Mit der Änderung des Zulassungsbescheid zur Erweiterung der Kiesgrube Forster Feld bewegen sich die Chancen für eine Waldvernetzung dort gegen null.

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So sehen es zumindest die Vertreter von "Buirer fuir Buir". Sie finden in einer Pressemitteilung deutliche Worte: Die "Waldvernetzung Hambacher Wald mit Steinheide wird zur Utopie." Die Bezirksregierung Arnsberg als Entscheidungsträgerin sieht das allerdings anders, ebenso der Kiesgrubenbetreiber.

Grüne und BUND zeigen sich enttäuscht

Erst wenige Monate zuvor hatte der Braunkohleausschuss Köln beschlossen, RWE dürfe die "Manheimer Bucht" zur Kiesgewinnung für den Rückbau des Tagebaus ausheben. Aktivisten besetzen daher bereits das "Sündenwäldchen", das sich auf dem Gelände der Manheimer Bucht befindet. Zwar hat die Saison für Rodungen kürzlich begonnen, RWE hat laut Sprecher Guido Steffen aber "im Moment" noch nicht vor, das Wäldchen zu roden.

Auch der BUND und die Kerpener Grünen-Fraktion sind unzufrieden mit der Entscheidung. Eine zusätzliche Fläche von 13,6 Hektar darf der zufolge nun durch die Firma Schüssler ausgekiest werden. Der entsprechende Zulassungsbescheid liegt der Redaktion vor.

Darstellung im Regionalplan sei eine "Farce"

Die Grünen-Fraktion Kerpen legte neben einer Pressemitteilung auch einen Antrag für den kommenden Planungsausschuss am Donnerstag, 7. November sowie für die Ratssitzung am Dienstag, 3. Dezember, beide 17 Uhr, vor. Die Fraktion beklagt, dass die, wie in der Leitentscheidung geforderte Biotopvernetzung zwischen Hambacher Forst und dem naheliegenden Wald Steinheide, im aktuellen Regionalplan nicht mehr erkennbar sei.

Im Antrag fordert die Fraktion die Stadt auf, eine Grünvernetzung auch vor der Rekultivierung der beiden Kiesgruben zu beantragen. Die vorgesehene Fläche zur Vernetzung der Wälder sei nicht ausreichend, um für einen Austausch der Arten zu sorgen. Die Grünen bezeichnen die Darstellung im Plan des Areals als "Farce".

Vorgaben aus Leitentscheidung seien nicht mehr umsetzbar

In einer Pressemitteilung erinnern die Grünen-Landtagsabgeordnete Antje Grothus, Annika Effertz, Grünen-Kandidatin für die Bürgermeisterwahl in Kerpen sowie Yvonne Zimmermann, Kerpener Grünen-Ratsmitglied: Die Waldvernetzung sei im NRW-Koalitionsvertrag sowie in der Leitentscheidung festgelegt.

Grothus betont: "Da sich die Betreiberfirma Schüssler in der Vergangenheit nicht immer an alle Regeln gehalten hat, sollte die Bergbehörde hier in Zukunft besonders engmaschig kontrollieren."

Die Firma Schüssler äußerte sich auf Anfrage: "Die Grube bietet im Rahmen der Wiederherstellung die besten Möglichkeiten für Wald- und Biotopvernetzungen."

"Der kleine Wald des ehemaligen Friedhofs von Alt-Manheim dient dabei als ein Trittstein für die Vernetzung und die Bäume am Straßenrand der K 53 als zusätzliche Leitstruktur", sagt der Betreiber Franz Josef Schüssler.

Weiter sagt er: "Da die Pflanzen noch etwas wachsen müssen, um dem Ziel der Vernetzung zu genügen, wird bereits in der nächsten Pflanzperiode, das heißt im Herbst 2024/Frühjahr 2025 mit den Anpflanzungen begonnen." Zuvor seien im Rahmen vorbereiteter Maßnahmen noch große Erdarbeiten durchzuführen.

Bezüglich der Aussagen der Leitentscheidung zu diesem Bereich hat die Landesregierung versagt.

Jutta Schnütgen-Weber, BUND

Der BUND Kerpen sieht vor allem die Landespolitik in der Verantwortung. "Was nutzen vollmundige Aussagen zur Waldvernetzung wie in der Leitentscheidung der Landesregierung, was nutzen schöne Politikerfotos vor Ort mit markigen Forderungen, wenn dieselbe Politik nicht die Macht oder nicht den Willen hat, die Vernetzung auch gegen ökonomische Widerstände durchzusetzen?", so Jutta Schnütgen-Weber, Sprecherin der BUND Ortsgruppe Kerpen: "Bezüglich der Aussagen der Leitentscheidung zu diesem Bereich hat die Landesregierung versagt."

Auch die Initiative Buirer fuir Buir positioniert sich in einer Pressemitteilung: "Eine Waldvernetzung, wie vom Land NRW gefordert und von den Kommunen ausdrücklich gewünscht, ist faktisch nicht mehr möglich."

Bezirksregierung hält Waldvernetzung weiter für möglich

Andreas Büttgen, Sprecher der Initiative, sagt dazu: "Wieder einmal werden die Menschen und die Natur am Tagebau von Politik und Verwaltung im Stich gelassen. Was zählt, ist der größtmögliche Profit des Kohlekonzerns und eines Kiesgrubenbetreibers, nicht aber die Schutzfunktion von Wäldern für Menschen und Mitwelt."

Auf die Kritik erwidert Peter Hogrebe von der Bezirksregierung, der zuständigen Bergbehörde: "Im Rahmen des Antragsverfahrens wurden alle Träger öffentlicher Belange beteiligt und um Stellungnahme gebeten." Dabei habe sich ergeben, dass dem Vorhaben keine öffentlichen Interessen entgegenstünden.

Bei der Entscheidung sei die Behörde nicht nur verpflichtet, die Interessen von "lokal betroffenen Gruppen" zu berücksichtigen, "sondern auch die Versorgungssicherheit der Bevölkerung in der Region mit Rohstoffen."

Entscheidung sei nicht nachvollziehbar

Weiter heißt es von der Bergbehörde: "Ein großer Teil der im Tagebau Forster Feld gewonnen Rohstoffe wird vor Ort in einem Transportbetonwerk für die Baustoffindustrie weiterverarbeitet." Das Unternehmen beliefere auch den Bau der Leverkusener Brücke oder der Kölner U-Bahn.

Die Stadt Kerpen betont auf Anfrage, dass sie zu ihrer bisherigen Stellungnahme stehe. Die Entscheidung der Genehmigungsbehörde sei "nicht nachvollziehbar". Die Stadt verweist auf den politischen Konsens der Fraktionen im Umweltausschuss, dass eine Erweiterung der Abgrabung Forster Feld den Zielen der Leitentscheidung entgegenstehe.

Alle Voraussetzung für die Genehmigung erfüllt

Peter Hogrebe verteidigt sich: Die Bergbehörde entscheide über die Zulassung auf Grundlage des Bundesberggesetzes (BBergG). Dort sei im Paragraph 55 aufgeführt: "Die Zulassung eines Betriebsplanes im Sinne des Paragraphen 52 ist zu erteilen, wenn […]". Das bedeutet ihm zufolge, "dass es sich um eine gebundene Entscheidung handelt, das heißt wenn alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, ist ein Vorhaben durch die Bergbehörde zu genehmigen." Das sei hier der Fall gewesen.

Aus Hogrebes Sicht lässt sich die Leitentscheidung nach wie vor realisieren: "In diesem konkreten Fall kann die Leitentscheidung durch die zweckdienlich angepasste Rekultivierungsplanung des vorliegenden Abgrabungsvorhabens (dies insbesondere aufgrund der bestehenden Vorprägung, der faktischen Nutzungen und der räumlichen Lage dieser Engstelle) umgesetzt werden."

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Er sehe in der aktuellen Planung sogar eine Verbesserung, so Hogrebe: "Der 2013 genehmigte Wiedernutzbarmachungsplan für den Tagebau Forster Feld basierte auf Planungen, die zu einem Zeitpunkt aufgestellt wurden, als davon auszugehen war, dass der Tagebau Forster Feld vollständig vom Tagebau Hambach überbaggert wird. Diese alte Planung konnte somit noch nicht dem Leitziel der Biotopvernetzung entsprechen. Die mit dem Erweiterungsvorhaben nun genehmigte Wiedernutzbarmachungsplanung stellt somit eine substanzielle Verbesserung dar im Hinblick auf die Waldvernetzung."  © Kölner Stadt-Anzeiger

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