Der FC Bayern hat das gefürchtete Kurzpassspiel des FC Barcelona entzaubert - mit einem einfachen, aber sehr wirkungsvollen Rezept. Barca agierte hingegen zu unflexibel und berechenbar - auch weil der angeschlagene Messi überhaupt nicht ins Spiel fand. Aber auch Xavi und Iniesta konnten das Debakel in München nicht abwenden. Steht nun die Wachablösung im europäischen Fußball an?

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"Sie haben uns eine Tracht Prügel verpasst", gestand ein geknickter Gerard Piqué nach dem 0:4-Debakel des FC Barcelona in der Münchner Allianz Arena. Noch nie hat der FC Barcelona in der Champions League eine so hohe Niederlage kassiert wie nun in München. Zuvor war über 90 Minuten hinweg nichts vom Kurzpassspiel von Xavi und Iniesta zu sehen, Tempodribblings von Lionel Messi blieben gänzlich aus.

"Wir haben miteinander gekämpft, miteinander verteidigt - das war der Schlüssel", sagte Arjen Robben direkt im Anschluss an die Partie. "Läuferisch und kämpferisch war das eins a", lobte auch Trainer Jupp Heynckes sein Team.

In Zahlen klingt das so: Zwar hatte Barcelona 66 Prozent Ballbesitz, aber in 90 Minuten nur vier Torschüsse. Zum Vergleich: Bayern hat 14 Mal auf das Barca-Tor geschossen. Bei den Zweikampfwerten lagen die Bayern mit 51 Prozent leicht vorne. Das und die hohe Laufbereitschaft der Münchner - allein Thomas Müller spuhlte elf Kilometer ab - ließen Barca verzweifeln. Lionel Messi brachte die Münchner Überlegenheit auf den Punkt: "Sie waren viel stärker als wir, körperlich überlegen."

FC Bayern findet Rezept gegen Barcas Kurzpassfolter

Dabei haben die Münchner ein Rezept gegen die europaweit gefürchtete Kurzpassfolter von Barca gefunden. Seit der Saison 2007/08 hatten die Katalanen in mehr als 300 aufeinanderfolgenden Spielen mehr als 50 Prozent Ballbesitz. Nur zweimal sind sie in dieser Zeit in der Champions League gescheitert: beide Male an Teams mit einen radikalen Defensivtaktik, an Inter Mailand 2010 und am FC Chelsea im Jahr 2012.

Doch auf eine defensive Mauertaktik ließ sich Heynckes nicht ein. Stattdessen verteidigten die Münchner hoch, und setzten gerade das magische Barca-Dreieck Xavi, Iniesta und Messi früh unter Druck. "Wir haben diese Saison schon viele gute Spiele gemacht, ich bin nicht sicher, ob dies das Beste war", ließ Javi Martinez keine Euphorie aufkommen und erklärte sachlich den Unterschied: "Barcelona hatte nur wenige Chancen, weil wir das Mittelfeld kontrolliert haben."

Dass Dauerläufer Thomas Müller - mit zwei Toren und einer Vorlage der Mann des Spiels - auch in der Defensive weite Wege geht, ist nichts Neues. Gegen Barca waren aber auch Arjen Robben und Franck Ribery mehr als einmal am eigenen Strafraum zu sehen. Der kleine Franzose spielte dabei gleich zweimal den Ausputzer, als er im Sechzehner die wenigen Pässe, die Dante und Boateng nicht abfangen konnten, ablief.

FC Bayern eiskalt, Barcelona zu unflexibel

In der Offensive war von Ribery zwar wenig zu sehen, dafür punkteten die Münchner mit einer schon fast vergessenen Variante: Standards. Im Champions-League-Finale 2012 machten die Münchner gegen Chelsea aus 17 Ecken noch keinen einzigen Treffer. Gegen das kopfballschwache Barca - kein Team in den fünf großen europäischen Ligen gewinnt weniger Kopfballduelle als die Katalanen - erarbeiteten sich die Münchner nicht nur elf Ecken, sondern erzielten damit auch die wichtigen ersten beiden Tore.

"Wir haben in der ersten Halbzeit nicht so schlecht gespielt. Aber nach dem frühen Gegentor in Halbzeit zwei wurde es sehr schwierig", meinte Barcas Co-Trainer Jordi Roura. Dabei verpassten es er und Cheftrainer Tito Vilanova rechtzeitig von der Seitenlinie einzugreifen. Erst nach dem vierten Gegentreffer acht Minuten vor Schluss wurde Stürmer David Villa als einziger Ersatzmann eingewechselt. Der angeschlagene Messi, der nach einer mehrwöchigen Verletzungspause noch sehr weit von seiner Topform entfernt ist, musste durchspielen.

Das zeigt auch, dass dem in den vergangenen Jahren als beste Mannschaft der Welt gefeierten Barcelona, sowohl die personellen Alternativen als auch die spielerische Flexibilität fehlen. Wenn die Steilpässe von Xavi und Iniesta in den Strafraum und Tempodribblings von Messi verhindert werden, ist die Barca-Offensive nur noch wenig wert.

Beides ist dem FC Bayern am gestrigen Abend gelungen, am Ende stand ein verdienter Sieg. "Barcelona hat die vergangenen Jahre in Europa dominiert, und dann gewinnen wir 4:0", sagte Arjen Robben nach der Partie stolz. Von einer Wachablösung im europäischen Fußball wollte er jedoch noch nicht sprechen. Auch der Spanier Javi Martinez, der vor dem gestrigen Abend kein einziges seiner 15 Spiele gegen Barcelona gewinnen konnte, warnt vor dem Rückspiel: "Eigentlich würde ich sagen, dass es reichen müsste. Aber der Gegner heißt Barcelona, deshalb müssen wir vorsichtig sein."

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