Der FC Bayern hat nach der nächsten Trainer-Absage ein Problem. Der Rekordmeister ist nicht mehr automatisch die erste Adresse für die besten Trainer und Spieler. Das kann der Club nicht akzeptieren.
Nach Xabi Alonso und Julian Nagelsmann nun also Ralf Rangnick. Der 65-Jährige bleibt Nationaltrainer Österreichs. Sicherlich kann man diskutieren, ob ein meinungsstarker Projekttrainer wie Rangnick eigentlich eine passende Wahl für den FC Bayern gewesen wäre. Rangnick hat in seiner Karriere immer viel Einfluss eingefordert und diesen auch ausgeübt. Weit über die Stellenbeschreibung eines Cheftrainers hinaus. Auch seine typische Spielweise aus aggressivem Pressing und schnellem Umschalten passt auf den ersten Blick nicht wirklich nach München. Trotzdem hätte Rangnicks Anspruch und Ehrgeiz Bayern gutgetan nach einer Saison, die in der Mannschaft und der Führung viele Schwachstellen und wohl auch eine gewisse Sättigung offenbart hat.
FC Bayern zermürbt einen Top-Coach nach dem anderen
In der Branche wird man genau beobachtet haben, wie der FC Bayern in den vergangenen Jahren einen Trainer nach dem anderen zermürbt hat. Carlo Ancelotti, Niko Kovac, Hansi Flick, Julian Nagelsmann - und nun also Tuchel. Drei Trainer, die bereits die Champions League gewonnen haben. Mit Ancelotti eine echte Trainerlegende. Mit Tuchel ein Coach, der international höchstes Ansehen genießt. Dazu mit Julian Nagelsmann wohl das größte deutsche Trainertalent einer ganzen Generation, wie er aktuell auch bei der Nationalmannschaft unter Beweis stellt. Wenn diese Topleute es nicht mal zwei Jahre in München aushalten, dann läuft offenbar etwas schief. Die Halbwertszeit der Münchner Trainer wurde seit Guardiola immer kürzer und die Machtverhältnisse und Ansprechpartner für die Trainer immer komplizierter.
In der Vergangenheit entschieden Hoeneß und Rummenigge und bildeten ein sich produktiv ausbalancierendes Duo. Inzwischen bekommt man das Gefühl, beim FC Bayern entscheidet ein ganzes Komitee. Hoeneß, den Tuchel passenderweise erst in dieser Woche als "unseren Boss" bezeichnet hat, obwohl dieser sich längst aus dem operativen Geschäft zurückgezogen haben wollte. Rummenigge, der wieder mitmischt. Eberl. Freund. Dreesen. Hainer. Klare Hierarchien sind etwas anderes. Das macht die Trainersuche nicht unbedingt geradlinig und auch die internen Konflikte rund um gewünschte oder nicht gewünschte Transfers, die das Aus von Tuchel beim FC Bayern einleiteten, sind breit dokumentiert. Auch die Machtverhältnisse zwischen Mannschaft und Trainer haben sich durch die vielen frühen Entlassungen verändert.
Englisches Modell ist kein Modell für den FC Bayern
Das alles ist kein Plädoyer für ein englisches Modell mit einem Trainer, bei dem praktisch alle Fäden zusammenlaufen. Produktives Ringen um den richtigen Weg mit Menschen, die den FC Bayern nicht nur Arbeitgeber nennen, sondern im Herzen tragen, haben den Verein stark gemacht. Max Eberl wäre prädestiniert, diese Tradition als starker Sportvorstand fortzusetzen, doch die Absagen der letzten Tage bescheren nun auch ihm eine erste frühe Niederlage. Tuchels in der Rückschau verfrühtes Aus wurde besiegelt, bevor Eberl richtig angefangen hatte. Er muss die Suppe auslöffeln. Alles kein gutes Bild.
Der FC Bayern muss sich für den Moment damit abfinden, dass er nicht mehr die erste Adresse für die besten Trainer und, wenn man ehrlich ist, auch nicht für die besten Spieler der Bundesliga ist. Als es 2012 zuletzt eine deutlich bessere deutsche Mannschaft gab, setzte der FC Bayern mit der Verpflichtung von Pep Guardiola ein echtes Statement und holte wenig später mit Mario Götze, Robert Lewandowski und später auch Mats Hummels die drei wichtigsten Leistungsträger aus Dortmund nach München. Übrigens gerade wegen des Zugpferds Guardiola, der die Qualität des Münchner Fußballs in eine neue Sphäre hob. Aktuell scheint es unwahrscheinlich, dass Leverkusen-Stars wie Florian Wirtz oder Alex Grimaldo in naher Zukunft in München auflaufen werden - selbst wenn der FC Bayern das zu einer Top-Priorität machen würde.
Gelingt doch noch die große Lösung
Wie also weiter? Vorweg: Der FC Bayern wird einen überdurchschnittlichen Trainer finden. Er wird nicht bei Jupp Heynckes anrufen und auch die charmante Idee eines Spielertrainers Thomas Müller bleibt wohl genau das, eine charmante Idee. Aber reicht das? Ein Trainer, der in der Lage wäre, der Mannschaft eine neue taktische Dominanz einzuhauchen, um es mit den für den Moment enteilten Leverkusenern aufzunehmen, ist nach den Absagen von Alonso und Nagelsmann nicht in Sicht. Roberto de Zerbi, der immer wieder genannt wird, wäre das am ehesten zuzutrauen, aber die Sprachbarriere und die fehlende Erfahrung als Trainer einer Star-Truppe sprechen eher dagegen. Zidane wurde bereits ausgeschlossen.
Es bleiben damit eigentlich nur zwei sinnvolle Wege. Entweder das Comeback von Hansi Flick, der Verein und Spieler gut kennt und so etwas wie die risikoarme Wohlfühllösung wäre. Oder man findet einen Übergangstrainer, der den Platz warm hält für ein echtes Statement, das die Misserfolge der aktuellen Trainersuche schnell vergessen machen würde. Dieses Statement heißt Jürgen Klopp ab Sommer 2025. Das wäre Bayern-like. Gerade in der jetzigen Lage. Fraglich ist nur, ob der Club in der derzeitigen Verfassung in der Lage ist so eine komplizierte Mission umzusetzen und vor allem Klopp nach seiner Auszeit von einem Engagement beim FC Bayern zu überzeugen. So wie damals Pep Guardiola.
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