Erfurt - Die Entwicklung der Geburtenzahlen in Thüringen seit 2017 ist nach Einschätzung des Präsidenten des Landesamtes für Statistik, Holger Poppenhäger, dramatisch.

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Die Zahl der Babys sei allein im vergangenen Jahr um mehr als acht Prozent auf etwa 12.900 gesunken. Das sei die niedrigste Zahl an Neugeborenen in den vergangenen 30 Jahren.

Es gebe eine Art Trend zur Ein-Kind-Familie. Weil Frauen Kinder immer später bekämen, sei die Bereitschaft zum zweiten oder dritten Kind geringer als in der Vergangenheit. Im Schnitt bekomme jede Frau im entsprechenden Alter derzeit nur noch 1,3 Kinder. Um die Bevölkerungszahl zumindest konstant zu halten, wären rein rechnerisch im Schnitt 2,1 Kinder nötig. Derzeit leben im Freistaat und 2,1 Millionen Menschen. Thüringen wird in den nächsten Jahrzehnten ein drastischer Einwohnerschwund prognostiziert - gleichzeitig wird die Bevölkerung älter.

Poppenhäger sprach von einer regelrechten Geburtenarmut im Freistaat. "Ich sehe nicht, dass dieses Kernproblem ausreichend in der Politik eine Rolle spielt." Der Präsident des Landesamtes vertrat die Ansicht, dass Familien mit zwei und mehr Kindern eine massive Unterstützung erhalten sollten. "Ich halte das für ein Gebot der Stunde."

Bisherige Rekordgeburtenzahl 2017

Nach den Erhebungen der Statistiker lag der bisherige Tiefpunkt bei den Geburten im Freistaat nach der Wiedervereinigung im Jahr 1994 mit rund 13.000. Grund dafür war vor allem die Abwanderung von jungen Menschen, besonders von Frauen auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive. "Abwanderung und sinkende Geburtenzahlen beschleunigten die demografische Alterung der Bevölkerung", sagte Poppenhäger.

Ein Zwischenhoch habe es im Jahr 2017 mit mehr als 18.000 Babys gegeben. Nicht nur, aber auch durch die Kinder von Migranten. Inzwischen sinke aber auch die Kinderzahl von Frauen mit ausländischer Herkunft, sagte Poppenhäger. Die Durchschnittszahl der Kinder pro Frau mit Migrationshintergrund gehe inzwischen in Richtung von 1,6 "und passt sich den deutschen Verhältnissen immer mehr an".

Abwanderung in andere Bundesländer

Im vergangenen Jahr habe es rund 18.200 mehr Sterbefälle als Geburten in Thüringen gegeben. 68.000 Menschen zogen nach Thüringen, 54.00 verließen Thüringen und gingen in andere Bundesländer oder ins Ausland. Das Plus von rund 14.000 Einwohnern sei ausschließlich durch Menschen aus dem Ausland zustande gekommen, so Poppenhäger. Durch die Wanderung innerhalb Deutschlands habe Thüringen immer noch mehr als 3.000 Menschen verloren. Deshalb gehe es darum, Thüringen für Menschen aus anderen Bundesländern attraktiver zu machen. "Das kann Politik leisten", sagte Poppenhäger, der auch SPD-Innenminister war.

Thüringen gehört nach Prognosen in den nächsten Jahren zu den Bundesländern mit dem stärksten Bevölkerungsschwund. Die Zahl der Einwohner im Freistaat wird sich nach der Bevölkerungsvorausberechnung bis zum Jahr 2024 auf rund 1,9 Millionen verringern. Diese Entwicklung wird für alle Kreise und kreisfreien Städte mit Ausnahme von Weimar, Erfurt und Jena prognostiziert. Der größte Einwohnerverlust von 28,2 Prozent wird in diesem Zeitraum Suhl vorausgesagt.  © Deutsche Presse-Agentur

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