Die Zeichen bei Thomas Tuchel und dem FC Bayern stehen auf Abschied. Angesichts der schwierigen Trainersuche werden nun aber die Stimmen eines möglichen Tuchel-Verbleibs in München lauter. Doch ergibt das überhaupt Sinn? Ein Pro und Contra.
Im Februar gab der FC Bayern die Trennung von
Da stellt sich die Frage: Sollte Tuchel nicht vielleicht doch einfach Trainer in München bleiben? Ein Pro und Contra:
Pro Tuchel-Verbleib: Die Bayern-Bosse müssen zu ihren Fehlern stehen
von Sabrina Schäfer
Zugegeben, Fehler einzugestehen gehört nicht zu den Kernkompetenzen der Bayern-Riege. Aber jetzt wäre es an der Zeit, diesen nicht ganz unwichtigen Soft Skill in den Führungsbaukasten der Entscheider dieses wankenden Vereins aufzunehmen.
Nicht erst seit der dritten Absage eines Wunschkandidaten auf den Trainerposten und dem Einzug ins CL-Halbfinale sollte auch
Der Reflex, nach einer schwachen Phase sofort den Trainer als Hauptverantwortlichen in den Mittelpunkt zu rücken, hatte schon vor Tuchel keinen nachhaltigen Effekt gebracht, sondern lediglich dazu geführt, dass der Trainerstuhl des FC Bayern inzwischen zu den unbeliebteren im internationalen Topfußball gehört.
Spätestens jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, das eigene Gebaren streng zu hinterfragen und indem man Fehler eingesteht und offen kommuniziert, vielleicht doch noch eine Möglichkeit zu finden, mit einem der besten Trainer auf dem europäischen Markt weiterzuarbeiten: Thomas Tuchel.
Ja, Tuchel wirkte im Verlauf der Saison nicht immer souverän, sowohl im Umgang mit einem Spieler wie Kimmich, als auch in seinen getroffenen Aussagen, als er beispielsweise seine eigene Ratlosigkeit öffentlich machte. Doch in jedem anderen Topverein in Europa werden Trainern diese Phasen zugestanden. Hat Guardiola bei ManCity immer überzeugt, hat Jürgen Klopp in jeder Saison einen Titel mit Liverpool geholt, ist Ancelotti bei Real Madrid unantastbar? Natürlich nicht.
Tuchel hat die Bayern ins Halbfinale der Champions League geführt. Das ist seit 2019/20 keinem Trainer mehr gelungen und allein das zeigt, dass er ein Trainer von internationalem Top-Niveau ist. Dass die Bayern irgendwann auch mal eine Meisterschaft verlieren würden, war schon rein statistisch gesehen unausweichlich. Und warum der FC Bayern Erfolg noch immer an einem Titel misst, der nicht mal mehr von den eigenen Fans besonders euphorisch gefeiert wird, ist ohnehin fraglich.
Klar ist aber auch, dass das ein Tuchel-Verbleib nur unter einigen ganz bestimmten Voraussetzung funktionieren kann: Die Führungsriege des FC Bayern muss öffentlich zu gemachten Fehlern stehen und sich geschlossen hinter Thomas Tuchel stellen.
Ach ja, und Thomas Tuchel muss natürlich wollen.
(P.S.: Es gibt bereits eine Fan-Petition, die ebenfalls den Verbleib von Tuchel – Spitzname offenbar "Juppel" – fordert. Aktuell hat sie bereits über 18.000 Unterschriften)
Contra Tuchel-Verbleib: Eine Trennung im Sommer ist unvermeidlich
von Michael Schleicher
Als Trainer beim FC Bayern hat man es nicht leicht. Schon gar nicht, wenn es zeitweise nicht hundertprozentig rund laufen sollte. Diese Erfahrung musste nach
Im Februar entschieden sich die Bosse dafür, die Zusammenarbeit mit Tuchel vorzeitig zu beenden. Hätten die Verantwortlichen in der Führungsriege damals schon gewusst, dass die Münchner in dieser Saison noch beste Chancen darauf haben, ins Finale der Champions League einzuziehen, hätten sie möglicherweise nicht so vorschnell gehandelt.
Doch die Entscheidung ist gefallen, nach dem Saisonende hört Tuchel bei den Bayern auf. Diesen Standpunkt machte der Trainer selbst in der Vergangenheit immer wieder mehr als deutlich klar. Dass er doch beim deutschen Rekordmeister bleiben würde, hatte er immer wieder konsequent ausgeschlossen. Auch wenn er die Tür eines möglichen Verbleibs mit seinen neuesten Aussagen von Freitag, es sei "immer alles möglich", wieder einen Mini-Spalt aufgemacht hatte.
Das vielbeschriebene Tischtuch zwischen Trainer und Verein – es scheint zerschnitten und so leicht auch nicht mehr zu kitten zu sein. Dafür sorgte Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß, der Schattenmann vom Tegernsee, mit seiner getätigten Kritik an Tuchel erst kürzlich höchstselbst.
Es ist nur schwer vorstellbar, dass sich Tuchel das Theater an der Säbener Straße – mit ständigen Nebenkriegsschauplätzen – eine weitere Saison lang antun wird. Bei einem potenziellen Verbleib in München würde der Druck auch nicht geringer werden. Immerhin lechzen die Bayern-Granden nach verpasster Meisterschaft und Pokalsieg wieder nach mehr Titeln in der kommenden Saison.
Dann doch lieber einen Neuanfang wagen. Ein Trainer vom Format eines Thomas Tuchel dürfte trotz seiner (bisher) eher bescheidenen Bilanz in München dennoch weiterhin gefragt sein.
Thomas Tuchel und der FC Bayern – das hat am Ende vielleicht auch nicht so gut gepasst, wie es sich die Verantwortlichen im Rahmen der völlig überstürzten Nagelsmann-Trennung und Tuchel-Verpflichtung vielleicht gewünscht oder erhofft hatten. Dafür gab es auch sportlich zu viele Unstimmigkeiten: Tuchels Rat- und Sprachlos-Auftritte nach Niederlagen oder seine Kritik an einzelnen Spielern sind da nur zwei von vielen Bestandteilen.
Zurück zum leidigen Thema der Trainersuche: Nach den Absagen von Xabi Alonso, Nagelsmann und kürzlich auch Ralf Rangnick wäre ein möglicher Tuchel-Verbleib in München dann doch vor allem eins: eine Notlösung.
Wollen beide Seiten ihr Gesicht wahren, ist eine Trennung im Sommer daher unvermeidlich. Und darauf wird es auch mit hoher Wahrscheinlichkeit hinauslaufen. Alles andere würde der Glaubwürdigkeit von Tuchel und vor allem des FC Bayern schaden.
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