Das Aus gegen Real Madrid wird für den FC Bayern zur Zäsur und zum Ende einer Ära. Der Kader benötigt eine deutliche Auffrischung. Aber wie soll die aussehen? Und wer trifft die Entscheidungen?

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Arjen Robben war nicht sauer oder aufgebracht. Der Niederländer starrte ins Leere, als er sich im dichten Gedränge der Mixed Zone den Fragen stellte. Völlig ausgepumpt, gezeichnet von 120 wahnsinnigen Minuten und mit der Gewissheit im Kopf, sehr wahrscheinlich die letzte große Chance auf ein Triple soeben verspielt zu haben.

Robbens legendäre Wut

Der Niederländer kann unglaublich wütend werden, wenn es um Fußball geht. Unvergessen sind seine Reaktionen nach den verlorenen Endspielen im Jahr 2012, als er in der Bundesliga in Dortmund einen Elfmeter verschoss und den BVB zum Meister machte.

Als er das Pokalfinale mit den Bayern 2:5 gegen Dortmund verlor und eine Woche später erneut vom Punkt scheiterte - im Finale dahoam gegen Chelsea. Es waren die schwersten Wochen seiner Karriere, selbst ein Abgang aus München stand damals im Raum.

Seitdem ist viel passiert. Ein Jahr nach der größten Enttäuschung erklommen die Bayern dann doch noch Europas Thron. Robben erzielte das entscheidende Tor. Er wurde zum Sinnbild des famosen Aufstiegs aus der Asche, die sich im Sommer 2012 angesammelt hatte.

Eine Zäsur

Jetzt liegen die Bayern wieder am Boden. Das Ausscheiden in Madrid ist eine Zäsur. Die drei Halbfinal-Enttäuschungen der vergangenen Jahre unter Pep Guardiola fühlen sich plötzlich im Vergleich zum Scheitern im Bernabeu unglaublich klein an.

Und das nicht nur wegen des dramatischen Zustandekommens und der vielen fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen, sondern auch weil die Bayern einen Wendepunkt in ihrer Klubgeschichte erreicht haben.

Im Rückspiel in Madrid standen immer noch sechs Spieler, die auch schon im Finale von Wembley 2013 dabei waren. Im ersten Duell gegen die Königlichen waren es sogar acht Spieler gewesen.

Wembley ist jetzt bald vier Jahre her, die Bayern spielen aber immer noch in großen Teilen mit jenen Stammkräften, die damals den Triumph möglich gemacht hatten.

Schleichender Abstieg seit Wembley

Seit Wembley hat ein schleichender Abstieg eingesetzt, der sich erst in den ganz großen Spielen auch wirklich bemerkbar machte. Wenn es auf Nuancen und jedes kleine Detail ankam.

Carlo Ancelotti sollte der Trainer für die wichtigen Spiele im Frühling sein. Das mag immer noch stimmen, auch wenn der Italiener in beiden Spielen gegen Madrid einige diskutable Rochaden vollzogen hat.

Aber ohne eine Mannschaft auf absolutem Topniveau wird es auch für Ancelotti schwer. Und die Bayern, das haben beide Spiele gegen Real gezeigt, waren sehr gut unterwegs. Aber eben nicht gut genug, um gegen diese Ansammlung von noch besseren, jüngeren, dynamischeren Einzelspielern in zwei Partien bestehen zu können.

Letztes Spiel für Lahm und Alonso

Philipp Lahm und Xabi Alonso haben ihre fantastischen Karrieren mit einem würdevollen Spiel beendet, mit einer epischen Schlacht. Für beide war es das letzte Champions-League-Spiel überhaupt.

"Da haben zwei große Spieler heute auf passende Weise, mit einem großen, spektakulären Spiel, ihre Champions-League-Karriere beendet", gab Mats Hummels im großen Chaos der Mixed Zone zu bedenken.

Bayerns angeschlagene Rentnerbande

Im Bernabeu liefen die Bayern mit vier Feldspielern weit jenseits der 30 auf. Das Durchschnittsalter der Startelf betrug 29,7 Jahre. David Alaba war mit 24 Jahren noch der mit Abstand jüngste der Rentnerbande.

Dazu kamen gleich vier Spieler unmittelbar aus längeren Verletzungspausen zurück und waren, wie sich spätestens ab Mitte der zweiten Halbzeit zeigte, noch nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte.

Und trotzdem waren es arrivierte Kräfte wie Robben, Ribéry und Lahm, die dem Bayern-Spiel Wucht und Geschwindigkeit gaben.

Robben und Ribéry auch nicht mehr die jüngsten

Robben (33) und Ribéry (34) werden Lahm und Alonso schon bald folgen und sich in der kommenden Saison auf ihre letzte Reise begeben.

"Philipp und ich haben es bis zum letzten Moment genossen. Es ist schade, aber es muss weiter gehen", sagte Alonso. "Das ist der Bayern-Spirit: immer weiter machen." Bleibt nur die Frage, wie die Bayern weitermachen wollen?

Die Juniorpartner waren nicht gut genug

Die Juniorpartner spielten in Madrid nicht dem Anlass angemessen: Für Thiago, David Alaba, Douglas Costa und sogar den eingewechselten Thomas Müller schien die Aufgabe an diesem Abend eine Nummer zu groß.

Thiago verhedderte sich zu oft, Costa und Müller hatten kaum eine brauchbare Aktion und Alaba bekam von seinem Madrider Pendant Marcelo aufgezeigt, wie ein Linksverteidiger auf Weltklasseniveau spielt.

Bezüglich der Kaderplanung für die kommenden Jahre stehen den Münchnern Entscheidungen von großer Tragweite bevor.

Was wird aus Costa, Coman und Co.?

Was tun mit Kräften wie Costa oder Kingsley Coman? Beide sollten als Alternativen für Ribéry und Robben aufgebaut werden, erreichen das Niveau der beiden Top-Stars bislang aber nicht.

Gibt es eine Weiterentwicklung des bestehenden Kaders oder wird auf einen kompletten Neuanfang gesetzt?

Die Bayern benötigen auf jeden Fall einen Ersatz für Lahm auf der rechten Abwehrseite sowie einen Backup für Robert Lewandowski im Angriffszentrum. Sollte man Costa oder Coman den großen Leistungssprung nicht zutrauen, müsste zudem noch ein klassischer Flügelangreifer her.

Reschke rückt in den Fokus

Mit den Hoffenheimern Niklas Süle und Sebastian Rudy stehen zwei Neuzugänge schon fest. Legt man aber die offenen Baustellen und den exklusiven Qualitätsmaßstab der Bayern zugrunde, müssten für weitere Zugänge aber wohl Investitionen weit über der 100-Millionen-Euro-Grenze veranschlagt werden.

Michael Reschke wird zu einer sehr entscheidenden Figur in den kommenden Wochen. Bayerns Kaderplaner dürfte schon längst genug Kandidaten im Auge haben - die Frage ist nur, wie viel Gehör und Spielraum ihm die Bosse auch gewähren. Reschke begann seinen Dienst in München zu einer Zeit, als Uli Hoeneß als Präsident nicht mehr da war.

Größter Umbau seit Klinsmann-Entlassung

Jetzt ist Hoeneß zurück, dafür ist die Stelle des Sportdirektors seit nunmehr neun Monaten vakant und immer noch kein neuer Kandidat in Sicht. Gerade jetzt, da die Bayern den größten Kaderumbau seit der Entlassung von Jürgen Klinsmann in Angriff nehmen müssen. Das war vor acht Jahren.

Damals misteten die Bayern den Kader gehörig aus, setzten auf den Rekordtransfer von Mario Gomez und Louis van Gaal brachte ein paar Spieler mit. Holger Badstuber und Thomas Müller wurden von den Amateuren hochgezogen - und ein gewisser Arjen Robben unterschrieb seinen ersten Vertrag in München.

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