebiet von Blankenheim richtig einordnen zu können, wäre diese Information aber wichtig. Doch bisher blieben alle Bemühungen der Redaktion, in Kontakt mit dem Vorsitzenden der Hegegemeinschaft Blankenheim zu kommen, erfolglos.
Zahlreiche Reviere im Kreis Euskirchen sind sehr rotwildreich
Zurück also zu dem, der offen über ein Problem in seinen Wäldern redet: Martin Ritterbach hatte in der jüngsten Fachausschusssitzung die aktuellen Abschusszahlen und deren langfristige Entwicklung für die Eigenjagdbezirke vorgestellt. Im Detail sehen sie doch nicht so gut aus: In acht der 20 Eigenjagdbezirke ist der Rotwildbestand, errechnet aus dem Verhältnis der Stückzahl auf 100 Hektar und Flächengröße des jeweiligen Reviers, deutlich zu hoch.
10 bis 17 Stück Rotwild je 100 Hektar gelten als Alarmstufe Rot. Das gilt im Jagdjahr 2024/25 in den Jagdbereichen Mürel, Rohr-Nord, Rohr-Süd, Blankenheim, Ripsdorf-Eichenholz, Rispdorf-Nord (Nonnenbach), Hüngersdorf und im Pirschbezirk (Stromberg). Im Vergleich zum ebenfalls von Ritterbach abgebildeten Jagdjahr 2013/14 haben sich die Rotwildstückzahlen demnach in fast allen diesen Jagdbereichen fast verdoppelt.
Als besonders rotwildreich mit den über die Jahre schon eingetretenen oder erwarteten Verbiss-Schäden in den Jagdrevieren gelten im Kreis auch die Bereiche Zitterwald-Mürel, Flamersheimer Wald und Nord-/Rureifel. Andererseits gibt es im Bereich der Gemeinde Blankenheim sieben Jagdbezirke, in denen aktuell Entwarnung gilt: Pro 100 Hektar werden hier nur zwei bis fünf Tiere angenommen, was aus forstwirtschaftlicher Sicht als unbedenklich gilt.
Jagdbehörde beim Kreis Euskirchen sichtet rund 200 Abschusspläne
Die Gesamtschau ist aber nur das eine. Denn nimmt Ritterbach die aktuellen Abschusspläne, die ihm die Pächter der Eigenjagdbezirke für das Jagdjahr 2024/25 vorgelegt haben, verdüstert sich die Miene des Fachmanns eher: Mindestens zum Teil hält er die gemeldeten Abschussplan- und Bestandszahlen für "nicht plausibel." Deshalb wird die Gemeinde Blankenheim in diesen Fällen ihr Einvernehmen nicht erteilen, und das auch der Unteren Jagdbehörde so mitteilen. Die wiederum geht mit allen Abschussplänen aus dem Kreisgebiet in den einmal jährlich öffentlich tagenden Jagdbeirat. Danach folgt die amtliche Festsetzung.
Die UJB sichtet aktuell knapp 200 vorgelegte Rotwildabschusspläne für die Jagdreviere, zudem sind zum 15. April auch die jährlichen Streckenmeldungen beim Rotwild abzugeben, die über den verpflichtenden körperlichen Nachweis in Form der Unterkiefer der erlegten Tiere in Sammelboxen kontrolliert werden.
Im Rückblick auf die vergangenen fünf Jagdjahre hat die Behörde etwa für die Hegegemeinschaft Blankenheim bis zum Jagdjahr 2023/24 die Abschussvorgaben auf Werte um die 500 festgesetzt. Von den aktuell geltenden 479 wurden in allen 45 Blankenheimer Jagdbezirken 422 geschossen. 250 davon in den Eigenjagdbezirken, bleiben 172 Stück für die restlichen 25 Jagdbezirke. Macht ein Minus von 57 Stück. Ein Delta, das die Hegegemeinschaft Blankenheim bisher nicht erklärte.
Sanktionen gegen die Jäger sind kaum durchzusetzen
In einem Schreiben "An die Rotwildrevierinhaber im Rotwildverbreitungsgebiet Nordeifel" vom 15. Juli des vergangenen Jahres, das der Redaktion vorliegt, hat UJB-Leiter Wolfgang Bannert zusammengefasst, was droht, wenn man es als Revierinhaber nicht so genau nimmt: "Wird der Abschussplan nicht erfüllt, so wird die Untere Jagdbehörde gemäß Paragraf 22 Abs.12 Landesjagdgesetz die Erfüllung des Abschussplanes nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens durchsetzen." Zwangsgelder und die Ersatzvornahme können angeordnet werden.
2019, so die UJB auf Anfrage, wurden gegenüber insgesamt 30 Jagdausübungsberechtigten Zwangsgelder angedroht, zwei Jahre später waren es 49. Doch dabei blieb es offenbar in vielen Fällen.
Wie die Kreisverwaltung auf Anfrage der Redaktion mitteilt, fehlen schlicht die rechtlichen Möglichkeiten: In den Fällen, in denen die UJB die gemeldeten Abschusszahlen nicht bestätigt, sondern festgesetzt hat, seien in Gerichtsverfahren die Festsetzungen revidiert worden. Auch bezüglich der Ahndung von nicht erfüllten Zwangsgeldandrohungen sei durch die UJB erfolglos versucht worden, "diese mit Zwangsandrohungen durchzusetzen". Man sei regelmäßig in Klageverfahren gescheitert – nicht wegen fehlerhafter Bescheide, sondern aufgrund "fehlender rechtlicher Durchsetzbarkeit".
Blankenheim erwägt eine erneute Zählung des Wildes aus der Luft
Im Blankenheimer Rathaus überlegen unterdessen Martin Ritterbach und Bürgermeisterin Jennifer Meuren, wie sie dennoch für die Eigenjagdbezirke an verlässliche Rotwildbestandszahlen kommen können. "Wir werden wohl wieder eine Überfliegung veranlassen müssen", sagt Meuren achselzuckend.
2026 könnte sich dann wiederholen, was die Gemeinden Blankenheim, Nettersheim und Dahlem am 15. und 16. April 2013 erstmals ausprobiert hatten. Das Ergebnis nach der Auswertung der Daten aus der systematischen Wärmebildkamerazählung von rund 5700 Hektar Eifelwald hatte damals einen Bestand von bis zu 20 Stück Rotwild auf 100 Hektar ergeben. Langsam nähern sich die aktuellen Spitzenwerte mancherorts dieser Bestandszahl wieder an.
Auswirkungen der Wolfs-Rückkehr
Möglicherweise hat auch die Rückkehr des Wolfes in den Eifelwäldern Auswirkungen auf die Rotwildbejagung. Konkrete Effekte seien zwar noch nicht messbar, so die Untere Jagdbehörde. Es sei jedoch feststellbar, dass sich in den Gebieten mit Wolfsvorkommen das allgemeine Verhalten des Rotwilds verändere: Die Bildung von Großrudeln häufe sich, das Wild ziehe sich mehr in die natürliche Deckung zurück, was naturgemäß die Bejagung erschwere.
Die Kreisjägerschaft teilt diese Beobachtungen: In vielen Revieren sei es schwer geworden, die Abschusspläne für das Rotwild zu erfüllen. Zudem stellt sie fest, dass die Tiere scheuer werden und immer später am Abend aus der Deckung kommen. Und wenn sich das Wild in die dichten Baumbestände zurückziehe, könne es dort Schaden anrichten. © Kölner Stadt-Anzeiger
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