Der FC Bayern und Borussia Dortmund gehen im Rahmen der Marketing-Reisen als Bundesliga-Botschafter voran, profitieren von den Trips aber natürlich auch selbst. Ihre Forderung, dass andere Vereine mitziehen sollen, ist nachvollziehbar. Doch es ist wie immer kompliziert, wenn es in der Liga um Solidarität geht. Wir haben mit Sportökonom Christoph Breuer über die Marketing-Frage der Bundesliga gesprochen.
Karl-Heinz Rummenigge legte vor ein paar Wochen beim Kongress "SpoBis" den Finger in die Wunde. Denn das Ziel der Bundesliga war mal ein anderes. 850 Millionen wollte die Liga laut der Bayern-Legende bei der Auslandsvermarktung erlösen. Man wäre damit noch lange nicht auf Augenhöhe mit der lange enteilten Premier League gewesen, die rund zwei Milliarden (!) Euro pro Saison generiert. Der tatsächliche Erlös der Bundesliga 2022/23 in Höhe von 160 Millionen Euro ist im Vergleich dazu allerdings ein finanzieller Witz, über den vor allem die ambitionierten Klubs wie der FC Bayern und Borussia Dortmund überhaupt nicht lachen können.
Deshalb nahmen sie den Rest der Liga in diesem Sommer in die Pflicht, weil die beiden Flaggschiffe bei ihren Marketing-Reisen in die USA (BVB) und Asien (FCB) als Bundesliga-Botschafter vorangingen, dabei allerdings alleine auf weiter Flur waren: Kein anderer Klub aus der höchsten deutschen Spielklasse ist dem Beispiel gefolgt. Zum Vergleich: Aus der Premier League gingen zehn Vereine auf "Welttournee".
Keine Frage: Der FC Bayern und der BVB profitieren von diesen Reisen natürlich selbst, auch finanziell. Beide Vereine machen das nicht aus Nächstenliebe, für sie sind die PR-Touren trotz der enormen Logistik und der körperlichen Anstrengungen fester Bestandteil der Saisonvorbereitung. "Der asiatische Markt ist insbesondere interessant, da damit ausländische Sponsoring-Märkte erschlossen werden und zugleich auch ein Stück weit Merchandising-Märkte", sagt der renommierte Sportökonom Christoph Breuer im Gespräch mit unserer Redaktion. "Das ist für Bayern und für Dortmund das Hauptziel, und indirekt werden auch Bundesliga-Fans generiert." Eine Win-Win-Situation also.
Das Fundament ausgebaut
FCB und BVB haben in den ausländischen Märkten durch ihre Historie bereits ein Fundament vorgefunden und dieses sukzessive ausgebaut. Mit Büros in beispielsweise Shanghai, Singapur, Bangkok oder New York wird die Nachfrage direkt vor Ort durchgängig bedient. Aus Sicht der Liga und auch aus Sicht der Münchner und Dortmunder sei es aber nachvollziehbar, "dass sich die Vereine insgesamt mehr anstrengen sollten, wenn die Bundesliga nicht zur Regionalmarke verkommen möchte", stellt Breuer klar.
Doch ist der Wirkungsgrad der anderen Vereine in vielen Fällen ein vollkommen anderer. Wie groß wird die Aufmerksamkeit sein, die Mainz, Wolfsburg, Augsburg oder Hoffenheim im Ausland generieren können? Was bringt dies den Klubs dann selbst? Und in welchem Verhältnis stehen dann Aufwand und Ertrag?
"Die meisten Klubs werden im asiatischen Raum nahezu unbekannt sein. Deshalb bedarf es einer wohlüberlegten Strategie, wo welche Klubs überhaupt eine gewisse Aufmerksamkeit entfachen können", sagt Breuer. Man müsse daher auch überlegen, ob es interessant sein könne für die Klubs, in einem bestimmten asiatischen Segment mehr Aufmerksamkeit zu generieren.
"Man könnte beispielsweise darüber nachdenken, wo es Partnerstädte im asiatischen Raum gibt, um dort reinzugehen", so Breuer, der den chinesischen Markt als Beispiel nennt. "Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass ganz viele Klubs den Markt für interessant genug fanden, um dort Fußballschulen mit aufzubauen. Da könnte man anknüpfen."
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Marketing-Reisen als Herausforderung
Nun ist so eine Marketing-Reise nicht mal eben organisiert, weshalb sich die Frage stellt, inwieweit so ein Trip für kleinere Klubs überhaupt stemmbar ist? "Das ist eine finanzielle Frage, aber auch eine organisatorische und personelle. Das ist jetzt nicht so trivial, gerade wenn die Reisen zum ersten Mal stattfinden und man nicht auf eine vorhandene Infrastruktur und Netzwerke zurückgreifen kann", weiß Breuer. "Da muss die Liga eine Unterstützungsstruktur schaffen".
Das sieht übrigens auch Bayern-Präsident Herbert Hainer so. "Da muss auch die DFL ein Konzept vorgeben, wie wir das gemeinsam mit den einzelnen Vereinen auch umsetzen können", forderte er. Auch Sportökonom Breuer betont: "Diese Reisen können nur dann interessant werden, wenn es Anreize der Liga gibt. Und auch eine Überzeugung dafür geschaffen wird, dass jeder Klub mitwirken muss an der Auslandsstrategie." Doch damit ist es nicht getan, denn längst nicht jeder Verein wird dann in Singapur, Tokio oder Seoul vor vollem Haus gegen andere Top-Klubs spielen und sich über dicke Einnahmen freuen können.
Bedeutet: "Es müssen adäquate Rollen für die jeweiligen Klubs gefunden werden", sagt Breuer, der zudem finanzielle Anreize schaffen würde. "Es kann überzeugend sein, diese Reisen mit finanziellen Belohnungen zu versehen", so Breuer. Dass zum Beispiel von den ausländischen TV-Geldern nur Klubs profitieren können, die diese Märkte auch selbst regelmäßig bespielen.
Unterschiedliche Interessen innerhalb der Bundesliga
Zu einem Problem könnten an diesem Punkt die unterschiedlichen Interessen innerhalb der Liga sein, die bereits dafür gesorgt haben, dass die weit fortgeschrittenen Pläne zum Einstieg eines Investors wieder in den Schubladen verschwanden. "Für die Mehrzahl der Klubs ist es vielleicht attraktiver, dass die Bundesliga tatsächlich eine Regionalmarke wird, sollte sie noch genügend nationale TV-Gelder abwerfen", sagt Breuer.
Es werde daher interessant sein zu sehen, ob man eine demokratische Mehrheit für solche Anreizsysteme für asiatische Engagements finden könne, wenn die Mehrheit anders denke, so der Experte, der meint, dass es nicht einfach sei, ein Win-Win-Konzept zu schaffen, "es ist aber auch nicht unmöglich". Nahezu unmöglich ist es aber, ohne die Erschließung weiterer Märkte und Möglichkeiten, die Einnahmen der Bundesliga signifikant zu erhöhen. Und ohne höhere Einnahmen verliert die Liga im Vergleich zur Premier League, aber auch zu den anderen Top-Ligen Europas, weiter an Boden.
"Das ist jetzt die Kunst der Politik und der Konzeptionsentwicklung, einen attraktiven Weg für alle zu finden. Dass die Liga weiter nach vorne entwickelt wird, aber trotzdem alle mitgenommen werden und auf deren Interessen Rücksicht genommen wird", sagt Breuer. Ein Beispiel, wie kompliziert die Gemengelage ist: Dass die Bundesliga ein Vorbereitungsturnier veranstaltet, wie die Premier League jüngst in den USA, wäre ein denkbares Szenario beziehungsweise Konzept, um mit mehreren Vereinen und Spielen für die Liga zu trommeln: "Doch wir haben gesehen, dass die vermeintlich effektivsten Maßnahmen, die Attraktivität der Bundesliga im asiatischen Markt zu steigern, diejenigen sind, die am stärksten auf Ablehnung treffen", so Breuer.
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Starke Konkurrenz in Europa
Doch eine essenzielle Frage ist auch die nach den Möglichkeiten. Sind die eingangs erwähnten 850 Millionen Euro überhaupt realistisch? Das ist in der aktuellen Situation der Liga in Sachen Auslandsvermarktung, kombiniert mit einem drohenden Rückgang bei den Einnahmen der nationalen TV-Rechte, erst einmal zweitrangig. Denn es sei sowieso herausfordernd, substanzielle Steigerungen zu erzielen, betont Breuer.
Man müsse es aber angehen, wenn man den Abstand zu den anderen Ligen nicht größer werden lassen wolle, sagt der Experte. Denn klar: Auch die spanische LaLiga, die italienische Serie A und die französische Ligue 1 scharren mit den Hufen und werden vorstellig in den Wachstumsmärkten, die nicht auf die Bundesliga warten. "Man muss also nicht nur aktiv sein, sondern auch cleverer aktiv sein als die Konkurrenz, um dort wachsen zu können. Und auch stärker wachsen zu können als die anderen", so Breuer. Damit die Bundesliga ihr ursprüngliches Ziel doch noch erreichen kann.
Verwendete Quellen:
- Sportschau:
Rummenigge - "16 Klubs haben die zentrale Vermarktung der DFL aufgekündigt"
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