Nach schwierigen Monaten glänzt Leon Goretzka beim FC Bayern mit Toren und Führungsstärke. Lob gibt es von allen Seiten, die Zeichen stehen trotzdem auf Abschied.

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Das siebte Jahr einer Beziehung gilt gemeinhin als Bewährungsprobe. In dieser Phase entscheidet sich oft, ob das Fundament stabil genug ist, um Herausforderungen gemeinsam zu überstehen. Im Sommer 2024 schien es, als würde Leon Goretzka das siebte Jahr beim FC Bayern gar nicht mehr erleben. Es schien, als sei die Beziehung nicht mehr zu retten.

Goretzka, Stammspieler in der Sextuple-Saison 2020, war im zentralen Mittelfeld der Bayern plötzlich nur noch die fünfte Wahl. Hinter Joshua Kimmich, Eigengewächs Aleksandar Pavlovic, 50-Millionen-Zugang João Palhinha und Konrad Laimer.

Für das erste Saisonspiel, das Pokalduell in Ulm, strich Trainer Vincent Kompany den Achter sogar ganz aus dem Kader. "Wir haben im Mittelfeld nochmal nachgelegt. Kimmich kommt ins Mittelfeld zurück. Spieler wissen, wenn ihre Situation schwierig sein kann. Das haben wir klar kommuniziert", sagte Sportvorstand Max Eberl damals. Durch die Blume gesagt war das eine klare Wechselempfehlung für Goretzka, der in München zu den Topverdienern gehören soll.

Fünf Monate später sieht die Welt ganz anders aus. Vor allem nach dem vergangenen Wochenende, als Goretzka die Bayern gegen den VfL Wolfsburg mit einem Doppelpack fast im Alleingang zum 3:2-Sieg schoss.

Goretzka zieht Eberl und Kompany auf seine Seite

Der 29-Jährige sei "ein Musterprofi" (Eberl), der "nicht mit Worten, sondern mit den Füßen redet" (Kompany). Der Bayern-Trainer statuierte am einst Ausgemusterten sogar ein Exempel: "Diese Geschichte von Leon ist super für Leon, aber auch gut für unsere Gruppe. Es gibt auch andere Jungs, die in einer Phase sind, wo es nicht so gut läuft."

Nach Abpfiff ging Goretzka laut übereinstimmenden Berichten nicht nur den üblichen Ausgang der Allianz Arena, mied die Mixed Zone. Womöglich ein bewusster Verzicht: Über ihn sollten lieber die anderen reden, angefangen mit dem Kapitän. "Wir haben Leon den Rücken gestärkt und wussten, dass seine Zeit kommen wird", sagte Torwart Manuel Neuer nach dem Spiel. "Er hat immer alles reingehauen, das ist die Belohnung dafür."

Rückblende: 2020 war Goretzka auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Als unermüdlicher Antreiber im Mittelfeld hatte er maßgeblichen Anteil an Bayerns legendärer Sextuple-Saison. Ob als Kopfballspieler, Distanzschütze oder Zweikämpfer – Goretzka war damals unverzichtbar.

Stammspieler beim Sextuple, Bankdrücker unter Tuchel

Zu Beginn der Pandemie war Goretzka im positiven Sinne omnipräsent. Während der Corona-Pause legte er Sonderschichten im heimischen Kraftraum ein, danach präsentierte er ein Muskelpaket wie ein Bodybuilder. Gemeinsam mit Kimmich rief er die Spendenaktion "We Kick Corona" ins Leben, bei der mehr als fünf Millionen Euro für karitative, soziale und medizinische Einrichtungen gesammelt wurden.

Sportlicher Höhepunkt war sicherlich der Champions-League-Triumph in Lissabon, bei dem Goretzka über die volle Distanz zum Einsatz kam.

Doch die Zeit danach war geprägt von Formschwankungen und Verletzungen. Mit dem Abschied von Hansi Flick im Sommer 2021 begann Goretzkas Abstieg. Unter Julian Nagelsmann und später Thomas Tuchel wirkte Goretzka zunehmend wie ein Fremdkörper in der Mannschaft.

Besonders schmerzhaft für ihn war die Degradierung in der Nationalmannschaft: Sein ehemaliger Bayern-Trainer Nagelsmann verzichtete im Jahr der Heim-EM 2024 komplett auf Goretzka. Ein Nackenschlag. Doch statt zu resignieren, nahm der Mittelfeldspieler die Herausforderung an.

Goretzka profitiert vom Ausfall von Palhinha und Pavlovic

Trainer Kompany, der im Sommer die Nachfolge von Tuchel antrat, war zunächst skeptisch, aber beeindruckt von Goretzkas Reaktion. "Leon hat wie ein sehr guter Profi gearbeitet, gezeigt, dass er hungrig ist", sagt Kompany heute lobend im Rückblick auf Goretzkas Zeit als Bankdrücker.

Die Wende kam durch Umstände, die Goretzka nicht kontrollieren konnte: Verletzungen seiner Konkurrenten Pavlovic und Palhinha eröffneten ihm im Herbst 2024 neue Einsatzchancen. Goretzka wusste die Chance zu nutzen. Von den vergangenen acht Bundesliga-Partien spielte er fünf über die kompletten 90 Minuten.

Sein Doppelpack gegen Wolfsburg am vergangenen Samstag war nicht nur spielentscheidend, sondern ein Statement. Der stramme Distanzschuss zum 1:0 und der präzise Kopfball zum 3:1 unterstrichen seine Torgefährlichkeit, die ihn von Bayerns anderen zentralen Mittelfeldspielern unterscheidet.

FC Bayern hat Goretzka-Nachfolger wohl schon an der Angel

Die Geste nach seinem ersten Treffer, bei der er seine Hände hinter die Ohren legte, sprach Bände: "Leute, ich will was hören!"

Trotz seiner wiedergewonnenen Form bleibt Goretzkas Zukunft ungewiss. Sein Vertrag läuft bis 2026, aber der Klub scheint weiterhin offen für einen Verkauf. Tom Bischof heißt der designierte Erbe, der junge Hoffenheimer soll laut Sky im Sommer ablösefrei nach München wechseln.

Ob seine Zukunft in München liegt oder anderswo – Goretzka hat bewiesen, dass er auf dem Platz immer noch den Unterschied machen kann. Vielleicht ist das verflixte siebte Jahr für ihn ja nur der Anfang eines neuen Kapitels.

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