Am Mittwoch wird Cristiano Ronaldo 40 Jahre alt. Der Portugiese wechselte Ende 2022 zu Al-Nassr nach Saudi-Arabien. Welche Bilanz kann man zu seinem Ehrentag ziehen? Wir haben mit einem Experten gesprochen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Intention wird auf den ersten Blick klar. Schließlich posiert Cristiano Ronaldo mit einem Trikot Saudi-Arabiens mit der Nummer 34. Nein, CR7 hat sich nicht einbürgern lassen. Der Portugiese rührt vielmehr die Werbetrommel für den Wüstenstaat als WM-Gastgeber 2034.

Mehr News zum Thema Fußball

Dass Ronaldo, der am Mittwoch 40 Jahre alt wird, dies inmitten der Kritik an Saudi-Arabien macht, lässt tief blicken. Und dass er den Post als "bezahlte Werbepartnerschaft" kennzeichnet, sagt mehr über seine beiden vergangenen sportlichen Jahre aus als jedes Tor.

Denn sein Wechsel Ende 2022 zu Al-Nassr in die Saudi Pro League war nicht nur ein sportlicher, sondern vor allem auch ein politischer Paukenschlag. Saudi-Arabien nutzt seit einigen Jahren den Sport immer systematischer und breiter gefächert dafür, das eigene Image aufzupolieren, um das Land international positiver darzustellen und die Kritik an Menschenrechtsverfehlungen in den Hintergrund rücken zu lassen.

Sportereignisse als Teil einer Agenda

Das geschieht durch die erwähnte Fußball-WM, aber unter anderem auch durch Formel-1-Rennen, Kampfsport-Veranstaltungen und weitere Großereignisse wie die Asienspiele 2034. Oder aber durch ein Sponsoring bei renommierten Fußball-Klubs und Verpflichtungen wie der von Ronaldo.

Der fünfmalige Weltfußballer hat den Strom der Altstars in die Liga damals in Gang gebracht, einige weitere wie N'Golo Kante, Karim Benzema oder Neymar sind ihm seitdem gefolgt. Angelockt durch jede Menge Geld, das in Saudi-Arabien keine Rolle spielt. Mit durchaus positiven Folgen.

"Der Fußball hat in Saudi-Arabien durch Ronaldo und Co. definitiv einen Aufschwung und einen Reputationszuwachs erhalten", sagt Jürgen Mittag, Professor für Sportpolitik an der Deutschen Sporthochschule Köln, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Aufmerksamkeit für die "Vision 2030", wie die von Kronprinz Mohammed bin Salman 2016 eingeführte Reformagenda für Saudi-Arabien genannt wird, sei beträchtlich.

Dem Sport kommt als Baustein dabei eine zentrale Funktion zu. Und Ronaldo ist einer der wichtigsten Botschafter und damit ein Hauptgewinn für Saudi-Arabien, sagt Mittag.

CR7 als hervorragender Botschafter

Denn CR7 hat als Marke schon immer hervorragend funktioniert. Ronaldo hat es stets verstanden, sich mit breitem Lächeln, sportlichen Erfolgen und weitgehend skandalfrei mit nahezu maximalem Profit zu verkaufen. Auch mit 40 ist er noch topfit, ehrgeizig und damit ein Vorbild für nachfolgende Generationen. Und für das umstrittene Land der perfekte Botschafter.

"Man hat mit Ronaldo ein gutes Geschäft getätigt. Er ist als symbolträchtiges Aushängeschild gekauft worden. Diese Rolle nimmt er auch perfekt wahr, weshalb sich das Ganze auch in der Form rentiert", sagte Mittag.

Was zum Beispiel daran liegt, dass Saudi-Arabien der aktuelle Lebensmittelpunkt Ronaldos und seiner Familie ist. Er lebt nicht temporär dort, sondern hat sich ein Haus gekauft. Bei gelegentlichen Restaurant-Besuchen nimmt er auch am öffentlichen Leben teil, was in Saudi-Arabien aber grundsätzlich eher im privaten Kreis stattfindet. "Das sind symbolträchtige Dinge, die man gerne sieht, und die sowohl im In- wie im Ausland wahrgenommen werden", sagt Mittag.

Ronaldo wartet noch auf ersten Meistertitel mit Al-Nassr

Hinzu kommen Interviews, zum Beispiel mit der Saudi Pro League, in dem es vor allem um PR geht. Ein Spiel, das Ronaldo kennt und aus dem Effeff beherrscht. Das Land wird gelobt, die Leute, die Liga, die Sportentwicklung, das Leben – den Kronprinzen freut's. "Man hätte das vielleicht sogar noch ein bisschen öfter erwartet, ein bisschen expressiver oder regelmäßiger", sagt Mittag.

Was hingegen fehlt, ist der sportliche Erfolg mit seinem Klub. Ronaldo steht an seinem Geburtstag bei 81 Toren sowie 19 Vorlagen in 89 Pflichtspielen für Al-Nassr. Allerdings konnte er in nunmehr rund drei Saisons nur zwei Titel holen, den eher unwichtigen "King Salman Arab Clubs Cup" und den "Qatar-UAE Super Cup". "Da ist noch Luft nach oben, wobei nicht klar ist, ob ein nationaler Meisterschaftserfolg gelingen wird", erklärt Mittag.

Im Dreierverbund der großen Klubs Al-Hilal, Al-Ittihad und Al-Nassr haben die anderen beiden die Nase vorne. Al-Nassr blieb zweimal nur der Vize-Titel.

Cristiano Ronaldo: Supersportsmann mit Schattenseiten

Während Ronaldo sportlich kein Vorwurf gemacht wird, "ist man bei den Verantwortlichen ein bisschen unglücklich, dass er bisweilen etwas unbeherrscht auf dem Platz auftritt", sagt Mittag. So ließ er sich von wiederholten "Messi"-Rufen provozieren und antwortete in einem Spiel im Februar 2024 mit einer obszönen Geste, die ihm eine Untersuchung durch den saudischen Fußballverband und eine Sperre von einem Spiel einbrachte. "Dieses Unbeherrschte von Ronaldo und das Abfällige gegenüber den Schiedsrichtern – der Supersportsmann Ronaldo hat auch durchaus seine Schattenseiten", sagt Mittag.

Ob Superstars wie Ronaldo der Liga nachhaltig zu mehr Ansehen verholfen haben, muss sich noch zeigen. Nach einem wahren Investitionsrausch 2023/24 wurde es ab dem vergangenen Sommer ein wenig ruhiger. "Es gilt abzuwarten, ob das Ganze versandet und sogar möglicherweise ein negativer Beigeschmack bleibt, weil dann viel Geld investiert wurde, ohne eine nachhaltige Wirkung zu erzielen", betont Mittag.

Dass langfristiger Erfolg nicht nur mit Altstars gelingen kann, hat die Chinese Super League bewiesen, die nach ähnlichen Investitionen in den vergangenen Jahren international in der Versenkung verschwunden ist.

Vertragsverlängerung bei Ronaldo in Planung

Die gute Nachricht für die Machthaber in Saudi-Arabien: Ronaldo wird wohl vorerst nicht verschwinden, auch wenn er geplant hat, nach der aktiven Karriere nach Portugal zurückzukehren. Vielmehr soll sein Vertrag bei Al-Nassr noch einmal zu ähnlichen Konditionen bis 2026 verlängert werden, wie die "Marca" zuletzt berichtete. Ronaldo würde demnach 183 Millionen Euro pro Jahr verdienen, er soll dazu aber auch Anteile am Klub erhalten.

"Sollte er seine aktive Karriere in Saudi-Arabien beschließen, wäre das ebenfalls symbolträchtig", sagt Mittag. In welchem Licht Ronaldos Karriere am Ende steht, komme aber auf den Standpunkt an: "Als er die Entscheidung getroffen hat, nach Saudi-Arabien zu gehen, hat sein Image definitiv einen Dämpfer erhalten. Der Entschluss hat einen Schatten auf seine Persönlichkeit geworfen, da er primär mit monetären Interessen erklärt wurde und seine Karriere in der Gesamtschau nun weniger hell strahlt."

Immer noch auf internationalem Niveau unterwegs

Allerdings zeigt die Fortsetzung seiner Laufbahn in der Nationalmannschaft, dass er immer noch auf einem hohen internationalen Niveau spielen kann. "Es lässt ihn nicht wie einen Altstar erscheinen", sagt Mittag. Und deshalb wird es auch davon abhängen, wie es nach der aktiven Karriere weitergeht.

Soll heißen: "Wenn er in fünf Jahren oder zehn Jahren Nationaltrainer Portugals ist und als solcher auch Erfolge hat, dann mag die Geschichte Al-Nassr eher eine Episode bleiben", sagt Mittag. Und wenn es der letzte Stationsweg bleibt? "Dann dürfte das Bild von Ronaldo, das in der Erinnerung verhaftet bleibt, ein paar mehr Kratzer haben."

CR7 wird es relativ egal sein – denn die "Werbepartnerschaft" hat sich längst bezahlt gemacht.

Über den Gesprächspartner

  • Jürgen Mittag ist als Professor für Sportpolitik an der Deutschen Sporthochschule Köln tätig. Der Titel der Professur "Sportpolitik" passt perfekt zu seinem Werdegang. "Für mich eine ziemlich perfekte Quintessenz meiner bisherigen Studien und akademischen Stationen", sagt Mittag.

Verwendete Quellen

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.