"Wenn wir nicht ins Finale einziehen, wird das mein Scheitern sein." Deutliche und irgendwie auch melancholische Worte, die José Mourinho vor dem Champions-League-Halbfinale zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund äußert. Melancholisch deshalb, weil das Spiel gegen den BVB "Mous" letztes CL-Spiel als Real-Trainer sein könnte.

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Mourinho und Real Madrid haben eine holprige Saison hinter sich. Die spanische Meisterschaft schrieb der Trainer von Real Madrid schon zehn Spieltage vor Schluss ab. Zu schlecht war der Saisonstart gewesen, zu souverän der FC Barcelona. Zumindest konnte das "weiße Ballett" bisher durch die Champions League tänzeln - doch dann kam Dortmund. Der BVB zerlegte Real nach allen Regeln der Kunst mit 4:1. Ein formidables Polster für die Borussia, ein katastrophenähnlicher Zustand für Real, die nun auf ein Wunder hoffen müssen. Die gibt es natürlich im Fußball, doch Real wirkt derzeit so angeschlagen wie selten in den letzten Jahren - zur Freude von Borussia Dortmund. Im Fokus steht dabei vor allem Trainer José Mourinho. Der ansonsten so charismatische Trainer wirkte im Hinspiel wie versteinert. "Mourinho wurde überrascht. Man hatte den Eindruck, dass Dortmund ihn regelrecht überrollt hat. Es war eine absolute Ratlosigkeit, Sprachlosigkeit, eine Machtlosigkeit zu spüren", meint Weltmeister- und Ex-Real-Torwart Bodo Illgner im Interview mit "spox.de".

Schafft "Mou" ein versöhnliches Ende?

Ein wenig tragisch ist es schon, dass sich einer der größten Trainer des europäischen Fußballs vermutlich ohne einen bedeutenden Titel in der aktuellen Saison aus Madrid verabschieden wird. Schon seit Wochen wird spekuliert, dass Mourinho zum Ende der Saison zurück zum FC Chelsea wechseln könnte. Der Portugiese hat diese Behauptungen bisher noch nicht bestätigt, auf der Pressekonferenz vor dem CL-Halbfinale (Dienstag 20:45 Uhr, live bei uns im Ticker und auf Sky) klingt er dennoch wie einer, der gerne noch einen versöhnlichen Abschied von seinem Verein hätte. "Das Scheitern ist immer das Scheitern des Trainers und der Sieg immer ein Sieg von allen", sagt Mourinho und erklärt das Spiel gegen den BVB zum "wichtigsten Spiel in der Geschichte von Real in den vergangenen zehn Jahren". "The Special One", ein Spitzname aus seiner Zeit beim FC Chelsea, weiß, den Madrilenen wird weder der Pokalsieg 2010/11 in Erinnerung bleiben, noch die überragend gewonnene Meisterschaft in der letzten Saison. Sollte er in der Champion League im Halbfinale ausscheiden, sein Vermächtnis bei Real Madrid wäre vom Scheitern geprägt.

Spitze Zungen behaupten, der Portugiese habe diesen Zustand selbst herbeigeführt, durch Entscheidungen, wie der Verbannung von Torhüter und Klub-Ikone Iker Casillas. Auch mit Verteidiger Sergio Ramos soll er es sich verscherzt haben. Nur mit Superstar und Landsmann Cristiano Ronaldo gibt es anscheindend kaum Probleme. Doch nun ist ausgerechnet der einzige Mann, dem gegen den starken BVB ein Tor gelungen war, nicht hundertprozentig fit. CR7 leidet seit dem Hinspiel an Muskelbeschwerden, konnte am Montag aber wieder mit der Mannschaft trainieren und wird laut Mourinho auflaufen. Mit 3:0 müssten die Madrilenen gegen Dortmund gewinnen, um den Finaleinzug zu sichern. Für die Tore brauchen sie Ronaldo.

Die Null muss stehen

Treffer alleine nützen Madrid jedoch herzlich wenig. Hinten muss die Null stehen. Dafür soll Sergio Ramos sorgen. Er wird Robert Lewandowski nicht von der Seite weichen. Immer und immer wieder habe der Verteidiger über die vier Tore des polnischen BVB-Stürmers im Hinspiel nachgedacht, schreibt die spanische Sportzeitung "Marca". Allein das Duell der beiden verspricht für Fußballfans mehr abendfüllende Unterhaltung als ein Hollywood-Actionstreifen. Etwas ironisch ist es allerdings schon, dass ausgerechnet einer der Spieler, der Mourinho lieber früher als später aus Madrid verabschieden würde, nun das Vermächtnis seines Trainers retten soll.

Doch das BVB-Team steht und fällt nicht mit Lewandowski. Dortmunds Kollektiv rund um Reus und Götze könnte Mourinhos Sargnagel werden und will dabei mutig zu Werke gehen. Einfach hinten rein stellen? Für Trainer Jürgen Klopp keine Option: "Man stelle sich vor, wir würden eine Menschenkette vor dem eigenen Tor bilden. Das wäre totaler Quatsch." Klopp setzt lieber auf das schnelle Umschaltspiel seiner Mannen: "Es geht für uns um die richtige Balance. Maximale Disziplin, um das eigene Tor zu verteidigen. Frech und mutig sein, um das andere zu bespielen." Einer, der dem Trainer bei diesem Vorhaben möglicherweise nicht helfen kann, ist Lukazs Piszczek. Der Rechtsverteidiger hat Adduktorenprobleme, fehlte bereits im Bundesligaspiel gegen Fortuna Düsseldorf. Beim Abschlusstraining war der Pole jedoch dabei.

Ob mit oder ohne Piszczek, einem grandiosen Fußballabend im Éstadio Santiago Bernabéu steht nichts im Wege. Das Stadion soll ein weißgewandeter Hexenkessel werden. Die Zuschauer wollen notfalls von den Rängen aus das Wunder erzwingen. Doch auch die knapp 8.000 mitgereisten Dortmunder Fans werden sicherlich ihren Teil zur aufgeheizten Stimmung beitragen, wenn der BVB versucht, José Mourinhos Abschied bei Real zu vermasseln.

Voraussichtliche Aufstellungen:

Real Madrid: Diego Lopez - Sergio Ramos, Varane, Pepe, Fabio Coentrao - Khedira, Xabi Alonso - di Maria, Özil, Cristiano Ronaldo (Morata) - Higuain

Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek (Kirch), Subotic, Hummels, Schmelzer - Gündogan, Sven Bender - Blaszczykowski, Götze, Reus - Lewandowski

Schiedsrichter: Webb, Cann, Mullarkey, Dean, Oliver, Child

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