Erfurt - Weniger Homeoffice, weniger Teilzeit, weniger Geld im Krankheitsfall: Mit einem Brandbrief fordert der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt, Dieter Bauhaus, mehr Leistungsbereitschaft.
Nicht die Innovationskraft, sondern die gesellschaftliche Bereitschaft, sich anzustrengen und Verantwortung zu übernehmen, entscheide über den wirtschaftlichen Erfolg des Landes, schreibt Bauhaus in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorab vorliegt.
"Meines Erachtens ist die Vorstellung von einer „anstrengungslosen Gesellschaft“, in dem Wohlstand durch geringe eigene Anstrengung oder übermäßige staatliche Fürsorge generiert wird, eine gefährliche Illusion", so der 71-jährige Kammerpräsident. Er warnt vor einer Abwärtsspirale und Wohlstandsverlusten. Künftige Generationen müssten so mit einer anderen medizinischen Versorgung, niedrigeren Renten oder weniger Urlaub rechnen.
Diese Forderungen stehen in dem Brief
- Krankentage: Hier plädiert er nicht nur für weniger Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Sondern auch für Eigenanteile der Versicherten bei Krankenkosten. Die telefonische Krankschreibung gehöre abgeschafft.
- Teilzeit: Die werde nicht nur für Kinderbetreuung und Pflege genutzt, sondern diene der Work-Life-Balance, meint Bauhaus. "Solange trotz Teilzeit mehrere Auslandsurlaube pro Jahr möglich sind, vielleicht dazu noch eine Kur, scheint ja alles in Ordnung zu sein."
- Homeoffice: Großzügige Homeoffice-Regelungen sollten aus seiner Sicht deutlich eingeschränkt werden.
- Schwangerschaft solle nicht als Phase gesehen werden, in der leichte Bürotätigkeiten immer öfter mit einem Beschäftigungsverbot verbunden sein müsse, wenn das medizinisch nicht nötig sei, so Bauhaus. Er wolle sich keine Zeit vorstellen, "wo es mal heißt, dass früher die Frauen noch gearbeitet haben, wenn sie schwanger waren".
Linke: Arbeitswelt aus dem 19. Jahrhundert
Scharfe Kritik an dem Schreiben kommt von der Linksfraktion im Thüringer Landtag. Bauhaus habe den Bezug zur Lebensrealität von Millionen arbeitender Menschen verloren und wolle offenbar eine Arbeitswelt aus dem 19. Jahrhundert zurück, sagt die arbeitspolitische Sprecherin Lena Saniye Güngör. "Wer ernsthaft fordert, dass Schwangere bis zum Umfallen arbeiten und kranke Beschäftigte sich ins Büro schleppen, verabschiedet sich von fairen Arbeitsbedingungen und jeglichem Respekt vor den Beschäftigten."
Bundesweite Aktionen für Wettbewerbsfähigkeit
Bundesweit beteiligen sich heute etliche Verbände und Unternehmen an Aktionen für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit. Aufgerufen dazu hatte die arbeitgebernahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). In Berlin ist eine Kundgebung geplant. Die IHK beteiligt sich nach Angaben eines Sprechers nicht an den Aktionen - der Verband der Wirtschaft Thüringens hingegen schon. Dessen Hauptgeschäftsführer Matthias Kreft nannte die Lage "höchst dramatisch". Nach der Wahl brauche es eine Wirtschaftswende, forderte er.
Wirtschaftsministerin Colette Boos-John (CDU) sagte, der Aktionstag zeige, "dass das Fass am Überlaufen ist". Thüringen mit seinem hohen Industrieanteil sei besonders betroffen, wenn es bei überregionalen Kunden nicht rund laufe. Sie mahnte zudem: "Was verteilt werden soll, muss vorher auch erwirtschaftet werden. Wir können nicht dauerhaft von der Substanz leben." © Deutsche Presse-Agentur
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