Das ist so gut wie sicher: Rüdiger Lucassen aus Bad Münstereifel wird auch dem kommenden Bundestag angehören.

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Direktkandidat der AfD für den Wahlkreis 91 (Euskirchen, Wesseling, Brühl und Erftstadt) ist der Bad Münstereifeler indessen (noch) nicht. Das hat mit Turbulenzen zu tun, durch die die AfD im Kreis Euskirchen in den vergangenen Wochen gegangen ist.

Lucassen ist seit 2017 Mitglied des Bundestages. Am Wochenende wurde der 73-Jährige in der Landesdelegierten-Konferenz der AfD Nordrhein-Westfalen auf Listenplatz 5 gewählt. Angesichts der aktuellen Umfragen wird damit gerechnet, dass etwa bis zu 20 NRW-Listenplätze bei der Bundestagswahl am 23. Februar "ziehen" dürften.

Rüdiger Lucassen aus Bad Münstereifel sitzt seit 2017 im Bundestag

Ungewöhnlich ist unterdessen, dass Lucassen nicht als Direktkandidat für die Bundestagswahl 2025 für den Wahlkreis 91 nach Marl gefahren ist. Zu diesem haben die AfD-Mitglieder aus dem Wahlkreis am 27. November 2024 nämlich den 67-jährigen Achim Brück gewählt – pikanterweise seit März 2024 Leiter von Lucassens Wahlkreisbüro. Das ist Brück nach eigenem Bekunden nun nicht mehr: "Er hat mich direkt entlassen."

Seine Wahl zum Direktkandidaten wurde allerdings angefochten und der Bezirksverband hat eine neue Wahl des Direktkandidaten angeordnet. Der Grund: Auf der Einladung soll die Veranstaltungsstätte in Weilerswist nicht eindeutig angegeben worden sein.

Ein Mitglied habe erklärt, den Versammlungsort nicht gefunden zu haben, berichtet Josef Burkart, derzeit Zweiter Sprecher des Kreisverbandes. Brück sagt dazu: "Das Mitglied hat erklärt, er hätte auch gerne als Direktbewerber für den Bundestag kandidiert." Das habe Bezirksvorstand und Landespartei gereicht, eine Neuwahl anzuordnen.

Turbulenzen bei der AfD im Kreis Euskirchen: Wahl muss neu vorgenommen werden

"Zurzeit bin aber ich gewählter Direktkandidat", stellt Brück klar. In der nun anberaumten neuen Versammlung, die auf den 15. Januar terminiert ist, müsse er aus seiner Sicht also erstmal als Direktkandidat wieder abgewählt werden, bevor eine neue Wahl stattfinden könne, sagt Brück. Ob er dann noch mal kandidieren werde, lässt der Bad Münstereifeler offen: "Ich fahre da auf jeden Fall hin und höre mir an, was da gesagt wird, und werde dann entscheiden, wie ich da vorgehe."

Die Direktkandidatur im Wahlkreis ist allerdings eher zweitrangig für einen Einzug in den Bundestag, da eine Direktwahl eines AfD-Kandidaten im Wahlkreis als unwahrscheinlich gilt. Brück steht auch nicht auf der NRW-Reserveliste.

Plötzlich kandidierte Lucassens enger Mitarbeiter gegen seinen Chef

Lucassen zeigt sich dennoch entschlossen. "Dort werde ich selbstverständlich als Direktkandidat für den WK 91 antreten", sagt er im Vorfeld der neu angesetzten Wahl des Direktkandidaten.

Bevor der Kreisverband Euskirchen bei der Listenaufstellung in Marl vertreten sein konnte, mussten dessen Vertreter auch erstmal neu gewählt werden. Die erste Wahl hatte schließlich ebenfalls in der Versammlung stattgefunden, die im Nachhinein angefochten worden wurde.

Die Ansichten darüber, wie es zu all dem kommen konnte, sind unterschiedlich. Im Kreisvorstand der AfD Euskirchen hat sich Brück, der dort Beisitzer ist, keine Freunde gemacht. "Er war Leiter seines (d.Red.: Lucassens) Wahlkreisbüros und hat ihn dann mit seiner Kampfkandidatur überrascht", beschreibt Burkart seine Sicht der Dinge.

Kampfabstimmung in Marl: Lucassen freut sich über sicheren Listenplatz für Bundestagswahl

Juristisch sei es natürlich zulässig, aus einer Versammlung heraus zu kandidieren, doch menschlich hätte Brück seinem Arbeitgeber Lucassen im Vorfeld über seine Ambitionen informieren müssen. "Man könnte es als Vertrauensbruch bezeichnen", so Burkart.

Doch wie erklärt sich Burkart, dass Brück die Wahl gewonnen hat? "Wir waren zu vertrauensselig Herrn Brück gegenüber", antwortet der Euskirchener. Brück habe vom Vorstand die Aufgabe erhalten, sich um die Aufnahme von Neumitgliedern zu kümmern. "Die Vertrauensposition hat er bei der Aufnahme von Neumitgliedern, die wir in der letzten Zeit ja vermehrt hatten, nach unserer Bewertung missbraucht, indem er die Mitglieder an sich gebunden hat."

Dabei habe Brück seine "offene kommunikative und durchaus freundliche Art geholfen". Erst spät hätten die Mitglieder Brücks Vorgehen richtig einschätzen können – aber nicht zu spät. Bei der Nachwahl der Delegierten für die NRW-Listenaufstellung habe er nur noch einen hinteren Platz erhalten und sei in Marl nur als Besucher anwesend gewesen.

AfD-Vorstandsmitglied wirft Achim Brück Vertrauensbruch vor – der weist das zurück

Hatte Brück seinen Coup also mit langer Hand vorbereitet? Der 67-Jährige weist diesen Vorwurf zurück. "Ich bin in der Versammlung vorgeschlagen worden, so muss man das sagen", reagiert Brück, als ihn die Redaktion mit den Vorhaltungen konfrontiert.

Auch den Vorwurf des Vertrauensbruchs lässt er nicht gelten: "In einer demokratischen Partei ist es eine ganz normale Sache, sich zu einer Wahl zu stellen." Das habe auch nichts mit einer Position in der Partei zu tun, so Brück: "Entweder man wird von den Mitgliedern gewählt oder man wird nicht gewählt."

Da er in der Versammlung vorgeschlagen worden sei, habe er Lucassen nicht vorwarnen können. Zur Anfechtung der Wahl und der Ansetzung einer Neuwahl erklärte Brück: "Der Bezirksvorstand hat zwar gesagt, dass die Wahl nicht rechtmäßig gelaufen sei, es gibt aber noch keine vernünftige schriftliche Begründung."

Die haben mich von allem isoliert, weil nicht der bei der Wahl nach vorne gekommen ist, den sie gerne hätten. Ich bin ja jetzt der böse Verräter für die.

Achim Brück, Beisitzer im AfD-Kreisvorstand Euskirchen

Unterdessen ist Brück weiterhin gewählter Beisitzer im AfD-Kreisvorstand – zumindest offiziell. "Die haben mich von allem isoliert, weil nicht der bei der Wahl nach vorne gekommen ist, den sie gerne hätten", erklärt Brück: "Ich bin ja jetzt der böse Verräter für die." Er bezweifelt auch, dass die Anfechtung des Mitglieds, das den Versammlungsort nach eigenem Bekunden nicht gefunden habe und selbst hätte kandidieren wollen, evident ist.

Lucassen freut sich indessen nach eigenem Bekunden über seinen Listenplatz bei der bevorstehenden Bundestagswahl. Die Wahl in Marl bestärke ihn, "meinen politischen Weg der Klarheit und Gradlinigkeit fortzusetzen".

Um den Listenplatz 5 waren drei Bewerber ins Rennen gegangen, wie Lucassen mitteilte. "In der ersten Abstimmung erhielt kein Kandidat das nötige Quorum von 244 Stimmen. In der Stichwahl gegen Stefan Keuter setzte ich mich dann mit 249 zu 236 Stimmen gegen Keuter durch." Keuter ist Bundestagskollege von Lucassen und kam schließlich auf Platz 12.

Frank Poll zurückgetreten: AfD im Kreis Euskirchen braucht neuen Chef

Frank Poll hat den Vorsitz des Kreisverbandes der AfD abgegebenFrank Poll (Foto) ist nicht mehr Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Euskirchen. Das bestätigten der derzeit Zweite Vorsitzende des Kreisverbandes, Josef Burkart, und der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen auf Anfrage dieser Zeitung.

Eine Anfrage der Redaktion an Poll, der seine Mandate im Kreistag und im Kaller Gemeinderat bereits im vergangenen Herbst aus beruflichen Gründen abgegeben hatte, blieb von diesem wie bereits mehrfach in der Legislaturperiode unbeantwortet.

"Frank Poll hat sich nach vielen Jahren der verdienstvollen Arbeit für unsere Partei dazu entschlossen, sich künftig auf seine geschäftlichen Verpflichtungen zu konzentrieren", sagte Lucassen. Burkart erklärte, dass in absehbarer Zeit ein neuer Kreisverbandssprecher, wie der Vorsitzende des Kreisverbandes offiziell genannt wird, gewählt werde. Auf die Frage, ob er selbst kandidiere, sagte Burkart: "Mal sehen".

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Auch Lucassen will noch nicht sagen, ob er die Nachfolge Polls antreten möchte. "Die Wahl eines neuen Kreisvorstands wird in den kommenden Wochen in aller Ruhe vorbereitet. Personaldebatten gibt es bis jetzt noch nicht. Die Wahl liegt am Ende in den Händen der Parteimitglieder des Kreisverbands Euskirchen", erklärte der MdB.   © Kölner Stadt-Anzeiger

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