Dortmunds Remis in Bochum sorgt für die nächste Ernüchterung: Der BVB ist immer noch weit entfernt davon, eine funktionierende Einheit zu bilden. Aber warum ist das so?
Es war natürlich etwas unglücklich, den Anschauungsunterricht nur eine Stunde nach Abpfiff des eigenen Spiels live und in Farbe präsentiert zu bekommen. Wie Bayer Leverkusen im Topspiel am Samstagabend Borussia Mönchengladbach in deren eigenen Stadion in seine Einzelteile zerlegte, war schon sehr beeindruckend - und stand im krassen Kontrast zu dem, was Borussia Dortmund nur kurz zuvor im Ruhrstadion in Bochum abgeliefert hatte.
Der BVB will deutscher Meister werden, zeigte aber auch im zweiten Spiel der Saison die Leistung einer Mittelklasse-Mannschaft. "Wir haben es nicht gut gemacht. Wir haben viele Dinge vermissen lassen. Die Leistung hat einfach nicht ausgereicht", sagte Trainer
Und so verstärkt sich das Gefühl, dass die Borussia den Saisonstart zu verschlafen droht - während andere Mannschaften schon wieder voll unter Strom stehen: Leverkusen, Union Berlin, auch die Bayern, die offenbar langsam ins Rollen kommen. Aber woran liegt das?
Die fehlenden Abläufe
Bochum bearbeitete den BVB mit einer flächendeckenden Manndeckung, suchte so viele Zweikämpfe wie nur möglich, lief aggressiv an und verbiss sich in den Gegner. Alles nicht besonders überraschend, alles vorhersehbar - und vom Trainer vor dem Spiel auch exakt so prophezeit. Nur: Die Borussia hatte darauf kaum eine Antwort.
Die Ausgangslage war völlig klar und die entsprechenden Gegenmittel sollten auf der Hand liegen: Schnelle Ballzirkulation, Freilaufverhalten, Überzahl in Ballnähe schaffen, über Dreiecke rauskombinieren, das Spiel verlagern, Tiefe finden. Nur vereinzelt waren Versatzstücke davon zu erkennen, wusste sich die Mannschaft spielerisch zu befreien.
Im Kollektiv aber passten die einzelnen Elemente schon wieder nicht zusammen. Das war schon gegen Köln zu sehen und setzte sich nun in Bochum nahtlos fort. Dem Dortmunder Spiel fehlt es an Selbstverständlichkeit in den Abläufen, gefühlt denkt jeder Spieler vor der Aktion noch den Bruchteil einer Sekunde darüber nach, wie es gleich weitergehen könnte.
Das reicht in der Bundesliga auch gegen die vermeintlichen Abstiegskandidaten nicht aus, um Spiele in den Griff zu bekommen oder sogar zu dominieren. Es ist Trainerarbeit, daran ganz schnell und fundamental etwas zu ändern.
Die Integration der Neuen
Ein Baustein dabei ist die Integration der neuen oder lange verletzten Spieler in das etwas angepasste Dortmunder Spiel. Besonders im zentralen Mittelfeld geht dem BVB immer noch die notwendige Rollenverteilung ab, fügen sich die Puzzlestücke nicht so recht zusammen.
Felix Nmecha bei seinem Startelf-Debüt,
"Wir haben mehrfach gesagt, dass wir ein paar Spiele brauchen, um uns einzuspielen. Es gab heute aber auch einige Lichtblicke, in Summe sind es zu wenige gewesen. Wir müssen an Abläufen und an Mustern arbeiten, um uns gegen Mannschaften wie heute anders zu wehren", sagte Sportchef Sebastian Kehl laut Vereinswebsite.
Die Verweise auf die frühe Phase der Saison und darauf, dass einige Spieler erst frisch dabei sind oder aber nach Verletzungen wieder zurückgekehrt sind, sind zulässig - aber sie dürfen keine Ausreden sein für die Leistungen in den ersten beiden Spielen der Saison.
Die fehlende Bereitschaft
Bei Ramy Bensebaini und Emre Can war es mehrfach zu sehen, auch Marcel Sabitzer konnte irgendwann nicht mehr an sich halten: Dortmunds Spieler fingen früher oder später an, mit sich und der Gesamtkonstellation zu hadern. Gesten der Ratlosigkeit, Abwinken, das laute Zurechtweise des Mitspielers: Dortmunds Frusttoleranz ist in den ersten Wochen der neuen Saison noch nicht besonders ausgeprägt.
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Kommt dann auch noch ein Gegner dazu, der wie Köln oder Bochum bereit ist, den Kontrahenten permanent zu nerven, entsteht eine gefährliche Mischung. "Wir haben 50:50-Bälle nicht mit der nötigen Intensität bestritten. Wir wussten, was die Bochumer machen würden, wie sie es machen - und trotzdem haben wir nicht gut darauf reagiert", war Kehl besonders mit dem Auftreten in der ersten Halbzeit gar nicht einverstanden.
Und wenn Torhüter Gregor Kobel dann erzählt, dass seine Mannschaft "von der Intensität der Bochumer völlig überrannt" worden sei und "die Gegenwehr gefehlt" habe, erinnert das fatal an längst vergessen geglaubte Zeiten: Als der Mannschaft Probleme mit der Einstellung oder Haltung zum Spiel und Gegner nicht nur nachgesagt, sondern auch nachgewiesen wurden.
Dazu passte auch Julian Brandts offen formulierte Kritik. "Am Ende ist jeder selbst dafür verantwortlich, sich am Anfang der Saison dahin zu arbeiten, dass man auf seinem Peak ist. Dass man in einer guten Verfassung ist, dass man das leistet, wozu man imstande ist. Und da haben wir Moment noch zu wenig von. Und das ist einer der Gründe, dass wir als Mannschaft, als Kollektiv noch nicht da sind, wir wir uns alle - wo ihr uns alle - seht", sagte der im Interview mit "Sport1".
Und weiter: "Es gibt Themen, wo man ganz klar sieht, dass wir uns weiterentwickelt haben. Aber es geht um das Grundsätzliche: Wie bin ich im Spiel? Was mache ich, wenn ich den Ball bekomme? Solche Sachen. Aber ich glaube, da gibt's viele bei uns in der Truppe, oder sind wir alle vor zwei, drei Monaten noch an einem anderen Punkt gewesen. Und da gilt es schleunigst wieder hinzukommen!"
Die gute Nachricht
Der BVB hat nach zwei mäßigen Spielen vier Punkte geholt - es hätten auch nur einer oder null Punkte sein können. Immerhin passt also der Ertrag schon einigermaßen, eine Parallele zur Rückrunde der abgelaufenen Saison.
Der Spielplan sieht am kommenden Freitag ein Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim vor. Ein nächster Außenseiter, den man bei allem Respekt vor dem Gegner und der Dringlichkeit, Siege einzufahren, eher als Startrampe für die notwendigen spielerischen Fortschritte nehmen kann.
Die Ansetzung der DFL meint es gut mit dem BVB, der so nach und nach in die Saison rutschen kann. "Es wird sich alles noch einpendeln, es wird sich alles noch finden", sagt Edin Terzic. Vor den englischen Wochen bleibt zwischen den Spieltagen noch genug Zeit für Inhalte. Nur muss die Mannschaft nun den Ernst der Lage auch erkennen und anfangen, noch intensiver zu arbeiten.
"Was mir extrem wichtig ist: Wir müssen uns das erarbeiten. Wir müssen uns das holen", sagt der Coach. "Das wird uns keiner geben, das wird uns keiner schenken oder servieren. Sondern das müssen wir uns mit harter Arbeit, ganz viel Fleiß und ganz viel Selbstkritik selbst holen!"
Verwendete Quellen:
- kicker.de: Dortmund nach dem 1:1 von Bochum: Brandt-Alarm und Kehl-Kritik
- bvb.de: Sebastian Kehl: "Das war zu wenig!"
- sport1.de: Brandt mit Kritik an Mitspielern
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