Der frühere Formel-1-Fahrer Timo Glock begleitet den Motorsport heute als Sky-Experte. Vor dem Saisonstart in Bahrain (Samstag, 16 Uhr, live auf Sky) spricht er im Interview über die Dominanz von Max Verstappen, die Chancen von Nico Hülkenberg, eine mögliche Formel-1-Rückkehr von Mick Schumacher und die Probleme des deutschen Motorsports.
Herr Glock, wer kann
Timo Glock: Das wird für alle Fahrer eine große Herausforderung. Man hat in den Testfahrten erneut gesehen, wie schnell Max Verstappen ist. Red Bull scheint dort weiterzumachen, wo sie im letzten Jahr aufgehört haben. Der Teamkollege, also Sergio Perez, wäre normalerweise der logische Gegner. Aber wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass Verstappen alle seine Teamkollegen immer im Griff hat. Auch Perez konnte wenig gegen ihn ausrichten. Ich denke, das wird so bleiben.
Wer kann sich hinter Red Bull einreihen?
Das ist schwer zu sagen. Momentan sind Ferrari und Mercedes wohl sehr eng beieinander. Auch Aston Martin sah bei den Testfahrten nicht schlecht aus. Insgesamt ist das Feld hinter Red Bull so eng, dass man dies erst nach dem Qualifying am Freitag (17 Uhr, live auf Sky) und dem Rennen am Samstag richtig abschätzen kann.
Neuer WM-Titel für Verstappen?
Wo steht Max Verstappen im Vergleich zu den Formel-1-Legenden wie
Er ist auf dem Weg, einer der besten Formel-1-Fahrer aller Zeiten zu werden. Es ist schwer, die Fahrer aus unterschiedlichen Zeiten miteinander zu vergleichen. Zu Zeiten von Ayrton Senna und später Michael Schumacher war die Formel 1 noch eine andere. Generell aber ist Verstappen jemand, der vom Kartsport über die Formel 3 bis hin zur Formel 1 immer von Anfang an bewiesen hat, dass er ein riesiges Talent ist. Er wurde nun dreimal in Folge Weltmeister, hat die Formel 1 gerade in den letzten zwei Jahren dominiert und macht wenig Fehler. Aber natürlich – das hat man auch bei Lewis Hamilton gesehen – braucht man das richtige Team dafür. Solange Verstappen bei Red Bull das richtige Paket hat, ist er ein Kandidat für mehrere weitere WM-Titel.
Hamilton steht vor seiner letzten Saison bei Mercedes und wechselt 2025 zu Ferrari. Welche Auswirkungen könnte das bereits auf diese Saison haben?
Das wird einen Einfluss haben, weil Mercedes in der Entwicklung mehr auf seinen Teamkollegen George Russell setzen wird. Vermutlich wird Lewis Hamilton auch nicht mehr richtig in die Meetings einbezogen, in der es um die Entwicklung des Autos geht. Ich bin mir sicher, dass Hamilton in seinem letzten Jahr mit Mercedes noch einmal das Maximum herausholen möchte. Ich bin gespannt, ob es vielleicht den einen oder anderen Konflikt geben wird – zum Beispiel, wenn es eine Teamorder gibt, an die sich Hamilton in seinem letzten Jahr nicht groß halten wird.
Hamiltons Wechsel zu Ferrari
Was denken Sie, warum Hamilton zu Ferrari wechselt?
Ich denke, Ferrari hat ihm einfach das bessere Gesamtpaket geboten – auch hinsichtlich der Vertragslaufzeit und dem finanziellen Aspekt. Und nach elf Jahren bei Mercedes ist es für Hamilton ein Traum, zum Ende der Karriere noch einmal bei Ferrari zu fahren.
Der Deutsche
Haas hat relativ früh kommuniziert, dass man mit dem Auto vom Ende der vergangenen Saison in das neue Jahr gehen wird. Der Haas hatte im letzten Jahr große Probleme auf Renndistanz. Ich glaube, man versteht das Auto nun besser. Das macht zumindest ein wenig Hoffnung. Trotzdem wäre man wohl hinten dran, wenn im Verlaufe der Saison kein weiterer Entwicklungsschritt stattfindet.
Bis dahin sitzt Hülkenberg also weiterhin im schlechtesten Auto?
Das kommt darauf an, wie die anderen Teams gearbeitet haben. Alpine sah in den Testfahrten nicht sehr überzeugend aus. Vielleicht kann man die hinter sich lassen. Dennoch wird das erste halbe Jahr für Hülkenberg und Haas eher zäh werden.
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Die Chancen von Mick Schumacher
Wie groß ist die Chance, dass
Sicherlich ist das eine deutsche Wunschvorstellung. Es ist für Mick schwierig, weil er momentan nicht im Umfeld der Formel 1 fährt, sondern in der Langstrecken-WM. Es wäre besser, wenn er sich in der Sichtweise der Formel 1 präsentieren könnte. Aber ich glaube, es kommt 2025 sehr viel Bewegung ins Fahrerfeld, weil viele Verträge in der Formel 1 nach der Saison enden. Bis dahin muss Mick in der Langstrecken-WM überzeugen, außerdem bei Mercedes (Schumacher ist dort Ersatzfahrer, Anm.d.Red.) im Simulator gute Arbeit leisten.
Mit Tim Tramnitz gibt es einen neuen deutschen Nachwuchsfahrer in der Formel 3, zudem auch noch den Deutsch-Dänen Oliver Goethe. Wie groß ist die Chance, dass wir einen der beiden eines Tages in der Formel 1 sehen werden?
Das muss man abwarten und hängt von den Resultaten ab. Tim hat eine gute Ausgangslage, weil er dem Red Bull Nachwuchsprogramm angehört. Red Bull betreibt eine sehr gute Nachwuchsarbeit und versucht, die Talente nach oben zu bringen. Aber es ist auch Fakt, dass man sehr schnell ausgetauscht wird, wenn es nicht gut läuft. Man muss Ergebnisse liefern.
Was wären für Tramnitz als Einsteiger in der Formel 3 gute Resultate?
Es wäre wichtig, in den Top-5 aufzutauchen und immer wieder mal auf dem Podium zu stehen – vielleicht auch ein Rennen zu gewinnen, wenn die Möglichkeit besteht. Das muss das Ziel sein.
Zukunft für Frauen in der Formel 1?
Auch die Deutsche Sophia Flörsch ist in der Formel 3 unterwegs und träumt von der Formel 1. Wie groß schätzen Sie die Chance ein, dass wir überhaupt mal wieder eine Frau in der Formel 1 sehen werden? Die letzte Frau in der Formel 1 war Lella Lombardi in den Jahren zwischen 1974 und 1976…
Wenn es so lange nicht geklappt hat, stellt sich natürlich die Frage, warum es in den kommenden zwei, drei Jahren plötzlich klappen soll. Wenn eine Frau das Talent hat und sich durchsetzen kann, verdient sie ihre Chance. Momentan sehe ich das nicht. Aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen. Es gibt zwar immer wieder die eine oder andere Frau, die bis zu einer gewissen Kategorie gute Resultate einfährt. Aber der letzte Schritt hat immer gefehlt. Warum das so ist, kann ich auch nicht sagen.
Die großen Probleme im deutschen Motorsport sind die fehlende Nachwuchsförderung und die hohen Kosten. Gibt es Ansätze, die Ihnen Hoffnung auf Besserung macht?
Es ist seit Jahren das Hauptproblem, dass die Förderung in Deutschland nicht mehr vorhanden ist. Vielleicht hat man sich darauf ausgeruht, dass wir einmal sieben deutsche Formel-1-Fahrer hatten. Damals wurde das Nachwuchsprogramm der DTM genutzt. Das existiert heute nicht mehr. Die Hersteller in Deutschland haben sich zurückgezogen. Es gibt keinen Formel-1-Grand-Prix mehr in Deutschland. Alle Länder um uns herum bekommen das hin. Dabei hätten wir zwei tolle Rennstrecken, in denen man einen Deutschland Grand Prix austragen könnte.
Den Nürburgring und den Hockenheimring…
Genau, aber leider ist ein Formel-1-Rennen in Deutschland politisch gesehen nicht umsetzbar. Das geht zurück bis in den Nachwuchs, der sich nicht mehr präsentieren kann. Früher war die deutsche Formel 3 mit die stärkste Nachwuchsklasse. Zudem gab es die deutsche Formel 4, die heute gar nicht mehr existiert. Stattdessen gehen die deutschen Fahrer nach Italien und fahren dort bei der Formel 4 mit. Ein wenig Hoffnung macht mir, dass sich ein paar große Namen zusammengetan haben, die mit dem Team Germany Nachwuchsfahrer unterstützen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es braucht Zeit, bis sich das entwickelt.
Was müsste geschehen, damit wieder ein Grand Prix in Deutschland möglich ist? Die Rennstreckenbetreiber vom Hockenheim und Nürburgring beklagen, dass die Antrittsgebühr für die Formel 1 so hoch ist, dass ein Verlust von vielen Millionen Euros droht…
Ein Formel-1-Rennen müsste vom Land gefördert werden. Leider gibt es von politischer Seite keine Unterstützung für einen Deutschland-Grand-Prix, von den Autoherstellern ebenfalls nicht. Und ohne Unterstützung ist es für die Rennstrecken einfach nicht möglich, ein Rennen der Formel 1 auszutragen.
Warum bekommen das viele andere europäischen Länder besser hin? Gibt es dort eine Förderung?
Genau, der Grand Prix in Budapest wird zum Beispiel vom Land gefördert. In Österreich gibt es zudem die Unterstützung von Red Bull. In den Niederlanden gibt es durch Max Verstappen einen riesigen Boom und daher auch Unterstützung. Bei uns ist das politisch nicht umsetzbar. Das ist sehr schade, wenn man bedenkt, was für eine Historie das Automobil und der Motorsport in Deutschland haben. Es ist traurig, das anzuschauen.
Über den Gesprächspartner
- Timo Glock (Jahrgang 1982) absolvierte zwischen den Jahren 2004 und 2012 insgesamt 91 Rennen in der Formel 1 und landete dreimal auf dem Podium – zweimal als Zweiter, einmal als Dritter. Zuletzt war er in der DTM unterwegs. Heute begleitet er die Formel 1 als Experte von dem übertragenden Sender Sky.
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