Mats Hummels kehrt mal wieder in eine alte Heimat zurück. Die Partie seines BVB beim FC Bayern wird für den Routinier nicht nur zu einer Reise in die Vergangenheit, sondern auch zu einer ultimativen Prüfung.

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Es war ein heftiges Beben, das der FC Bayern an diesem 10. Mai 2016 auslöste. Innerhalb von nur 33 Minuten gab der Rekordmeister den Wechsel von gleich zwei Spielern bekannt: Der eine war Renato Sanches, ein sagenumwobenes Talent von Benfica, 18 Jahre jung und eine Verheißung für die Zukunft.

Der andere war Mats Hummels, der verlorene Sohn, im besten Fußballeralter und ein aktueller Weltmeister. Kolportierte 72 Millionen Euro Ablöse für das Duo waren damals selbst für die spendablen Bayern ein Novum, so viel Geld hatten die Münchner noch nie zuvor an einem Tag ausgegeben.

Die Bayern waren exakt eine Woche zuvor zum dritten Mal in Folge im Halbfinale der Champions League gescheitert und sie waren im Begriff, den Baumeister des dominantesten und schönsten Fußballs der Klubgeschichte zu verlieren: Pep Guardiola sagte nach drei Jahren bei den Bayern Servus. Es war die Zeit des Umbruchs und des Aufbruchs, mit Carlo Ancelotti glaubten die Bayern, die personifizierte Titelgarantie auf Königsklassenniveau verpflichtet zu haben - und mit Sanches und Hummels zwei fehlende Bausteine auf dem Weg zu Europas Thron.

Mats Hummels: 116 Pflichtspiele in drei Jahren

Die beiden Neuzugänge an jenem Dienstag sollten damals die einzigen beiden im bayerischen Transfersommer bleiben, was irgendwie ein Zugeständnis an die Mannschaft war und die beiden Spieler: Ihr seid stark genug, um gemeinsam die Champions League zu gewinnen.

So weit ist es seitdem allerdings nicht gekommen. Im Nachgang wird sich wohl so mancher Bayern-Fan mit großer Sehnsucht an die Zeiten unter Guardiola erinnern und die Leistung, es dreimal in Folge unter die besten vier Mannschaften Europas geschafft zu haben, auch etwas mehr zu schätzen wissen. Vom Titelgewinn waren die Bayern jedenfalls zuletzt so weit entfernt wie zuletzt vor acht Jahren.

Für Sanches war die Zeit in München die erste Auslandserfahrung und der junge Portugiese wäre beinahe daran zerbrochen. Das Missverständnis endete in diesem Sommer mit Sanches‘ Verkauf zum OSC Lille, für etwa nur noch die Hälfte des Preises, den die Bayern damals an Benfica bezahlen mussten. Deutlich mehr hatten die Münchner von ihrem Innenverteidiger. 116 Pflichtspiele absolvierte Hummels, der in München ausgebildet wurde, nach seiner Rückkehr für "seinen“ FC Bayern. Wenn er nicht zufällig verletzt war, war er im Abwehrzentrum gesetzt.

Einige Tiefschläge im Frühjahr

Wobei die letzte Saison in München für Hummels aus mehreren Gründen schleppend verlief. In Niklas Süle war ihm ein echter Kontrahent erwachsen, einer aus dem Trio Hummels, Süle und Jerome Boateng saß immer nur auf der Bank. Und immer öfter erwischte es auch Hummels, der in der Liga insgesamt acht Spiele auf der Bank schmorte und gar nicht zum Einsatz kam. Eine ungewohnte Situation für einen Spieler, der in der letzten Dekade gewohnt war, nicht nur zu spielen, sondern ein wichtiger Bestandteil seiner jeweiligen Mannschaften zu sein.

Im Frühjahr kamen aus Hummels‘ Sicht noch ein paar andere Dinge zusammen, die ihn offenbar ins Grübeln brachten: Das frühe Aus in der Königsklasse und vor allen Dingen die Art und Weise, wie sich die Bayern im Rückspiel gegen Liverpool sang- und klanglos verabschiedeten, war ein Fingerzeig. Ungefähr in dieser Zeit machten die Bayern bei Benjamin Pavard Nägel mit Köpfen, der französische Weltmeister sollte vom VfB Stuttgart an die Isar wechseln und das nicht als Rechtsverteidiger, sondern als Innenverteidiger.

Uli Hoeneß setzte sich in den Sport1-Doppelpass und schwadronierte ungefragt darüber, wie die Bayern den Transfersommer angehen würden: aggressiv und offensiv. "Wenn Sie wüssten, was wir schon alles sicher haben...“ ist längst zu einem echten Hoeneß-Bonmot geworden.

Hummels hatte da schon einige Probleme mit Trainer Niko Kovac, es prallten verschiedene Sichtweisen aufeinander und die Aussicht auf einen, vielleicht sogar zwei neue, deutlich jüngere Kontrahenten auf seiner Position dürfte ziemlich sicher den Denkprozess beschleunigt haben.

Zumal der unangekündigte Auftritt von Joachim Löw an der Säbener Straße ein paar Wochen später so etwas wie ein zusätzlicher, sehr schmerzhafter Stich war. Die Ausbootung aus der Nationalmannschaft war für den 30-Jährigen ein echter Tiefschlag. Zum damaligen Zeitpunkt hinkten die Bayern in der Liga noch Borussia Dortmund hinterher, was sich in den Wochen bis zum Saisonfinale zwar nochmal ändern sollte - aber Hummels nur umso deutlicher machte, wo sein Typ, wo seine Stärken in den nächsten Jahren wohl besser gebraucht werden könnte: In einer jungen, aufstrebenden, aber eben auch noch unreifen und wankelmütigen Mannschaft, die Halt und Erfahrung benötigt.

Hummels contra Kovac … fällt aus

Hummels‘ Entscheidung, im Sommer nach drei Jahren wieder zurück zum BVB zu wechseln, war nachvollziehbar. In der Interpretation aber gab es teilweise völlig konträre Ansätze. Kovac vermutet sogar eine Art Flucht. "Konkurrenzkampf bedeutet, dass der Bessere spielt. Mats war der Meinung, dass er dem aus dem Weg gehen möchte“, hatte Kovac erklärt, nachdem die Bayern auch den Transfer von Lucas Hernandez für satte 80 Millionen Euro publik gemacht hatten.

Der ansonsten durchaus wortgewandte Hummels hielt sich in seinen ersten Tagen beim BVB bewusst zurück, erst auf der USA-Reise der Mannschaft meldete er sich zu Wort. "Ich werde nicht zu viel von meinen Gedanken aus dem letzten Jahr preisgeben“, sagte er da und blieb stattdessen vage. "Natürlich muss man immer viele Faktoren berücksichtigen. Welche Art von Fußball willst du spielen? Wo willst du leben? Es gibt nicht den einen Weg, wie man solche Entscheidungen treffen kann. Es ist individuell. Jeder hat seine Gründe, warum er wechselt.“

Erst Wochen später äußerte er sich in einem "Kicker“-Interview zu Kovac‘ Ansichten, er sei vor dem neuen Konkurrenzkampf aus München geflohen und negierte diese vehement. "Das stimmt einfach nicht, mehr sage ich dazu nicht.“

Für diesen Samstag war eigentlich nicht nur die Rückkehr nach München geplant, sondern auch das Wiedersehen mit Kovac. Nun ist dieser nicht mehr im Amt, was Hummels reichlich egal sein dürfte. Im Topspiel stehen sich zwar immer noch die Schwergewichte des deutschen Fußballs gegenüber, beide Klubs hatten zuletzt aber ihre Probleme, was der Partie einen ganz besonderen Reiz verleiht.

Hummels kehrt mal wieder zurück in eine alte Heimat, diesmal kämpft er auf der schwarz-gelben Seite. In den letzten Jahren war er noch mit dafür verantwortlich, dass die Bayern ihren Dauerrivalen teilweise ganz fürchterlich vermöbelten. Nun kann Mats Hummels zeigen, was er dem jungen BVB auch in diesen kritischen, viel beachteten Spielen geben kann.

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