Matthijs de Ligt erlebt beim FC Bayern München in der laufenden Saison einen regelrechten Albtraum. Nachdem der Niederländer in der Rückrunde der vergangenen Spielzeit noch durch starke Leistungen einer der wenigen Lichtblicke in der Mannschaft war, ist der eigentliche Abwehrchef unter Trainer Thomas Tuchel mittlerweile zum Bankdrücker abgerutscht. Die Gründe dafür sind fraglich bis mysteriös.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Daniel Kugler sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Mit einem großen Paukenschlag präsentierte der FC Bayern München im Sommer 2022 mit Innenverteidiger Matthijs de Ligt einen echten Top-Spieler für die Defensive und sorgte damit auch bei der Konkurrenz für ein Statement.

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Satte 67 Millionen Euro ließ sich der Rekordmeister die Dienste des Niederländers von Juventus Turin kosten und stattete den 1,89 Meter großen Abwehrspieler mit einem Vertrag bis 2027 aus. Ein kostspieliger Transfer für einen absoluten Wunschspieler, wie der Klub damals verlautbaren ließ.

Eine Ansage und gleichzeitig auch ein Wink an die Konkurrenz in der Mannschaft. Die Bayern wollten einen neuen Leader in der Defensive und haben ihn für teures Geld geholt. Und der Schritt machte durchaus auch Sinn: Denn was den Münchner seit dem Abgang von David Alaba zu Real Madrid gefehlt hatte, war ein klarer defensiver Anführer. Ein Führungsspieler, der in der Viererkette - oder Dreierkette wie zuletzt gegen Bayer Leverkusen - den Ton angibt.

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De Ligt startet stark beim FC Bayern

De Ligt war nach seiner starken Rückrunde in der vergangenen Saison, als er in einer taumelnden Bayern-Mannschaft durch seine Mentalität und Zweikampfstärke noch mit den besten Eindruck hinterließ, eigentlich einer der großen Gewinner. Immer mehr konnte der heute 24-Jährige dabei andeuten, warum die Bayern einst so viel Geld für seine Dienste in die Hand genommen haben. Es wirkte, als würde sich de Ligt unter Trainer Thomas Tuchel zum neuen Abwehrchef aufschwingen – so wie es sich die Klub-Bosse mit dem Transfer auch erhofft hatten.

In der neuen Saison sollte sich das aber ändern. De Ligt verpasste mit einer schwerwiegenderen Wadenverletzung bereits einen Großteil der Vorbereitung und musste dann zu Beginn der Hinrunde wegen des Trainingsrückstands einige Zeit zusehen. Der Niederländer sollte sich zurückkämpfen, aber in der Folge durch weitere Verletzungen bis zum Jahreswechsel insgesamt elf Spiele der Münchner verpassen.

Man sollte meinen, dass Tuchel de Ligt die entsprechende Zeit einräumen würde, bis dieser seine Topform wiederfindet und den Defensivverbund wieder anführen kann. Zur Rückrunde war zu erwarten, dass der Abwehr-Star nach Genesung und Aufbau im Training im neuen Jahr wieder in seine angestammte Rolle zurückkehren sollte.

Wie Tuchel aber seit Jahresbeginn mit dem Niederländer umgeht, kommt einer regelrechten Demontage gleich. Hinter Sommer-Neuzugang Minjae Kim und Dayot Upamecano spielt de Ligt derzeit nur noch die zweite Geige und muss sich immer mehr mit der Bankrolle anfreunden.

Eine Entscheidung, die über die Monate zuvor bereits immer fraglicher wurde, da das neue Innenverteidiger-Duo über die komplette laufende Saison kaum mal über mehr als zwei Spiele in Folge wirklich Sicherheit ausstrahlen konnte. Weder Upamecano noch Kim haben bisher gezeigt, dass sie die Abwehr anführen können. Aber Tuchel hielt an seiner Meinung fest. Und das auch in einer Zeit, in der es für die Münchner um alles geht und man objektiv eigentlich nicht auf de Ligt verzichten kann.

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Tiefpunkt für de Ligt gegen Leverkusen

Das Spitzenspiel am 21. Spieltag bei Tabellenführer Bayer Leverkusen war für den ohnehin schon arg gebeutelten de Ligt der Tiefpunkt seiner bisherigen Saison.

Upamecano war zuvor noch mit einem Muskelfaserriss ausgefallen und erst einige Tage vor dem Spiel zurückgekehrt. Mitstreiter Kim, der noch beim Asien-Cup gespielt hatte, war erst kurz vor der Partie nach München zurückgekehrt. Eigentlich gute Argumente, zumindest einen, wenn nicht beide Spieler, zunächst von der Bank kommen zu lassen. Beide starteten jedoch im Schicksalsspiel für die Münchner.

Damit aber noch nicht genug: Denn Tuchel stellte gegen die offensivstarken Leverkusener überraschend auf eine Dreierkette um. Der Niederländer bekam in diesem System keine Rolle zugeteilt. Stattdessen erhielt sogar der erst im Winter aus London verpflichtete Eric Dier den Vorzug, der durch den dünn besetzten Kader der Bayern in der Defensive und die Abstellungen zur Nationalmannschaft - auch Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui fehlte zum Jahresbeginn - kurzfristig nachverpflichtet wurde. Dier wurde aber vielmehr als Notnagel, denn als große ad-hoc Verstärkung gesehen.

Obwohl der Engländer gerade auch im Zusammenspiel mit de Ligt in seinen ersten Wochen ordentliche Leistungen gezeigt hatte, war die Entscheidung von Tuchel überraschend, den 30-Jährigen direkt über de Ligt einzuordnen und gegen Leverkusen ebenfalls den Vorzug zu geben. Schließlich hatte er bei seinem Ex-Klub Tottenham Hotspur in der Hinrunde kaum Spielpraxis gesammelt.

De Ligt rutscht unter Tuchel immer weiter ab

De Ligt ist innerhalb von knapp einem Jahr vom Kopf der Defensive zur Nummer vier in der Innenverteidigung abgerutscht - und das unter einem Trainer - Thomas Tuchel. Dass er bei der schwachen Leistung gegen Bayer keine einzige Minute zum Einsatz kam, als die Dreierkette Upamecano-Dier-Kim zu jeder Zeit jegliche Souveränität vermissen ließ und sich diverse Böcke leistete, sprach erneut Bände. De Ligt kommentierte seine Nichtberücksichtigung und die Frage, ob er denn in der richtigen Verfassung für einen Einsatz gewesen wäre gegenüber der "Bild“ kurzum mit den Worten: "Topfit!"

Dieser Aussage widersprach Tuchel jedoch einige Tage später. De Ligt hätte mit leichten Rückenbeschwerden zu kämpfen gehabt und hätte deshalb nicht in der Startelf gestanden. Gleichzeitig stellt sich der Trainer aber auch entschieden gegen die Spekulationen, dass er nicht mehr mit dem Niederländer planen würde.

"Ich habe in meinem Büro keine Nummern oder ein Ranking, es gibt keine Nummer 1 oder 4." De Ligt ist laut Tuchel "ein geborener Kämpfer", er habe sich bei Ajax und Juventus durchgesetzt. "Wir zählen auf ihn und brauchen ihn." Was folgte, waren diplomatische Sätze, die man in solch einer prekären Situation aber auch von einem Trainer des Rekordmeisters erwartet. "Auf der Position herrscht ein sehr intensiver Wettkampf. Jeder hat jede Woche die Chance, zu spielen. Das ist eine normale Situation für Bayern München", betonte Tuchel.

Nichtsdestotrotz wird nach den Misserfolgen der vergangenen Wochen das Unverständnis über die Entscheidungen des Trainers immer größer. "Ich war sehr überrascht, dass die Bayern im Spiel der Spiele ausgerechnet auf die Stars mit Bayern-DNA verzichtet haben. Ich an Tuchels Stelle hätte vor allem in Leverkusen auf de Ligt, Kimmich und Müller gesetzt", meinte etwa "Sky"-Experte Lothar Matthäus im Nachtrag der Partie gegen Leverkusen.

Und nicht nur die Experten können die Degradierung des Innenverteidigers nicht nachvollziehen.

Fan-Proteste gegen Tuchel nach Pleite gegen Lazio

Nach der nächsten Pleite im nächsten Top-Spiel, dem 0:1 im Achtelfinale der Champions League bei Lazio Rom, wurde es einigen Anhängern der Münchner zu bunt. Aufgebracht machten sie mit Plakaten ihre Unzufriedenheit über den weiteren Rückschlag deutlich und kritisierten den Trainer für seine Aufstellung nach der x-ten sehr enttäuschenden Leistung der Münchner.

"Mit Tuchel geht nicht", "Tuchel raus – Flick zurück", war dabei zu lesen. Und auch die Aufstellung des 50-Jährigen wurde erneut angeprangert: "Warum spielt De Ligt nicht, der beste Innenverteidiger?" Das Abwehr-Ass, das bei Ajax Amsterdam einst den Durchbruch geschafft hatte, saß auch bei den Römern erneut zunächst auf der Bank. Upamecano und Kim bekamen wiederum den Vorzug, obwohl beide sich ihren Platz in der Startelf mit ihren Leistungen gegen Leverkusen eigentlich nicht verdient hatten.

Erst nach über 70 Minuten kam de Ligt dann noch zu einem Kurzeinsatz, dies aber auch nur, weil Upamecano wenige Minuten zuvor mit Rot vom Platz geflogen war, die Bayern dadurch das spielentscheidende 0:1 vom Elfmeterpunkt kassiert hatten und entsprechend reagieren mussten.

Und so wird es auch in den kommenden Wochen wohl kaum ruhiger werden um die Personalie de Ligt, außer der eigentliche Abwehrchef würde fortan in allen Partien starten. Damit ist nach aktuellem Stand aber nicht zu rechnen.

Verlässt de Ligt den FC Bayern im Sommer?

Folglich könnte es gut sein, dass de Ligt ab Sommer sein Glück woanders suchen könnte. Denn bereits im Winter soll es an Angeboten von Top-Klubs für de Ligt nicht gemangelt haben. Den Bayern hätte im Januar offenbar ein Angebot von Paris Saint-Germain für den Verteidiger vorgelegen, wie die "L’Équipe" und "RMC Sport" übereinstimmend berichteten. Die Münchner hätten jedoch umgehend abgelehnt. Manchester United wurde ebenfalls Interesse nachgesagt.

Es liegt nach den letzten Wochen also nahe, dass mehrere Interessenten im Sommer erneut ihr Glück beim Niederländer versuchen werden. Für de Ligt wird es dann darum gehen, zu eruieren, wo auf ihn kurzfristig und auch perspektivisch die beste Situation für seine Karriere warten würde.

Denn eine weitere Saison wie diese wird seiner Qualität und seinem eigenen Anspruch nicht gerecht. Die Entscheidung dürfte aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch eng mit der Zukunft von Trainer Tuchel bei den Münchnern verknüpft sein.

Verwendete Quellen:

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