• 1962, das Jahr nach dem Bau der Berliner Mauer, das Jahr der Kubakrise.
  • Die Welt steht kurz vor einem Atomkrieg - und in Kiel wird Andreas Köpke geboren.
  • Zu dessen 60. Geburtstag schockt einen der besten deutschen Torhüter der Geschichte, was in der Ukraine passiert.
  • Dort erlebt Köpke als Bundestorwarttrainer die EM 2012. Seine letzte WM findet 2018 in Russland statt.
  • Für Wladimir Putins Vorgehen hat er kein Verständnis.

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Das Gespräch zu seinem runden Geburtstag eröffnet Andreas Köpke nachdenklich. Das liegt nicht daran, dass Deutschlands Europameister-Torwart von 1996 an diesem Samstag 60 Jahre alt wird. "Für mich ist 60 nur eine Zahl", sagt er. Nein, es sind die schlimmen Kriegsbilder aus der Ukraine, die Köpke bestürzen und beschäftigen.

Auch in dieser Woche, die er inklusive der Geburtstagsfeier in einem Hotel am Ostseestrand in Kiel verbringen wird, wo er am 12. März 1962 zur Welt kam. "Wir reden jetzt hier über meinen Geburtstag und wie es mir dabei geht", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur und sinniert: "Erst hatten wir Corona fast überstanden. Und jetzt haben wir den Ukraine-Krieg. Das ist unfassbar, dass das in der heutigen Welt noch möglich ist."

Andreas Köpke kennt die Orte des Kriegs in der Ukraine von der EM 2012

Aus der Zeit als Bundestorwarttrainer kennt er einige umkämpfte Orte in der Ukraine von Dienstreisen. Bei der EM 2012 spielte die DFB-Elf in Charkiw und Lwiw. Auch in Kiew gab es im Vorfeld des Turniers ein Länderspiel. "Es macht einen fassungslos. Putin lässt sich nicht aufhalten. Es fehlen einem die Worte", sagt Köpke bedrückt.

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In Zeiten wie diesen weiß er es noch mehr zu schätzen, wie gut es ihm selbst in Nürnberg geht, wie glücklich er mit seinem Leben sein kann. "Ich bin gesundheitlich gut drauf. Ich kann meinen Sport machen. In der Familie ist alles gut", zählt Köpke auf. Und er fragt sich am Ende des sechsten Lebensjahrzehnts: "Wo ist die Zeit geblieben?"

Acht Monate liegt auch schon sein Rückzug beim DFB zurück. Von 2004 bis 2021 trainierte er die besten deutschen Torhüter. Nach dem Achtelfinal-K.o. gegen England bei der EM hörte er gemeinsam mit Bundestrainer Joachim Löw auf. Es war auch ein Akt der Loyalität mit Jogi, seinem Langzeit-Chef und vertrauten Weggefährten.

EM 1996 und EM 2021: Jubel und Trauer im Wembleystadion

Das 0:2 gegen die Engländer markierte am 29. Juni 2021 einen bitteren Schlusspunkt im Wembleystadion. Im alten Wembley hatte Köpke 1996 mit dem EM-Titelgewinn seinen größten Erfolg als Torwart gefeiert. Das abrupte Ende 25 Jahre danach war ein tiefer Einschnitt in seinem Leben. "Nach 17 Jahren mit überwiegend Höhen und einigen Tiefen bin ich froh, erstmal durchschnaufen zu können", sagt er.

Der ständige Druck bei Spielen und Turnieren sei weg. Er ist jetzt ein stiller Beobachter des Neubeginns unter Hansi Flick, der beim WM-Triumph in Brasilien ebenfalls zu Löws Trainerstab gehört hatte. Länderspiele sind für den Torwartcoach a.D. weiterhin so etwas wie Pflichtprogramm. "Ich schaue sie mir an, alleine schon, wenn meine Jungs im Tor stehen, mit denen ich so viel erlebt habe", sagt Köpke.

Seine Jungs? Damit meint er Manuel Neuer, Marc-André ter Stegen, Kevin Trapp und Bernd Leno. Zu ihnen hält er weiter Kontakt. Er ist auch schon gespannt auf die WM in Katar. "Hansi macht das super." Köpke traut Flick Großes zu: "Wenn man gut ins Turnier kommt, wenn man in einen Flow kommt, dann ist sehr vieles möglich."

Mit Jogi Löw würde Andreas Köpke eine neue Aufgabe in Angriff nehmen

In seinem Leben ist derweil "alles ein bisschen ruhiger geworden". Privat hat er konkrete Pläne, beruflich nicht. "Ich bin nicht unbedingt im Wartestand", sagt er. Ein Engagement an der Seite von Löw (62) könnte Köpke womöglich noch mal reizen. Sie stehen weiter in Kontakt. "Der Jogi wird jetzt erstmal nichts machen. Vielleicht zur neuen Saison. Grundsätzlich könnte ich mir mit Jogi schon vorstellen, etwas zu machen", sagt Köpke. Er glaubt nicht, dass Löw "jetzt schon ganz aufhört und gar nichts mehr machen will. Das kann ich mir nicht vorstellen."

Egal, was die Zukunft bringt, erlebt hat Köpke im Fußball ohnehin alles. Er sei "dankbar" für seine Karriere: "Wenn man so lange im Fußballgeschäft sein darf, ist das nicht selbstverständlich. Die Höhen und Tiefen gehören dazu, die Abstiege genauso wie der EM-Titel 1996. 1990 war ich bei der WM dabei, wurde Weltmeister, auch wenn ich nicht gespielt habe. Dann 2014 der WM-Titel als Torwarttrainer. Auch das WM-Aus 2018 in Russland gehört dazu, das fast wie ein Abstieg gewesen ist." Er blicke schon "mit einem gewissen Stolz" zurück.

59 Mal stand Köpke im Tor der Nationalelf. 346 Mal lief er in der Bundesliga auf. Nach dem EM-Titel 1996, an dessen Gewinn er als Nummer 1 großen Anteil hatte, ging Köpke ins Ausland zu Olympique Marseille. Zuvor war ein großer Wechsel zum FC Barcelona geplatzt.

Für den Kieler Köpke wird Nürnberg zur Heimat

Gleich sechsmal ist Köpke in seiner Profi-Karriere abgestiegen, mit verschiedenen Clubs. Sein Verein war und ist der 1. FC Nürnberg. Beim "Club" wurde er zum Nationalspieler. Beim "Club" trat er zum Ende der Karriere sogar noch mal den Gang in die 2. Liga an. Nürnberg ist seine Heimat geworden. Hier lebt er mit seiner zweiten Frau Birgit. Hier leben seine Töchter, hier lebt aktuell auch sein Sohn.

Regelmäßig sitzen die Köpkes im Max-Morlock-Stadion und drücken die Daumen, wenn Pascal unten auf dem Rasen steht. Nach einer schweren Knieverletzung kann Köpke junior wieder Tore schießen, so wie beim jüngsten 2:1 gegen den HSV. "Ich fiebere da mit wie verrückt", verrät Köpke. Natürlich insbesondere mit Pascal, aber auch mit dem "Club", der nun "wieder mittendrin" sei im Zweitliga-Aufstiegsrennen.

Seinen 60. aber feiert Köpke oben in Kiel, wo zwei Brüder mit ihren Familien leben. Und wo sein Vater und seine Mutter, beide 84, zuhause sind. "Ich wollte meine Eltern dabei haben", sagt Köpke. Familie ist wichtig, gerade in diesen Zeiten, wo viele Familien in der Ukraine auseinandergerissen werden, um ihr Leben und ihre Zukunft bangen. (dpa/hau)

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