Der FC Bayern stürmt mit einer furiosen Rückserie zum erneuten Meistertitel. Dabei war der Rekordmeister in dieser Saison so angreifbar wie lange nicht. Für die Bundesliga ist das ein Problem. Warum schafft es die Konkurrenz nicht, näher an die Bayern heranzurücken? Liegt alles nur am Geld? Mit Sicherheit nicht nur. Die Bundesliga und ihre Clubs müssen sich grundlegend hinterfragen.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Dieses Mal wird alles anders. Dieses Mal werden die Bayern nicht am Ende jubeln. Da waren sich viele sicher im Spätherbst des Jahres 2019. Nach dem 14. Spieltag der Hinrunde war der FC Bayern Siebter in der Tabelle. Nach einer schweren Krise unter Niko Kovac mit einem 1:5 gegen Eintracht Frankfurt als negativem Höhepunkt war auch der Start unter Flick etwas holprig. Sieben Punkte betrug der Rückstand auf Tabellenführer Borussia Mönchengladbach und sechs Punkte auf RB Leipzig. Sogar der SC Freiburg stand zu diesem Zeitpunkt vor den Münchnern in der Tabelle.

Mehr News zur Bundesliga

Am Ende kam es doch wie immer in den letzten acht Jahren. Die Münchner jubeln und die Kommentatoren beklagen den ungleichen Wettbewerb in der Bundesliga, der keinen echten Meisterkampf mehr zulasse. Das ist sicher ein gewichtiger Teil der Wahrheit, aber noch lange kein hinreichender Grund für acht Meisterschaften in Folge.

Die Fehler der Bayern-Konkurrenz

"Wenn der FC Bayern schwächelt, müssen wir da sein". Diese Phrase wird von der Münchner Konkurrenz seit Jahren vor sich hergetragen. Und sie stimmt. Der Hinweis, dass es bei wohl wieder mehr als 80 Punkten der Münchner ohnehin schwer geworden wäre Meister zu werden, greift zu kurz. Der Moment, als die Münchner Ende 2019 weit weg waren von der Tabellenspitze, war ein entscheidender Moment um sich abzusetzen. Man hat es bei den Dortmunder Meisterschaften 2011 und 2012 gesehen, dass auch der FC Bayern irgendwann das Interesse an der Bundesliga verliert und ins Schwanken gerät, wenn der Abstand erst einmal zu groß ist.

Doch alle Meisterkandidaten nahmen sich selbst ihre Auszeiten und brachten die Münchner so schnell wieder in die Nähe der Tabellenspitze. Mönchengladbach patzte gegen Union Berlin und Schalke. Dortmund gegen Paderborn und Hoffenheim. Und Leipzig gegen Frankfurt. So waren die Bayern schnell wieder dran, später vorbei – und spätestens nach dem Restart der Liga ohne Doppelbelastung in der Champions League nicht mehr aufzuhalten. Chance vertan. Mal wieder.

Gleichgültigkeit der Bundesliga-Vereine verwundert

Gleichzeitig ist es immer wieder auffällig, wie schulterzuckend, beinahe gleichgültig die Konkurrenz die Serie des Rekordmeisters zur Kenntnis nimmt. Zumindest muss man als Beobachter diesen Eindruck gewinnen. Wo bleibt der Anspruch der Münchner Konkurrenz, den Branchenprimus vom Thron zu stoßen?

Wer kann einen Fußball entwickeln, der dem FC Bayern als Kollektiv die Stärken nimmt, selbst wenn der Kader individuell nicht mit den Münchnern mithalten kann? Zuletzt gelang das Jürgen Klopp Anfang des letzten Jahrzehnts.

Zwar trauten sich zu Beginn der Saison zumindest die Dortmunder Verantwortlichen nach einem spektakulären Transfersommer immerhin mal die Meisterschaft als Ziel auszugeben, doch nicht mal der eigene Trainer Lucien Favre schien davon überzeugt wie eine wochenlange mediale Debatte mit viel Zick-Zack in dieser Frage vermuten ließ. Überzeugend war das nicht.

Nagelsmann und RB Leipzig mit Kampfansagen, aber ...

Dabei geht es am Ende nicht mal nur um öffentliche Kampfansagen. Es geht um eine Grundphilosophie, sich nicht mit Platz 2-5 zufrieden zu geben, sondern sich an maximalen Zielen zu orientieren. Matthias Sammer lebt diese Mentalität vor. Doch als Berater ist er in Dortmund recht weit weg von der Mannschaft.

Am ehesten fällt einem deshalb noch Julian Nagelsmann und RB Leipzig ein. Nagelsmann ist ehrgeizig, hat einen hungrigen Kader und die taktischen Fähigkeiten es mit den besten Clubs der Welt aufzunehmen. Leipzig verlor anders als Dortmund nicht gegen den FC Bayern und trotzte dem Meister zwei Unentschieden ab. Das macht Mut, doch ob der Leipziger Kader im kommenden Jahr die gleiche Qualität hat wie in diesem, ist auf Grund der denkbaren Abgänge von Timo Werner und weiteren Leistungsträgern fraglich. Auch hier also: Chance verpasst.

Muss die Liga eingreifen?

Natürlich muss auch die DFL die aktuelle Lage mit Sorge betrachten. Das Produkt Bundesliga leidet, wenn es dauerhaft nur noch einen Meister gibt und immer weniger Vereine überhaupt als Titelkandidaten in Frage kommen oder sich selbst als einer sehen.

Die Lösung kann nicht sein, den FC Bayern dafür zu bestrafen, dass er gute Arbeit macht. Natürlich hat er durch seine finanziellen Möglichkeiten immer einen Startvorsprung. Doch das war in den 2000ern nicht dramatisch anders. Anders ist jedoch, dass die Münchner seit den Demütigungen der Saison 2011/2012 wahnsinnig viel richtig machen. Kluge Transfers - die gar nicht mal so viel Geld kosteten – wie Joshua Kimmich, Serge Gnabry oder Alphonso Davies. Dazu entschlossene Trainerwechsel im richtigen Moment wie in dieser Saison von Kovac zu Flick, der die Mannschaft vor allem taktisch deutlich weiterbrachte.

Bundesliga muss spannend bleiben

Wo also ansetzen? Die Liga profitiert einerseits davon, dass der FC Bayern international eine gewichtige Rolle spielt, gleichzeitig muss die Bundesliga in den kommenden Jahren wieder häufiger spannend werden, um relevant zu bleiben.

Eine knifflige Aufgabe vor allem für die Vereine, aber auch für den Verband. Simple Lösungen sind nicht in Sicht. Kreativität ist gefragt. Sportlich, aber auch in finanziellen Fragen. Die Zeit des hilflosen Schulterzuckens muss jedenfalls spätestens nach der achten Bayern-Meisterschaft in Folge endlich vorbei sein.

Mehr aktuelle News zur Bundesliga finden Sie hier

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.