Erstmals seit acht Jahren steht keine deutsche Mannschaft im Halbfinale der Champions League. Auch wenn die Umstände des Scheiterns widrig oder sogar unmöglich waren, muss sich die Bundesliga für die Zukunft wieder anders aufstellen.
Borussia Dortmund und der FC Bayern München befinden sich in bester Gesellschaft. Der FC Barcelona ist ausgeschieden, ohne Tor und ohne Chance gegen Juventus Turin.
Die Geheimtipps aus Paris und von Manchester City haben sich bereits im Achtelfinale verabschiedet.
Für den FC Bayern München und Borussia Dortmund ist die Champions-League-Saison beendet.
Die beiden deutschen Aushängeschilder sind letztlich - aufgrund unterschiedlicher Umstände - hochkant aus der Königsklasse rausgeflogen.
Zum ersten Mal seit acht Jahren steht damit kein deutscher Verein in der Runde der besten Vier im wichtigsten Vereinswettbewerb der Welt.
Das ist ein Faktum, ebenso wie die drei (je nach Lesart auch vier) Niederlagen in vier Viertelfinalspielen gegen zwar sehr starke, aber durchaus bezwingbare Gegner aus Monaco und Madrid, bei einem endgültigen Torverhältnis von sechs zu zwölf.
Die sehr besonderen, in Dortmunds Fall sogar tragischen Begleitumstände lassen eine nüchterne Betrachtung des Scheiterns nur schwer zu.
Niemand weiß, wie die Spiele ohne den Anschlag von Dortmund gelaufen wären. Mit einer BVB-Mannschaft unter totaler Anspannung und Konzentration auf den Beruf.
"Wir sind leider verdient raus"
Die Dortmunder haben alles versucht, aber gegen die Spielansetzung im Hinspiel und gegen die bösen Gedanken im Kopf war kaum etwas auszurichten.
Und dann unterlaufen dem Routinier zwei so gravierende Fehler in zwei Spielen innerhalb einer Woche, die dann auch prompt zu Gegentoren führen.
"Pischu (Piszczek, Anm. d. Red.) hat in den Spielen zwei Fehler gemacht. Er ist auf allerhöchstem Niveau Musterprofi, aber auch Familienvater und hat in der letzten Woche unglaublich gelitten", sagte Thomas Tuchel nach dem 1:3 in Monaco, bei dem Piszczeks Ballverlust die endgültige Entscheidung bedeutet hatte.
"Das hat ihn was gekostet und darum bin ich da sehr nachsichtig, auch wenn die Fehler sehr krass sind. In der Summe sind diese beiden Fehler in der Champions League zu groß. Wir hatten nicht die Qualität, nicht die Energie und vor allem auch nicht das Spielglück. Wir hatten nie das Gefühl: 'Ey, jetzt läuft es für uns.' Wir sind leider verdient raus", sagte Tuchel weiter.
Der Trainer versuchte in den schweren Tagen stets Haltung und Contenance zu wahren, stellte sich schützend vor seine Spieler und ahnte wohl schon vor dem Rückspiel im Stade Louis II, dass es bei seiner ersten Teilnahme an der Champions League nicht für den Einzug ins Halbfinale reichen würde.
Mix aus Empathie und Professionalität
Tuchel fand einen guten Mittelweg zwischen Empathie für seine Mannschaft und der Forderung nach der trotzdem notwendigen Professionalität.
Und er ließ tatsächlich nichts unversucht, um seine Mannschaft doch noch einmal auf den richtigen sportlichen Weg zu bringen.
Dass Marc Bartra als Überraschungsgast in der BVB-Kabine die letzten Worte an die Mannschaft richten durfte, war ein klares Signal. Und ist auf Dauer für das Team vielleicht sogar mehr wert als der Einzug in die Runde der besten Vier.
Deshalb wollte sich Tuchel bei aller berechtigten Kritik am deutlichen Scheitern gegen Monacos Rasselbande die komplette Champions-League-Saison seiner Mannschaft auch nicht schlecht reden lassen. Im Gegenteil.
"Unsere Champions-League-Bilanz ist absolut top. Die letzten beiden Spiele stehen da in einer Klammer. Das Hinspiel, das wir als Betroffene auszutragen hatten, war das unnötigste Spiel in der Champions-League-Geschichte", sagte Tuchel.
"Wir waren in diesem Viertelfinale sicher nicht in der Verfassung, in der du sein musst, wenn du so einen Traum weiterleben willst. Man kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Für die Champions-League-Kampagne gebührt ihr daher das größte Kompliment."
Den Bayern fehlen ein paar Prozent
Die Bayern haderten zuvor schwer mit dem Schiedsrichter - zu einem gewichtigen Teil auch zu Recht.
Aber bei sachlicher Betrachtung beider Spiele war Real Madrid in der Summe die bessere Mannschaft.
Sechs der vergangenen acht wichtigen K.-o.-Spiele haben die Bayern seit dem Triumph von Wembley verloren, waren bei drei der vier Ausscheiden letztlich chancenlos.
Lediglich das Aus im Halbfinale der abgelaufenen Saison gegen Atlético war knapp und vielleicht auch unglücklich.
Ansonsten laufen die Bayern der Konkurrenz derzeit einen halben Schritt hinterher.
Das Finale von Wembley war für den deutschen Fußball in gewisser Weise ein Wendepunkt. Damals war von der besten Liga der Welt die Rede, weil es mit den Bayern und dem BVB erstmals zwei deutsche Klubs in ein Endspiel geschafft hatten.
Aber dieses voreilige Versprechen konnten die Teilnehmer der Bundesliga in den folgenden vier Jahren nicht einhalten.
Neustart für die Bundesliga
Mannschaften aus Deutschland spielen punktuell gut mit oder, wie die Bayern, dominieren nach Belieben bis zum Viertelfinale. Aber der Zirkel der ganz Großen ist tabu.
Die Primera Division ist gefühlt Lichtjahre enteilt, die Serie A mit Juventus und Napoli wird wieder stärker, Frankreichs Ligue 1 kann mittlerweile zwei starke Teams entsenden.
Der Premier League geht es ein wenig wie der Bundesliga. Ein klares Signal dafür, dass Geld allein auf dem absoluten Top-Level nicht reicht.
Mit Real Madrid hat nur einer der drei ganz großen Dominatoren des letzten Jahrzehnts das Halbfinale erreicht, auch das gab es seit 2009 nicht mehr.
Die Champions League sieht sich in einem Wandel, Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Arjen Robben werden nicht mehr ewig spielen.
Diese Saison hat ein paar neue, frische Gesichter ans Tageslicht gespült, Paulo Dybala, Kylian Mbappé oder Thomas Lemar. Spieler, die bald aufschließen zur 1B-Kategorie um Antoine Griezmann oder Neymar.
Darunter sind auch ein paar hoffnungsvolle Talente aus der Bundesliga. Die Dortmunder Ousmane Dembélé oder Christian Pulisic, Bayerns Joshua Kimmich oder der Leverkusener Julian Brandt.
Die deutschen Klubs sollten den Wandel als Chance begreifen. Es wird Zeit, den Neustart zu wagen.
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