Die TSG Hoffenheim spielt am Montagabend (18 Uhr) beim FC Bayern München. Für Gia Corley steht also eine Begegnung mit ihrem ehemaligen Verein an, denn die 22-jährige Hoffenheimerin feierte ihr Profidebüt beim FCB.
Ihre Zeit in der Jugend der Münchenerinnen bezeichnet Corley als "schön“ und "priviligiert“, auf das Wiedersehen freue sie sich immer sehr. Ihr Weg in den Spitzenfußball war auch durch die große Unterstützung ihrer Mutter möglich, die das Talent ihrer Tochter früh erkannte. In dieser Saison möchte die Mittelfeldspielerin sich mit der TSG Hoffenheim unter dem neuen Trainer Theodoros Dedes den Respekt der Gegnerinnen erspielen.
Hoffenheim hat das erste Spiel der Saison gegen die SGS Essen gewonnen, am vergangenen Montag dann aber gegen Freiburg eine Niederlage hinnehmen müssen. Wie sehen Sie den Saisonstart bisher?
Gia Corley: Gegen Essen waren wir ganz zufrieden, wollten aber spielerisch noch eine Schippe drauflegen. Wir wussten, dass es gegen Freiburg auf ein hartes, robustes Spiel herauslaufen würde. Spielerisch haben wir mehr gezeigt als gegen Essen, vor allem, was die Intensität angeht. Aber es zählen nur die Tore und wir haben immer nur reagiert: Wenn Freiburg getroffen hat, hatten wir zwar direkt die richtige Antwort parat, aber leider haben wir auch zu viele Chancen nicht genutzt. Deshalb hat es am Ende nicht gereicht. Von der Einstellung her sind wir sehr zufrieden mit dem Saisonstart. Aber wir müssen auf jeden Fall auch die Punkte einfahren.
Sie selbst hatten gegen Freiburg früh die Chance zur Führung. Wie ist das auf dem Platz, wie lässt sich das abhaken? Beschäftigt Sie das nachträglich?
Erstmal war es für mich in dem Moment eine gute Aktion: Ich habe den Abschluss mit links gesucht, die Torhüterin hat gehalten. Es war in der dritten Minute, also war es im Spiel für mich eher so ein: 'Wir sind da! Weiter so!' Aber nach dem Spiel denkt man natürlich darüber nach. Was, wenn die Chance reingegangen wäre? Da ärgert man sich natürlich, nur kann ich es jetzt nicht mehr ändern. Ich muss es abhaken und hoffe, dass ich in den nächsten Spielen Vorlagen oder Tore mache.
Seit dem Sommer ist mit Theodoros Dedes ein neuer Trainer an der Seitenlinie. Was hat sich unter ihm bisher verändert?
Es hat sich schon Einiges verändert. Er hat eine andere Herangehensweise als Stephan Lerch, hinzu kommt auch ein neues Spielsystem. Wir spielen zentrumslastiger und versuchen Verbindungen aufzubauen, darauf legt unser Trainer sehr viel Wert. Auch vom Typ her ist er anders. Dadurch haben wir nochmal neue Impulse bekommen. Wir sind noch am Anfang, aber die Mentalität, mit der er an die Sache rangeht, ist sehr ansteckend und das tut uns gut. Zudem haben wir ja auch einige neue Spielerinnen im Team.
Sie haben es selbst angesprochen, es gab im Sommer einige Abgänge von Stammspielerinnen und auf der anderen Seite sind viele neue Gesichter im Team. Wie ist die Gruppe über den Sommer zusammengekommen?
Wir hatten eine lange Vorbereitung und deswegen viel Zeit. Es lief direkt vom ersten Tag an echt gut, die neuen Spielerinnen passen gut ins Team. Wir sind mittlerweile sehr offen für neue Mitmenschen und neue Aufgaben. Das mussten wir erst lernen, aber jetzt können wir das besser annehmen als früher. Von den neuen Spielerinnen haben wir das Feedback bekommen, dass sie sich gut aufgenommen gefühlt haben. Ich persönlich kenne einige sowieso schon vom DFB oder aus einer früheren Mannschaft. Natürlich ist für sie erstmal alles neu. Und unser Trainerteam hat schon zu Beginn viel eingefordert. Aber das haben sie super angenommen und ich denke, wir harmonieren gut.
Corley fordert Mut gegen die Bayern
Am kommenden Montag geht es dann gegen Bayern München. Worauf wird es aus Ihrer Sicht für die TSG ankommen?
Dass wir mutig sind. Das A und O wird sein, dass wir uns einfach trauen. Wir wissen, was wir können, aber in der Vergangenheit war es manchmal so, als hätten wir plötzlich unsere ganzen Fähigkeiten verloren, nur weil auf der anderen Seite Bayern München stand. Ich hoffe, dass das dieses Mal nicht passiert. Wir müssen natürlich im Spiel und auch jetzt in der Trainingswoche an unsere Grenzen gehen, damit wir zeigen können, zu was wir fähig sind. Wir müssen 110 Prozent geben.
Beide Teams legen viel Wert auf Ballbesitz und sind sehr offensiv ausgerichtet. Das Mittelfeld wird vermutlich sehr umkämpft sein. Wie kann man so einer Partie den eigenen Stempel aufdrücken?
Der Fokus muss schon auf den Ballbesitzphasen liegen. Wenn wir lange in der Defensive sind und dann den Ball erobern, dürfen wir nicht sofort hektisch werden und müssen versuchen, den Ball auch mal in den eigenen Reihen zu halten. Wenn wir das schaffen, wird das denke ich der Schlüssel sein, weil wir dadurch dann unser Spiel auf den Platz bringen können.
Sie sind seit 2021 bei der TSG Hoffenheim, haben vorher selbst für Bayern München gespielt. Erst in der Jugend, dann gab es das Profi-Debüt zuerst in der Champions League und danach in der 1. Bundesliga. Wie war das damals für Sie?
Das war eine verrückte und auch schöne Zeit. Weil ich mitten in meinem Fachabi war, war es aber auch sehr anstrengend. Beim Verein wurde 100 Prozent von mir verlangt und gleichzeitig musste ich in der Schule alles geben. Bayern trainiert zweimal am Tag. Einmal vormittags, einmal nachmittags. Und ich hatte Schule bis 17:00 Uhr. Durch die Unterstützung des Vereins und von der Schule konnte ich es aber unter einen Hut bringen. Ich denke an eine schöne Zeit zurück, aber auch an eine privilegierte Zeit. Denn was der FC Bayern bieten kann, das ist schon echt der Wahnsinn und das gibt es nicht überall.
Wie fühlt es sich dann jetzt an gegen den ehemaligen Verein zu spielen?
Es ist immer schön. Erstens, weil man weiß, dass es ein echt forderndes Spiel wird. Ich mag diese Spiele, wo es zur Sache geht. Aber auch, weil ich frühere Mitspielerinnen wiedersehen und man sich austauschen kann. Deswegen freue ich mich da jedes Mal wieder drauf.
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Corley: Meine Mutter hat alles gemanagt.
Sie sind in Tacoma in den USA geboren, Ihr erster Verein war aber der SV Fortuna Regensburg. Wie sind Sie denn ursprünglich zum Fußballspielen gekommen?
Ich bin mit drei Jahren mit meinem Bruder und meiner Mutter aus den USA nach Regensburg gegangen, wo sie auch vorher gewohnt hatte. Ich war erst im Turnsport. Niemand aus meiner Familie hatte irgendwas mit Fußball zu tun. Wir wohnten aber genau gegenüber von einem Fußballplatz, ich habe vom Balkon immer rüber geschaut und wollte wissen, was dort passiert und wollte unbedingt auch dorthin. Meine Mutter meinte: 'Ja, dann geh!‘ Ab dem Tag habe ich Fußball gespielt. Es war eine Jungs-Mannschaft. Sie haben mich super aufgenommen. Ich hatte kurze Haare und war sieben oder acht. Sie haben gesagt: 'Super Bursche, den nehmen wir!‘ Bis meine Mom, die irgendwann mitgekommen ist, gesagt hat: 'Wie Bursche? Das ist meine Tochter.‘ Da waren sie alle auch begeistert. Und so hat es dann angefangen.
Können Sie sich vorstellen, irgendwann in der Zukunft mal in die USA zu wechseln?
Ich schließe es auf jeden Fall nicht aus. Ich bin mittlerweile schon offen dafür, es auszuprobieren. Nicht jeder hat die Chance drüben mit Familie in der Nähe Fußball zu spielen, auf so einem hohen Niveau und diese Entwicklung dort, die es gerade gibt im amerikanischen Frauenfußball, auch mitzuerleben.
Sie haben im Jugendbereich im Laufe der Jahre für verschiedene Vereine gespielt, zum Beispiel ein Jahr beim 1. FC Nürnberg und sind dann über ein Zweitspielrecht zu den Bayern gekommen. Wann haben Sie gewusst, dass Fußball das ist, was Sie machen möchten?
Für mich gab es früher nie etwas anderes außer Fußball. In Nürnberg haben meine Mutter und ich zum ersten Mal gemerkt: Mit Frauenfußball kann man etwas erreichen. Das war uns vorher nicht so bewusst. Ich habe nur gespielt, um Spaß zu haben. Meine Mutter hat erkannt, dass ich das gut kann. Sie hat sich informiert und alles gemanagt, sodass ich ein Probetraining beim 1. FC Nürnberg machen konnte und ist auch mit mir umgezogen, damit ich in Nürnberg auf die Leistungssportschule gehen konnte. Mir gefiel das. Aber es war eher so: 'Hey cool, eine Schule, in der ich Fußball spielen kann. Mein Verein ist fünf Minuten Gehweg von mir entfernt. Perfekt. Danke, Mama!' Als ich dann in die Bayernauswahl aufgenommen wurde, habe ich gemerkt, dass es ernst wird. Ich bin früh wieder zu den Jungs gewechselt, weil es heißt, dass man möglichst lange bei den Jungs spielen soll. Das finde ich auch, da lernt man einfach besser diese Robustheit. Das hat mir damals geholfen. Spätestens als es mit der Juniorinnen-Nationalmannschaft losging, war für mich dann klar, dass ich alles dafür machen will, ganz oben anzukommen.
Früh internationale Erfahrung mit den U-Nationalteams
Sie sind dann 2019 U17-Europameisterin geworden und vor zwei Jahren waren Sie mit der U20 bei der WM in Costa Rica. Wie war es für Sie so früh internationale Erfahrung sammeln zu können?
Nationalmannschaft zu spielen in dem jungen Alter, das war für mich das Beste, was es gab. Es hat mir immer mega viel Spaß gemacht und war einfach etwas anderes. Es war auch immer wieder eine Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich habe es immer genossen, mein Bestes gegeben und es war für mich auch ein Privileg.
Jetzt gerade läuft auch eine U20-WM in Kolumbien. Deutschland ist unglücklich im Viertelfinale gegen die USA ausgeschieden. Haben Sie davon trotz der nächtlichen Anstoßzeiten ein bisschen was mitbekommen? Oder gab es vielleicht Kontakt zu den Hoffenheimerinnen, die mit dabei waren?
Direkten Kontakt hatte ich nicht, aber in der Mannschaft reden wir natürlich darüber. Ich finde man hat gesehen, dass die Spielerinnen Spaß hatten. Das war top. Gegen die USA hat sich gezeigt, dass kurze Unaufmerksamkeiten reichen und plötzlich ist man raus. Aber das ist Fußball. Für sie ist es schade, aber wir freuen uns, dass sie zu uns zurückkommen. Sie können stolz darauf sein, wie weit sie gekommen sind und wie sie gespielt haben.
Kommen wir wieder zurück zur TSG Hoffenheim. Die Champions-League-Plätze sind immer sehr umkämpft. Wie sehen Sie denn die Chancen der TSG in dieser Saison?
Das Spiel gegen Freiburg hatten wir uns anders ausgemalt. Aber von unseren Fähigkeiten her rechne ich uns schon Chancen aus. Dazu gehört jeder einzelne Schritt und wie man sieht kommt es auch mal anders als gedacht. Wir müssen also alles dafür tun, dass es gut läuft. Aber wir haben es in der eigenen Hand und ich glaube daran.
Und unabhängig von einer Tabellenplatzierung, was wünschen Sie sich in dieser Saison für die TSG?
Dass wir uns Respekt erspielen. Damit meine ich, dass wir dieses Gefühl beim Gegner erzeugen wollen, dass wir gefährlich sind und man gegen uns alles reinwerfen muss, weil die Punkte sonst bei uns sind.
Zur Gesprächspartnerin:
- Gia Corley (20. Mai 2002, Tacoma, Washington, USA) wurde in den Jahren 2019 und 2020 mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze und Silber als eines der besten Nachwuchstalente Deutschlands ausgezeichnet.
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