Nach dem blamablen Remis von Borussia Dortmund bei APOEL Nikosia in der Champions League steht Roman Bürki im Fokus. Der Torhüter muss als Sündenbock herhalten - dabei sind die Probleme der Mannschaft deutlich vielschichtiger.
Den bemerkenswertesten Satz des Abends formulierte wohl
Borussia Dortmund dürfte sich durch das Remis auch der letzten realistischen Chancen auf ein Weiterkommen in der Champions League beraubt haben. Das gleichzeitige Unentschieden zwischen Real Madrid und Tottenham Hotspur belässt den Rückstand auf das Duo weiter bei sechs Punkten - bei nur noch drei ausstehenden Spielen bräuchte die Mannschaft schon ein mittelschweres Wunder, um sich doch noch an einem der beiden Kontrahenten vorbeizuschieben.
„Ich bin kein Träumer, sondern Realist. Wir müssen jetzt alles tun, um den dritten Platz zu sichern. Nach oben schauen wir nun nicht“, gab Sportdirektor Michael Zorc nach der Partie zu.
Etwas trotziger und auch renitenter fasste Kapitän Schmelzer die durchaus prekäre Lage beim BVB zusammen.
Schmelzer war nach fünf Wochen Pause und lediglich drei absolvierten Trainingseinheiten mit der Mannschaft zurück ins Team gekehrt in einem Spiel, das für den BVB von größter Bedeutung war. Zum einen, weil ein Sieg gegen Nikosia Pflicht war. Und zum anderen, weil nach den teilweise bedenklich schwachen Auftritten gegen den FC Augsburg und RB Leipzig in der Bundesliga eine Reaktion der Mannschaft erwartet wurde.
Nikosia als Tiefpunkt
Nikosia war aber ein echter Tiefpunkt. Anders als gegen Augsburg, als man der Mannschaft vielleicht eine zu lasche Arbeitseinstellung vorwerfen konnte oder Leipzig, das an diesem Tag die besseren Mittel hatte und verdient gewann, war gegen die tapferen Zyprer so rein gar nichts mehr von dem zu sehen, was den BVB zu Beginn der Saison stark gemacht hatte.
Nikosia hatte sich blendend auf den Dortmunder Überfallfußball eingestellt, ließ keine Räume, attackierte nicht tief, sondern durchaus auch mutig.
Der BVB spielte dagegen Schlafwagenfußball. Wie Trainer Peter Bosz nach dem Spiel zu der Erkenntnis kommen konnte, seine Mannschaft habe besonders zu Beginn der Partie gut gespielt, erschloss sich den meisten Beobachtern gar nicht. Dortmund spielte das mit Abstand schlechteste Spiel der gesamten Saison und enttäuschte die mitgereisten Fans komplett.
Bürki-Fehler überlagert die Probleme
Überlagert - oder im negativen Sinne gekrönt - wurde die zähe Vorstellung vom doppelten Patzer
Der Keeper spielte zunächst einem Gegenspieler den Ball in den Fuß und ließ dessen leicht zu haltenden Schuss danach auch noch nach vorne abprallen. Mickael Poté, der sich einst bei Dynamo Dresden in der 2. Liga verdingte, traf zum 0:1 aus Dortmunder Sicht.
Bürki wird in Dortmund seit seinem ersten Tag etwas argwöhnisch betrachtet, Teile der Fans hätten sich eine andere Nummer eins erhofft als den ehemaligen Freiburger. Zumal der in Roman Weidenfeller eine Dortmunder Ikone verdrängt hatte.
Bürkis Leistungen oszillieren in der Tat manchmal zwischen Weltklasse und Kreisklasse, der Blackout jetzt öffnet die im Hintergrund schwelende Torhüterdiskussion nun auch für die Öffentlichkeit.
Die Beschwichtigungen der Kollegen sind da nur ein schwacher Trost. „Roman hat uns schon viele Spiele gewonnen, weil er es sehr gut gemacht hat. Wir haben kein Torhüter-Problem“, sagte Sokratis, dem wenigstens noch der Ausgleich gelungen war.
Trainer Bosz erklärte nochmals, wieso ein Fehler wie der des Keepers in Dortmunds Spiel auch immer mal passieren kann. „Wir wollen ja, dass Roman mit uns spielt und wenn der Pass ankommt, dann haben wir drei Gegner überspielt und es sind endlich mal keine elf Mann vor uns.“ Der Fehler seines Torhüters sei „nicht schlimm“ und „kein Problem“, so Bosz weiter.
Und in der Tat hat die Mannschaft derzeit weit größere Schwachstellen zu bearbeiten als ein einziges missglücktes Zuspiel.
Dass Bosz seinen lange verletzten und nicht spielfitten Kapitän Schmelzer auf die linke Abwehrseite und den gelernten Innenverteidiger Marc Bartra auf die rechte Seite der Viererkette stellen musste, zeigt das Problem auf den Außenbahnen.
Jeremy Toljan und Dan-Axel Zagadou hatten gegen Leipzig so sehr enttäuscht, dass der Trainer sich für diese waghalsige Rochade entschied. Oder entscheiden musste. Schließlich fehlen ja immer noch Lukasz Piszczek, Raphael Guerreiro und Erik Durm wegen Verletzungen.
Bartra hatte ein einziges Mal in seiner Profikarriere auf der rechten Seite ausgeholfen, damals war er noch im Trikot des FC Barcelona unterwegs. Als BVB-Spieler wurde der Spanier bisher ausnahmslos in der Innenverteidigung eingesetzt.
Wo ist der Plan B?
Attackiert ein Gegner früh und hoch und raubt dem BVB damit das Tempo, um aus den vorgegebenen Positionen im Mittelfeld anzugreifen, bekommt die Mannschaft immer wieder erhebliche Probleme, überhaupt kontrolliert vor das gegnerische Tor zu kombinieren.
Das war jetzt im dritten Spiel in Folge der Fall und es zeigt auch, dass Bosz‘ Plan in einigen Partien noch die eine oder andere alternative Geschmackrichtung benötigt.
Ansonsten ist ein Angreifer wie Pierre-Emerick Aubameyang quasi nicht existent. Und wenn er dann doch an den Ball kommt, fehlt ihm dann und wann einfach auch der Killerinstinkt.
Aubameyang vergibt schlicht zu viele hundertprozentige Chancen, in Augsburg vertändelte er völlig frei vor Keeper Marvin Hitz mit einem sinnlosen Doppelübersteiger und lupfte einen Elfmeter überheblich in die Arme des Augsburgers. Gegen Leipzig scheiterte er in der Nachspielzeit frei vor Keeper Peter Gulacsi.
In Nikosia hatte Aubameyang, der im Prinzip nie zu sehen war, dann mit der letzten Aktion des Spiels die Chance, alles Unheil von seiner Mannschaft abzuwenden. Ein Kopfball aus fünf Metern, nach einer akkuraten Flanke, aus völlig unbedrängter Position sollte für einen Weltklassestürmer kein Problem sein.
Dafür ist jene Spezies Angreifer da: Um in den entscheidenden Situationen den Unterschied zu machen. Aubameyang köpfte den Ball auf Nikosias Torhüter, vom Pfosten sprang der dann ins Aus. Auch deshalb hält die Schwächephase an. Und die sollte sich der BVB auch eingestehen.
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