Vor dem Spitzenspiel des 22. Spieltags zwischen Bayer Leverkusen und dem FC Bayern spricht Michael Reschke unter anderem auch über den begehrten Florian Wirtz und das Interesse des FC Bayern.
Am Samstag treffen Meister Bayer Leverkusen und der FC Bayern im Bundesliga-Spitzenspiel aufeinander. Acht Punkte trennen beide Teams vor dem Duell.
Ist das Titelrennen bereits entschieden? Was fehlt Bayer in dieser Saison im Vergleich zur vorherigen? Und was passiert mit
Herr Reschke, Bayer Leverkusen geht mit acht Punkten Rückstand in das Spitzenspiel gegen den FC Bayern. Was haben die Münchner in dieser Saison bislang besser gemacht als Bayer?
Nach der spektakulären letzten Spielzeit von Leverkusen war es fast zu erwarten, dass es zu Beginn dieser Saison eine gewisse, holprige Anlaufphase gab. Das hat mich nicht überrascht. Wenn man sich die reine Bilanz anschaut: Leverkusen hat bislang nur ein Bundesligaspiel verloren – das ist eine starke Leistung. Deshalb kann man nicht sagen, dass Bayer etwas schlechter gemacht hat. Aber die Bayern haben es eben besser gemacht und in vielen Bereichen, im Vergleich zur Vorsaison, deutlich zugelegt. Im Moment sind sie einfach einen Tick stärker. Das sind oft nur Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen, aber die passen bei den Bayern.
In der vergangenen Saison bestach Leverkusen oft durch eine gewisse Leichtigkeit. Warum fehlt die in dieser Spielzeit?
Wenn man einmal in einem solchen spektakulären Flow ist, wie Leverkusen in der vergangenen Saison, dann entwickelt sich vieles wie im Märchen. Märchen sind aber keine Normalität. Diese Saison ist eine Rückkehr zur Realität – aber auf einem sehr hohen Niveau. Bayer Leverkusen ist aktuell ganz klar die Nummer zwei in Deutschland. Und das ist für diesen Klub erneut eine sehr erfreuliche Entwicklung. Die Bayern sind aufgrund ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten, der individuellen Qualität Ihres Kaders und ihrer Erfahrung einfach der natürliche Primus in dieser Liga. Diesem Anspruch werden sie in dieser Saison wieder eindrucksvoll gerecht.
Also spiegelt der aktuelle Acht-Punkte-Rückstand das tatsächliche Kräfteverhältnis wider?
Im Hinspiel war Leverkusen nicht auf Augenhöhe – über weite Strecken war es eine Machtdemonstration der Bayern, auch wenn es am Ende ein Remis gab. Über die gesamte Saison gesehen ist Bayer zwar nicht auf einem Level mit den Münchnern, aber auch nicht ellenweit weg. Die Bayern sind aber insgesamt eindeutig einen Schritt voraus, extrem fokussiert und total stabil.
"Ich bin fest davon überzeugt, dass Bayern München Deutscher Meister wird – selbst wenn Leverkusen das direkte Duell gewinnt."
Michael Reschke
Was muss das Team von
Bayer müsste neben einem Sieg am Samstag eine nahezu perfekte Serie bis zum Saisonende hinlegen. Sie bräuchten von den verbleibenden 36 möglichen Punkten mindestens 32 oder 33, um überhaupt noch eine realistische Chance auf den Titel zu besitzen, zumal auch das Torverhältnis klar zugunsten der Bayern spricht. Und selbst dann wäre es enorm schwer, weil die Bayern eben kaum Punkte liegen lassen. Die Frage ist: Wer soll den Bayern, im Falle eines Bayer-Sieges, diese fünf Zähler abnehmen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bayern diesen Vorsprung verspielen. Sie spielen einfach zu abgeklärt, zu seriös und zu dominant in der Liga.
Wäre das Titelrennen also auch bei einem Leverkusener Sieg mit dann fünf Punkten Rückstand praktisch entschieden?
Final entschieden natürlich nicht. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass Bayern München Deutscher Meister wird – selbst wenn Leverkusen das direkte Duell gewinnt.
Wie bewerten Sie die erste Saison unter
Die Bayern haben sich im Vergleich zur Vorsaison in vielen Bereichen enorm verbessert. Das Team tritt wieder viel geschlossener und klarer in den Abläufen auf. Vor allem offensiv gab es in dieser Spielzeit spektakuläre Phasen, in denen es einfach Riesenspaß gemacht hat, den Bayern zuzuschauen. Das war im letzten Jahr, unabhängig von den Ergebnissen, eher selten der Fall. Insgesamt vermittelt das Zusammenspiel zwischen Trainer, Trainerstab und Mannschaft ein sehr harmonisches, gutes Gefühl. Man spürt wieder eine echte Einheit – und das ist die Basis für Erfolg.
Reicht das für das große Ziel: das "Finale dahoam" in der Champions League?
Dafür braucht es noch deutlich mehr defensive Stabilität. Es gab in dieser Saison einige Spiele, in denen die Bayern defensiv zu anfällig waren. Diese Schwäche müssen sie abstellen, um eine realistische Chance auf den Champions-League-Titel zu haben. Aber ich bin mir sicher, dass sie sich dessen bewusst sind und genau daran intensiv arbeiten.
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Sind Sie denn auch zuversichtlich, dass Bayern die defensiven Schwächen in den Griff bekommt? Das Problem ist ja schon länger bekannt…
Es ist eine große Herausforderung, aber natürlich können sich die Bayern in diesem Bereich noch entscheidend weiterentwickeln. Das Potenzial innerhalb der Mannschaft ist definitiv vorhanden und man darf da Kompany und seinem Trainerteam vertrauen. Allerdings ist dieser Fortschritt auch zwingend nötig, wenn man tatsächlich die Champions League gewinnen will.
Wie wird es in der Liga mittelfristig weitergehen? Was braucht Bayer, um den Abstand zu den Bayern gering zu halten oder sogar die Nase vorne zu haben?
Ob Leverkusen mittelfristig wirklich die Chance hat, dauerhaft auf Augenhöhe mit Bayern München zu agieren, hängt von mehreren Faktoren ab. Zwei sind dabei besonders entscheidend: Der erste Faktor ist die Trainerfrage. Solange Xabi Alonso bleibt, ist er ein Garant dafür, dass Leverkusen ein echter Bayern-Herausforderer sein wird. Doch was passiert, wenn er geht? Gelingt es dem Klub, eine erneut ebenso brillante Trainerentscheidung zu treffen? Das ist für jeden Klub und seine Verantwortlichen die Königsdisziplin. Sollte Alonso irgendwann wechseln – und das wird er vermutlich – wird es extrem herausfordernd, einen Nachfolger auf diesem Niveau zu finden. Fernando Carro und Simon Rolfes werden sich gewiss mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen und erneut eine sehr gute Lösung finden.
Die große Bayer-Frage: Bleibt Wirtz oder nicht?
Und der zweite Faktor?
Der zweite entscheidende Faktor ist Florian Wirtz. Bleibt er oder nicht? Wirtz ist ein Ausnahmespieler, der ein Team auf ein ganz anderes Niveau hebt. Natürlich hat Leverkusen tolle Spieler und eine starke Mannschaft, aber Wirtz ist derjenige, der den Unterschied und seine Mitspieler besser macht. Sein Verbleib wäre essenziell, um Bayer weiterhin auf allerhöchstem Level und Bayern-Rivalen zu manifestieren.
Das ist schwer zu prognostizieren. Ich wünsche Bayer Leverkusen, dass Wirtz mindestens noch eine weitere Saison bleibt. Aber langfristig kann ich mir nicht vorstellen, dass er über 2026 hinaus in Leverkusen spielt. Irgendwann wird für ihn der Moment kommen, in dem er eine neue Herausforderung sucht und braucht. Das liegt einfach in seiner Natur. Er ist getrieben, im positivsten sportlichen Sinne und wird irgendwann zu einem Klub wechseln wollen, der eine sehr hohe Champions-League-Siegchance besitzt. Was er Bayer 04 bislang geschenkt hat, ist sensationell. Er hat den Verein auf ein höheres Level gehoben.
Manchester City soll starkes Interesse haben,
Wenn Pep Guardiola sich für einen Spieler entschieden hat, dann ist er in den persönlichen Gesprächen außergewöhnlich. Für viele Spieler ist es zurecht ein Traum, mit ihm zusammenzuarbeiten. Guardiola hat in seiner Karriere viele Teams und zahlreiche Spieler auf ein neues Niveau entwickelt. Er ist ein Trainer mit einer einzigartigen Handschrift, ein Künstlertrainer, wenn man so will. Ich bin sicher, dass es Florian sehr reizen würde, mit Pep zusammen zu arbeiten. Und in der jetzigen Phase wäre Flo für Manchester City ein unglaublicher Gewinn und wichtiger Eckpfeiler für die Zukunft. Aber auch alle anderen europäischen Topklubs werden mächtige Argumente liefern, wenn sie an Wirtz baggern.
Reschke gibt Prognose über Wirtz' Zukunft ab
Halten Sie einen Wechsel bereits im kommenden Sommer für realistisch?
Schwer einzuschätzen. Vielleicht bleibt er noch eine Saison. Mit der WM im Sommer 2026 im Blick hätte er in Leverkusen ein starkes Team und ein vertrautes, hochprofessionelles Umfeld, in dem er sich wohlfühlt, an seiner Seite. Er könnte sich optimal auf dieses Turnier vorbereiten. Aber ich bin mir sicher, dass mindestens sechs der acht europäischen Top-Klubs bereits den Kontakt zu Flo und seinem Vater gesucht haben. Irgendwann ist es eine Frage der persönlichen Perspektive und Abwägung der verschiedenen Optionen: Zieht es ihn zu Real Madrid, falls Xabi Alonso dort Trainer wird? Oder will er zu City und Guardiola? Oder reizen ihn die Bayern besonders? Oder will er ganz woanders hin? Fakt ist, dass es für ihn mehrere hochkarätige Optionen gibt. Mit der Wucht und Überzeugung, mit der er auf dem Platz auftritt, wird er gemeinsam mit seiner Familie gewiss auch die Planung seiner Karriere angehen.
Sollte er den Traum von Uli Hoeneß erfüllen und zu Bayern wechseln – oder wäre der Schritt ins Ausland besser?
Es gibt für beide Optionen viele Argumente. Ich kann mich da nicht als Ratgeber aufspielen, denn letztlich kennt Florian Wirtz selbst am besten seine Ziele und Ambitionen. Was ihn auf dem Platz antreibt, ist für jeden offensichtlich: Er ist ein Mentalitätsmonster, ein Spieler, der den Unterschied macht und ein einziges Geschenk für den deutschen Fußball. Aber was ihn abseits des Rasens motiviert, welche Visionen er für seine Karriere priorisiert – das weiß vor allem er selbst. Bayern München hat sicherlich gute Argumente, ihn zu verpflichten. Aber die Konkurrenzsituation ist enorm.
Sie kennen sich mit der Thematik aus: Wie kompliziert sind die aktuellen Vertragsverhandlungen?
Die sind durchaus kompliziert, weil es auch darum geht, Exit-Maßnahmen zu definieren. Aber der Junge selbst und sein Vater strahlen in dieser Frage stets eine unglaubliche Gelassenheit aus. Ich habe nie den Eindruck, dass sie hektisch sind, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlen. Bayer wird mit hoher Sensibilität vorgehen, aber am Ende wird Wirtz entscheiden, wie es weitergeht.
"Am Ende unterhält er uns bestens."
Michael Reschke über Uli Hoeneß
Haben die Aussagen von Uli Hoeneß Unruhe vor dem Spitzenspiel gestiftet? Oder wird der "Abteilung Attacke" zu viel Bedeutung beigemessen?
Die Unruhe bei Bayer Leverkusen wird sich von Null auf Null gesteigert haben. Ich halte das alles für völlig legitim. Das ist Uli Hoeneß – er hat das Recht, so einen Traum zu äußern. Im Grunde hat er nur das ausgesprochen, was ohnehin jeder weiß. Und er hat eine kleine Spekulationswelle losgetreten, über die jetzt alle reden und schreiben. Das macht er seit Jahrzehnten, und es funktioniert immer wieder. Am Ende unterhält er uns bestens.
Über den Gesprächspartner
- Michael Reschke (67) arbeitete von 1979 bis 2014 für Bayer 04, zunächst als B- und A-Jugendtrainer, später als Jugend-Cheftrainer, Nachwuchsleiter, Chef der Scouting-Abteilung und von 2004 an als Manager. Von 2014 bis 2017 war er bei den Bayern Technischer Direktor.
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