• Früher fuhr Timo Glock selber in der Formel 1, heute begleitet er die Saison als Experte von Sky.
  • Im Interview mit unserer Redaktion spricht Glock über den bevorstehenden Saisonstart in Bahrain (Sonntag, live auf Sky) und die Perspektiven von Nico Hülkenberg sowie Mick Schumacher.
  • Außerdem verrät Glock, warum der Motorsport in Deutschland in einer Krise steckt und was die Klima-Debatte damit zu tun hat.
Ein Interview

Herr Glock, Mick Schumacher hat für die bevorstehende Saison kein Cockpit in der Formel 1 bekommen und ist nun Ersatzfahrer bei Mercedes. Welche Perspektive hat er dort?

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Ich denke, es ist für seine Entwicklung ein guter Schritt, mit einem Team wie Mercedes und den erfahrenen Piloten Lewis Hamilton sowie George Russell zusammenzuarbeiten. Es könnte sogar passieren, dass einer der beiden Fahrer ausfällt und Mick dadurch in einem guten Auto zum Einsatz kommt. Die entscheidende Frage ist allerdings, was dann im Jahr darauf passieren wird.

Der frühere Formel-1-Boss Bernie Ecclestone hat in einem Interview mit der "Sport Bild" gesagt, dass Mick bei einem guten Team Stammfahrer wäre, wenn sein Vater Michael Schumacher ihn als Berater betreuen könnte. Stimmen Sie ihm zu?

Das ist natürlich leicht daher gesagt. Sicherlich würde es helfen, einen Michael Schumacher an seiner Seite zu haben. Die Frage ist aber immer, welche Möglichkeiten und Chancen es gibt.

Dann lassen Sie uns über die zukünftigen Möglichkeiten für Mick Schumacher sprechen. Könnte der zukünftige Einstieg von Audi in die Formel 1 für ihn eine Chance sein?

Das ist auf jeden Fall eine Option. Audi wird mit Sicherheit darüber nachdenken. Ein deutscher Fahrer in einem deutschen Auto wäre aus Marketing-Sicht sicherlich interessant. Es dauert zwar noch ein paar Jahre, bis Audi voll einsteigt. Aber bereits im nächsten Jahr könnte ein Cockpit in dem Team Alfa Romeo bzw. Sauber frei werden. Der Vertrag mit Guanyu Zhou endet, soweit ich weiß, nach dieser Saison. Aber erst nach der Hälfte der Saison lässt sich darüber spekulieren, in welchem Team ein Cockpit frei werden könnte.

Der einzige deutsche Fahrer in der Formel 1 ist aktuell Nico Hülkenberg, der die Nachfolge von Schumacher im Haas antritt. Der 35-Jährige bringt die Erfahrung aus 181 Grand Prix mit, kam in den vergangenen drei Jahren allerdings nur als Ersatzfahrer zum Einsatz. Wie schätzen Sie seine Aussicht ein?

Er hinterließ in den Testfahrten einen guten Eindruck und hat sich im Auto offenbar wohlgefühlt. Er hat bei seinen Einsätzen als Ersatzfahrer bewiesen, dass er auf Anhieb schnell sein kann. Ich denke, das wird ihm erneut gut gelingen. Die Frage ist allerdings, wie schnell das Auto ist. Das lässt sich schwer voraussehen. Ich denke, dass hinter Red Bull, Ferrari und Mercedes vielleicht Aston Martin mit Fernando Alonso "the best of the rest" sein könnte. Dahinter ist alles sehr eng und lässt sich schwer voraussehen.

Max Verstappen gewann in den vergangenen beiden Jahren die Weltmeisterschaft und hat vor allem in der vergangenen Saison dominiert. Rechnen Sie mit einem weiteren WM-Titel für den Red-Bull-Piloten?

Ja, Max Verstappen ist mit dem Red Bull sehr, sehr gut aufgestellt. Er ist für mich der klare Favorit. Hinter Red Bull schätze ich Ferrari noch einen Tick schneller ein als Mercedes. Allerdings hat Mercedes bereits in der vergangenen Saison bewiesen, wie gut sie sich nach einem schlechten Saisonstart entwickeln können. Es wird spannend, wer sich hinter Red Bull einsortiert. Am schönsten wäre natürlich ein Dreikampf.

Gehört Max Verstappen vom fahrerischen Können bereits in eine ähnliche Kategorie wie Michael Schumacher, Lewis Hamilton oder Ayrton Senna?

Die Leistungen von Max Verstappen waren sehr beeindruckend. Seitdem er die ersten Meter in der Formel 1 gefahren ist, ist er sehr schnell. Trotzdem ist es schwierig, ihn mit Fahrern aus der Vergangenheit zu vergleichen. Schumacher und Senna sind zu einer anderen Zeit gefahren und hatten andere Voraussetzungen. Momentan ist Verstappen der kompletteste Fahrer. Aber er hat eben auch ein sehr gutes Auto. Auch Lewis Hamilton war über viele Jahre dominierend, weil er ein Paket hatte, das gut funktionierte. So war es auch bei Michael Schumacher, der sogar ein Team um sich herum aufgebaut hat. Die besondere Fähigkeit von Ausnahmeathleten liegt darin, dass sie in jedem Rennen das Maximum aus ihrem Auto herausholen. Die genannten Fahrer waren dazu in der Lage.

Die Formel 1 erlebt weltweit einen Boom und erfreut sich zum Beispiel auch in Nordamerika oder Asien einer großen Beliebtheit. In Deutschland sieht die Situation schwieriger aus. Zwar sind die Einschaltquoten bei "Sky" ordentlich, dafür aber gibt es erneut kein Rennen in Deutschland, kaum Präsenz im Free-TV und in Hülkenberg lediglich einen Fahrer, der nicht so klangvoll ist wie Vettel oder Schumacher. Fürchten Sie, dass der Formel 1 in Deutschland ein ähnliches Schicksal droht wie Boxen oder Tennis?

Diese Sorge habe ich schon seit einigen Jahren. Wir hatten zu meiner Zeit einmal sieben deutsche Formel-1-Fahrer. Der Deutschland-Grand-Prix hat geboomt und war immer ausverkauft. Jetzt haben wir nur noch einen aktiven Fahrer und Schumacher als Reservefahrer. Es kommen keine jungen Fahrer nach, weil die Nachwuchsförderung in Deutschland zusammengebrochen ist. Zu meiner Zeit gab es ganz andere Möglichkeiten und mit der Formel 3 eine gute Plattform in Deutschland. Sämtliche große Namen, von Lewis Hamilton bis Nico Rosberg, sind die deutsche Formel 3 durchlaufen. Der Motorsport existiert in Deutschland momentan nicht wirklich. Das stimmt mich und viele meiner Kollegen nachdenklich.

Sehen Sie einen Zusammenhang zu der Klima-Debatte und der geplanten Abschaffung der Verbrenner-Motoren?

Ja, natürlich. Keiner möchte sich mehr mit dem Motorsport schmücken. Sponsoren und Partner lassen sich kaum noch gewinnen. Heutzutage muss man gefühlt Angst haben, verhaftet zu werden, wenn man irgendwo auf einer Rennstrecke durch die Gegend fährt.

In anderen Ländern ist der Klimaschutz auch ein Thema. Warum ist es in Deutschland dennoch schwieriger als in anderen Ländern?

Ich glaube, dass wir in Deutschland extremer sind. Komischerweise funktionieren Events auf Rennstrecken weiterhin gut und sind oftmals ausverkauft. Die Leidenschaft für den Sport ist vorhanden. Aber man kann das nicht mehr nach außen leben. Man muss sich heutzutage fast schon verstecken, wenn man morgens ein Auto startet, das vielleicht ein bisschen lauter ist als die anderen Fahrzeuge. Das ist bei uns ein Drama. Das ist in anderen Ländern nicht so. Ich bin gespannt, wann sich der erste Klimaaktivist auf eine Rennstrecke klebt. Das wird vermutlich auch noch passieren. Da kann man nur den Kopf schütteln.

Gibt es dennoch einen Aspekt, der aus deutscher Sicht Hoffnung macht?

Was den Nachwuchs betrifft: nein. Momentan sehe ich da überhaupt keine Hoffnung. Bis der ganze Nachwuchs wieder einmal aufgebaut wäre, dürften Jahre vergehen. Und momentan gibt es überhaupt keine Basis dafür. Wo soll der deutsche Nachwuchs gefördert werden, wenn es keine Plattform gibt? Ich hoffe, dass die DTM durch die Übernahme vom ADAC wieder eine bessere Aussicht hat. Aber auch dort ist es schwierig. Als Rennfahrer bekommt man heutzutage nicht mehr die Möglichkeit, mit dem Sport Geld zu verdienen. Man muss Geld mitbringen, damit man fahren darf.

Das heißt, dass Mick Schumacher auf Perspektive unsere einzige Chance aus deutscher Sicht ist?

Ja, momentan ist das so.

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